Wer im Landkreis Main-Spessart auf dem Dorf wohnt und mit einem öffentlichen Verkehrsmittel fahren will, noch dazu in den Ferien oder an einem Wochenende, hat schlechte Karten. Wesentlich einfacher ist es da, von Würzburg nach Berlin zu kommen. Da finden sich neben der Bahn und diversen Bussen auch haufenweise Angebote auf Mitfahrerportalen – nicht aber auf dem „flachen Land“. Inzwischen gibt es jedoch auch ein Mitfahrerportal, das speziell für Kurzstrecken gedacht ist. Es nennt sich „flinc“, ist allerdings im hiesigen Raum fast noch unbekannt.
2008 gründeten Darmstadter Studenten die Internet-Plattform, damit sich Fahrer und Mitfahrer finden können. Inzwischen lässt sich die Software auch in Navigon für i-Phone und Android integrieren.
Die Funktionsweise: Ein Mitfahrer sucht über den Rechner oder das Mobiltelefon jemanden, der auf seiner Wunschstrecke unterwegs ist. Der Fahrer bekommt diese Suche per Mail oder SMS angezeigt – entweder vor der Fahrt oder aber auch, während er schon unterwegs ist. Das Navi leitet ihn automatisch zum Standort des Mitfahrers. Denn das ist eine der Ideen von „flinc“: Die Mitfahrer sollen vor der Haustür abgeholt werden.
Für die Strecke und den kleinen Umweg gibt „flinc“ eine Fahrpreisempfehlung, was der Mitfahrer zahlen soll. Diese liegt häufig unter dem Preis für eine Busfahrt. Was der Mitfahrer dem Fahrer dann gibt, ist aber letztlich Verhandlungssache.
Beim Thema „Vertrauen“ arbeitet „flinc“ ähnlich wie Ebay mit einem Bewertungssystem. Hier kann man sehen, wie andere einen Fahrer oder einen Mitfahrer beurteilt haben. Im „flinc“-Profil kann zu sehen sein, wie oft jemand einen anderen mitgenommen hat, in welchem Unternehmen jemand arbeitet und welche Freunde jemand hat. Auch ein Foto ist möglich.
Immer wieder taucht im Zusammenhang mit Mitfahrgelegenheiten die Frage nach der Versicherung auf. „Solange mit der Fahrt kein Geschäft gemacht wird, der gezahlte Betrag also unter den Betriebskosten liegt, gilt sie nicht als gewerbliche Fahrt und die Mitfahrer sind ganz normal versichert“, erklärt der Mitbegründer Benjamin Kirschner. Das sei auch der klare Unterschied dieses Mitfahrsystem zu Uber, das mehr wie ein Taxi funktioniert.
Er sieht „flinc“ als Alternative zu hohen Benzinkosten und schlechten Nahverkehrsverbindungen. Diskussionen über Nahverkehr würden oft mit dem Ergebnis enden: „Es gibt in ländlichen Gebieten keine Alternative zum Auto.“ Freilich setzt auch das neue Mitfahrerportal aufs Auto, versucht dieses aber besser auszunutzen. Denn eigentlich sind auf den Straßen genug Autofahrer unterwegs. Kirschner ist sich sicher: „flinc“ schont die Umwelt und lastet Autos intelligenter aus. Nie habe es bessere Voraussetzungen gegeben als heute, um sich kurzfristig über eine Mitfahrmöglichkeit zu verständigen.
Ein Selbsttest im Raum Main-Spessart zeigte, dass „flinc“ hier noch deutlich in den Kinderschuhen steckt. Die Suche nach einer Fahrt von Karlstadt nach Würzburg führte zu einem Pendler, der täglich aus einer Gemeinde östlich von Würzburg nach Lohr zu Rexroth auf die Arbeit fährt. Für ihn war es die erste erfolgreiche Vermittlung, obwohl er die Fahrt schon seit mehren Monaten anbietet.
Er habe zwar schon ein paar wenige Male Anfragen erhalten, doch wäre das für ihn mit absurden Umwegen verbunden gewesen. Denn „flinc“ errechnet selbstständig Alternativrouten und bietet diese dem Fahrer an. So wurde derselbe Pendler auch ausgewählt bei der Suche nach einer Fahrt von Karlstadt nach Würzburg wie von Karlstadt nach Arnstein. Letzteres aber hätte für den Fahrer erheblichen Zeitverlust bedeutet.
In einigen Ballungsgebieten ist das System stärker verbreitet. Seit dem Start im Juli 2011 entwickelt „flinc“ die Plattform stetig weiter. Jeden Monat laufen derzeit mehr als 650 000 Fahrten und Mitfahrten über die Plattform. 30 Unternehmen wie Vaude, Procter & Gamble und Marc O'Polo nutzen die „flinc“-Unternehmenslösung, um ihren Mitarbeitern eine neue Möglichkeit zu geben, zur Arbeit zu kommen. Hier liegt auch die Einnahmequelle der Pattform, die ansonsten von Privatpersonen kostenlos genutzt werden kann.
Seit September 2013 ergänzt „flinc“ im Rems-Murr-Kreis über ein EU-gefördertes Projekt bei Stuttgart das Angebot des ÖPNV. Alle 31 Städte und Gemeinden sind angeschlossen.
Innerhalb von vier Jahren hat „flinc“ eine Reihe von Preisen eingeheimst, darunter den Weconomy-Preis des Handelsblatts für junge Unternehmensgründer und den Gründungswettbewerb Pioniergeist, verliehen von der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz, den Volks- und Raiffeisenbanken und dem SWR-Fernsehen.