„Ich bin vermutlich der einzige Mensch im Raum, der nicht fotografiert“, waren die Eröffnungsworte von Friedel Liedhegener zur Ausstellung „Der dauernde Augenblick – Berufsfotografie im Spessart seit 1850“ im Spessartmuseum im Lohrer Schloss am Donnerstagabend. In einer sehr launigen Rede philosophierte der sonst als Puppenspieler bekannte Liedhegener vor 120 Gästen über das Fotografieren.
Er mache ungefähr acht Fotos im Jahr, das reiche vollkommen aus zur Erinnerung an den Urlaub, die Eindrücke seien bei ihm im Gedächtnis gespeichert – im Gegensatz zur heute üblichen Vorgehensweise, per Handy eine Flut von Bildern zu produzieren und damit Beliebigkeit zu erzeugen. Er frage sich manchmal, ob bei manchen Leuten die Erinnerung erst zu Hause mit zusammengesetzten Bildern entstehe. Liedhegener hatte Kameras unterschiedlichen Alters aus seiner privaten Sammlung dabei, Zu jeder wusste er eine Anekdote zu erzählen und überreichte die Kameras als Geschenk an den Museumsleiter Herbert Bald – bis auf zwei Stück.
Eine Agfa-Box überstand trotz schützender Plastiktüte einen Tauchgang in vier Metern Tiefe nicht und eine vollautomatische Nikon aus den 80ern, weil sich in dieser noch ein Film befinde und erst 19 der 24 Bilder belichtet seien.
Kein Abbild der Realität
Landrat Thomas Schiebel ging nach seinem Dank an die Organisatoren auf die Inhalte der Ausstellung ein. Vor allem die „Camera Obscura“, eine Art Lochkamera, hatte es ihm angetan. Hierbei fällt Licht durch ein Loch in der Wand und projiziert auf dem Kopf stehende Bilder auf die gegenüberliegende Wand. Bilder konnten allerdings noch nicht dauerhaft auf einen Träger übertragen werden. Von dort schloss Schiebel den Bogen zur digitalen Fotografie, bei der Bilder praktisch mit der Entstehung weltweit zur Betrachtung zur Verfügung stehen. Das Foto sei kein Abbild der Realität. Der gewählte Ausschnitt, die Perspektive, Möglichkeiten der Verfremdung beeinflussen den Betrachter. Dies ermögliche den Einsatz zu Propaganda. Zum Beispiel erinnere sich Schiebel an ein Foto von Altbundeskanzler Helmut Kohl, auf dem er mit Sturmhaube auf dem Kopf aus einem Panzer schaute. Oder Angela Merkel mit rotem Anorak beim Klimagipfel, Diese Fotos habe er als nicht authentisch empfunden.
Museumsleiter Herbert Bald beschrieb die Fotografie als Malen mit Licht, das Bild als herausgenommene Wahrnehmung zum dauerhaften Augenblick – jedoch eine gestaltete Wirklichkeit, die erheitert, berührt, erschüttert oder informiert. Entsprechend vielfältig sind die Einsatzmöglichkeiten: als Portrait, in der Presse, der Werbung oder als Kunst. Die Selfie-Mentalität in der modernen Fotografie beschrieb er als Besonderheit, weil Fotograf und Motiv in einer Person vereint seien. Mit dem Zitat„Ehre sei dem Fotografen, er kann nichts dafür“ von Wilhelm Busch beendete Bald den offiziellen Teil der Ausstellungseröffnung und lud die Gäste zum Rundgang ein.
Die Ausstellung besteht aus drei wesentlichen Säulen: Bilder vom Beginn der Fotografie bis heute, Kameras, Objektive, Dunkelkammer und „Camera Obscura“ sowie informativen Texttafeln. Dem Besucher bleibt es überlassen, ob er betrachten, schauen oder sich informieren möchte. Viele Gäste der Ausstellungseröffnung wollen wiederkommen, um in Ruhe die wunderbar gestaltete Präsentation zu genießen. Und sei es nur, um ein Portrait vor der historischen Kulisse zu fotografieren oder die „Camera Obscura“ im Detail zu studieren.
Die Ausstellung „Der dauernde Augenblick – Berufsfotografie seit1850“ im Spessartmuseum ist ab 4. Dezember bis 18. September 2016 zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 10 – 16 Uhr, Samstag und Feiertage 10 – 17 Uhr.