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Lust auf 2000 Kannen Kaffee?

Gemünden

Lust auf 2000 Kannen Kaffee?

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    "Verschwinde aus dem Licht", "der Tisch muss raus", "gibt's noch Kaffee?" - im Schuppen neben dem Gössenheimer Bahnwärterhäuschen geht's rund. Ein vierköpfiges Team vom Bayerischen Rundfunk hat die Schatzkammer von Marlene Heinickel "besetzt", vor dem Objektiv der Kamera fährt ein edles Kaffeeservice Karussell. Dann knallt es, das Licht geht aus. Die Sicherung ist raus geflogen, für ein paar Minuten kehrt Ruhe ein. Die Hausherrin nutzt die Gunst des Augenblicks: "Will noch jemand ein Täßchen?"

    Seit zehn Jahren sammelt Marlene Heinickel Kaffeekannen. Weit über 2000 Stück hat sie schon, Tendenz steigend. Einst hat sie ein besonders schönes und wertvolles Service geerbt, von ihrer Urgroßmutter. Da hat sie das Sammelfieber gepackt. Seither kommt die ehemalige Wirtin von keinem Flohmarkt, aus keinem Urlaub mehr ohne Kanne zurück. "In letzter Zeit habe ich aber nur noch besonders schöne oder seltene Exemplare gekauft." Der Platz wird halt langsam knapp.

    Zuerst hatte sich die Kannen-Kollektion in der ehelichen Wohnung ausgebreitet, bevor sie langsam auch Dachboden und Garage in Beschlag nahm. Freunde und Bekannte, die sich nicht so recht mit Marlene und ihrer Leidenschaft identifizieren konnten, fanden die Sammlung wunderlich. "Die Mutter spinnt, haben sie gesagt", lacht die Kannenkönigin. Da sprach der Gatte ein Machtwort: "Die Kannen kommen raus." Ein Schuppen, ursprünglich als Partyraum errichtet, wird zum Museum umgebaut.

    Wer den Schuppen unvorbereitet betritt, dem verschlägt es schier die Sprache. In Regalen an den Wänden, überall an der Decke, mit und ohne Tassen, zwischen Porzellanfigürchen und Kaffeelöffeln: Kannen, Kannen, Kannen, schöne, alte und originelle. Wertvolles aus dem 19. Jahrhundert steht neben dem typischen orangeroten 70er Jahre-Set. Stücke aus feinstem Meißner Porzellan oder von Villeroy & Boch gibt's da, die Kannen stammen aus Italien, Tschechien oder Ungarn.

    "Schauen Sie mal", ruft die Sammlerin und zeigt eine Kanne von Ehrmanntraut & Zeidler, einer Würzburger Porzellan-Manufaktur, die schon vor langer Zeit dicht gemacht hat.

    Weil Kaffeekannen ohne eine spezielle schwarze Flüssigkeit nicht sein können, bewirtet Marlene jeden Sonntagnachmittag Ausflügler, die den Weg zu ihrem kleinen Museum gefunden haben. Dann brüht sie frischen Kaffee auf, serviert Erdbeertorte oder Käsekuchen und trägt Mundartgedichte vor. Wer Fragen zu ihrem ganz persönlichen Fachgebiet hat, ist ohnehin an der richtigen Adresse. Einiges Fachwissen hat sie sich angelesen, über Bisquit-Porzellan, Weinlaub-Dekors und Königin-Victoria-Rosen.

    Einmal im Jahr werden die Kannen-Kolonnen von der Decke und aus den Regalen geholt und gespült. Von Hand. Dann und wann geht ein Stück zu Bruch, das tut Marlene Heinickel in der Seele weh. Ihr Sohn Siegfried hilft ihr. Er hat nicht nur Verständnis für das Hobby seiner Mutter - die Sammelleidenschaft hat ihn selbst gepackt. "Er hat mir versprochen, die Sammlung zu erhalten, wenn ich mal nicht mehr da bin", sagt Marlene, tief gerührt.

    Andächtige Stille herrscht jetzt im Raum, sogar das Kamerateam unterhält sich nur noch im Flüsterton. Dann gießt sie einen Schwall heißen Wassers über die gemahlenen Kaffeebohnen. Duft steigt auf. "Das ist Atmosphäre", sagt Marlene. Und: "Wer mit mir Kaffee trinkt, ist mein Freund."

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