Die Lohrer Stadtbibliothek kann von den Bürgern trotz der Pandemie weiterhin genutzt werden, wenn auch unter besonderen Bedingungen. Wir sprachen mit der Leiterin Sylvia Rosenberger darüber, wie sich diese Einschränkungen auf die Leser und die Beziehung zu der von allen Altersgruppen besuchten Bücherei ausgewirkt haben.
Frage: Wie hat sich die Einstellung der Bürger mit Blick auf das Angebot der Stadtbibliothek im Laufe der Pandemie geändert?
Sylvia Rosenberger: Das Lese- und Nutzungsverhalten in der Lohrer Stadtbibliothek hat sich coronabedingt je nach Grundeinstellung der Besucher deutlich polarisiert. Viele Leserinnen und Leser sind gerade in dieser schwierigen Zeit froh, dass wir offen haben, manche meiden dagegen bewusst die Bibliothek als öffentlichen Raum. Kinder kommen noch gerne mit ihren Müttern und stöbern in der Abteilung, wo sie viel entdecken können. Manche Mütter ziehen es jetzt aber auch vor, alleine Lesestoff für die Familie zu holen.
Ist die Anzahl der Leser zurückgegangen oder wird der geringere Besuch ausgeglichen durch online genutzte Bücher?
Rosenberger: Die Gruppe der aktiven Leser, die ihre Bücher hier suchen, ist leider geringer geworden, während die Online-Ausleihe, das digitale Lesen sehr zugenommen hat. Es findet also pandemiebedingt in ganz unterschiedlichen Altersgruppen eine Verschiebung der gegenständlichen Ausleihe in Richtung digitaler Ausleihe statt, auch wenn der Rückgang der traditionellen Leser damit nicht ganz ausgeglichen werden kann.
Sind die Stammleser besser durch die Beschränkungen gekommen als die gelegentlichen Besucher?
Rosenberger: Die Beobachtung machen wir als Bibliotheksteam immer wieder seit Beginn der Pandemie, dass gerade Stammleser sehr froh sind, die Bibliothek nutzen zu können. Manche von ihnen leihen sich sogar in dieser stillen Zeit noch mehr Bücher aus als vor der Pandemie. Bei der Gruppe der regelmäßig auftretenden Kundschaft findet dabei auch eher eine Nutzung der digitalen Medien statt. Diese wird dann als Ersatz genutzt, bevor überhaupt keine Medien zur Ausleihe zur Verfügung stehen. Für viele Stammkunden ist die Stadtbibliothek weiterhin als feste Größe für ihre Freizeitgestaltung und als Informationsquelle im Bewusstsein verankert.
Wie könnten Sie interessierten Lesern erklären, dass sie ohne Risiko weiter ihre Lieblingsbücher hier ausleihen können?
Rosenberger: Seit März 2020 existiert ein gut durchdachtes, mit dem Bibliotheksträger, der Stadt Lohr, abgestimmtes Hygienekonzept: Ausleihe und Rückgabe werden getrennt, zurückgegebene Medien zwei Tage in Quarantäne gehalten vor der Desinfizierung, es stehen Hand-Desinfektionsmittel bereit, Abstandshinweise finden sich im Haus. Außerdem ist der Zugang in die Bibliotheksräume auf maximal zehn Personen beschränkt. Dies kann genau kontrolliert werden durch die Ausgabe von Medienkörben. Aktuell gelten die 2G-Regel und FFP2-Maskenpflicht.
Die Stadtbibliothek war für viele Familien nachmittags und samstags ein beliebtes Ausflugsziel. Wie kommen Sie damit zurecht, dass dies jetzt schon so lange nicht mehr stattfinden kann?
Rosenberger: Im Rahmen der wohl noch länger andauernden Zugangsbeschränkung ist ein Bibliotheksbesuch grundsätzlich ja möglich, wenn auch nur in kleinen Gruppen. Wir achten daher darauf, dass sich die Aufenthaltsdauer nicht allzu lange ausdehnt, um möglichst vielen Bibliotheksbesuchern, vor allem Kindergruppen, nacheinander den Zutritt zu ermöglichen.
Veranstaltungen und Führungen für Klassen mussten seit Langem ausfallen. Sehen Sie darin ein Problem, dass sich der fehlende Kontakt zur Stadtbücherei auf das Leseverhalten auswirken könnte?
Rosenberger: Wir bieten momentan wieder Klassenführungen an; diese veranstalten wir außerhalb der regulären Öffnungszeiten, um eine Kollision mit dem allgemeinen Publikum zu vermeiden. Junge Leser zu gewinnen, darin sehen wir eine ganz bedeutende Aufgabe. Wenn die Beziehung zu Büchern nachlässt, wird Lesen für die junge Generation immer weniger wichtig im Alltag.
Kann der Lesesaal, der ein beliebter Treffpunkt gewesen ist, wieder genutzt werden?
Rosenberger: Der Lesesaal steht seit Juli für maximal zwei Personen gleichzeitig wieder zur Lektüre von Zeitungen und Zeitschriften offen. Die früher beliebte Treffpunkt-Funktion, die wir als wichtigen Bestandteil unserer Bibliotheksaufgabe sehen, ist momentan leider noch ausgesetzt. Das bedauern wir sehr, da wir jeden Tag erleben durften, wie beliebt die Lesepause hier für viele Bürger war, die diesen Ort der sozialen Begegnung seit Langem vermissen. Als kleinen Ausgleich und besonderen Service leihen wir zurzeit auch aktuelle Zeitschriften, die sonst in Präsenz gehalten werden, eine Woche lang aus.
Zwei Lesetipps von Sylvia RosenbergerFür Erwachsene: Jana Revedin: Margherita. Berlin, 2020. Die Autorin, verheiratet mit dem Enkel von Margherita Revedin, beschreibt in diesem Roman das Leben der Gräfin zur Zeit von 1900 bis 1920. Die kluge und weitsichtige Frau verkehrte in Künstlerkreisen und förderte Größen wie Coco Chanel und Peggy Guggenheim.Für Jugendliche: Chris Colfer: Fantasy-Reihe "Land of Stories". Frankfurt, 2019-2021. In der "Land-of-Stories"-Reihe treffen junge Leserinnen und Leser auf viele Charaktere, die sie bereits aus klassischen Märchenbüchern kennen. Und doch ist alles ganz anders: Chris Colfer verleiht den bekannten Figuren mit viel Witz und Humor einen ganz neuen und eigenen Charme.(meww)
