Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten

MAIN-SPESSART: Mit dem Elektrofahrrad durch den Landkreis

MAIN-SPESSART

Mit dem Elektrofahrrad durch den Landkreis

    • |
    • |
    Mit dem Elektrofahrrad durch den Landkreis
    Mit dem Elektrofahrrad durch den Landkreis

    Tapfer trete ich in die Pedale, immer den Berg hinauf. Die Steigung hat's in sich, gewiss zehn bis zwölf Prozent, jedenfalls muss ich mit dem Rad auf einer Strecke von etwa einem Kilometer gut hundert Höhenmeter überwinden. Eine Leistung, die ich mir als mäßig sportlicher Mensch auch in jüngeren Jahren nie zugemutet hätte. Jetzt aber habe ich einen kleinen Helfer auf meinem Fahrrad: einen 250 Watt starken Elektromotor. Oben auf der Stettener Kürbishöhe geht es eben und schließlich sogar leicht abschüssig weiter. Hier kann ich den Motor ausschalten und allein aus eigener Kraft weiter strampeln – wie bei jedem anderen Fahrrad.

    Elektrofahrräder – auch Pedelec oder E-Bike genannt – sind doch nur etwas für alte Leute oder Weicheier! So jedenfalls dachte vor dieser Probefahrt. „Elektrofahrräder sind auf dem Vormarsch“, sagt der Karlstadter Fahrradhändler Volker Rosenberger. Dabei sind zwei Kundenkreise häufig anzutreffen: Senioren – die mit elektrischer Unterstützung länger mobil sind und Steigungen leichter bewältigen können – und Hobbyradler, auch jüngere, die ihren Aktionsradius mit dem Fahrrad erweitern wollen.

    So wie Inge Döll aus Stetten. Obwohl sportlich fit und seit Jahren regelmäßig auf zwei Rädern unterwegs, genießt sie jetzt Fahrten aus dem Werntal über die Berge nach Zellingen oder Karlstadt. „Wenn ich mich früher mit dem Fahrrad über den Saupurzel quälen musste und dort verschwitzt und abgehetzt einkaufen wollte, fühlte ich mich immer unwohl. Jetzt komme ich viel entspannter an.“ Auch die Ausflüge fallen jetzt weiter aus, gelegentlich ist sie mehr als einen halben Tag unterwegs.

    Dass ein E-Bike nichts für Faulenzer ist, merke ich bei meiner Probefahrt schon auf den ersten Metern. Der Motor springt nämlich erst an, wenn ich selbst in die Pedale trete und schaltet ab, wenn ich damit aufhöre. Der unterstützende Elektromotor darf nicht stark genug sein, das Rad alleine anzutreiben – treten muss jederzeit erforderlich sein, informiert Fachmann Rosenberger. Sonst kann das Fahrzeug nicht mehr als führerschein- und versicherungsfreies Fahrrad gelten, sondern als Leichtkraftrad (Mofa). Einige Pedelecs bieten aber eine Schiebe- oder Anfahrhilfe, die ohne Tretunterstützung durch Drücken eines Hebels einen Eigenschub von maximal sechs Stundenkilometern erzeugt.

    Gerade diese rechtliche Vorgabe macht den besonderen Reiz des Fahrzeugs aus. Aufsitzen und losbrausen wie bei einem Moped ist nicht möglich. Das ursprüngliche Fahrradgefühl, die körperliche Bewegung bleibt erhalten. Auch das spüre ich bei meinem ersten elektrischen Ausritt deutlich. Über die Stettener Weinberge führt mich mein Weg hinunter ins Maintal. Bis nach Himmelstadt geht es über einen Feldweg. Hier spüre ich deutlich die Kraft des unterstützenden Motors. Trotz holpriger Strecke, trotz ständiger Ausweichmanöver wegen der Schlaglöcher gibt mir das Gefährt insgesamt ein gutes Gefühl der Sicherheit.

    Auf der anderen Mainseite, auf dem Radweg nach Karlstadt probiere ich die Fähigkeiten des Rads aus und lasse die Muskeln spielen – in Kombination mit der elektrischen Energie natürlich. Schon nach den ersten Minuten stelle ich fest, dass Inge Döll recht hat. E-Bike fahren ist wie Fahren mit Rückenwind. Die Elektronik bietet drei Stufen: Low – Standard – High. In der Ebene kann der Fahrer auf Unterstützung verzichten oder im Low-Modus fahren. Doch ich kann nicht widerstehen, drücke auf „High“ und trete kräftig in die Pedale. Der Durchzug ist kräftig, der Geschwindigkeitsmesser zeigt fast 30 Stundenkilometer, mühelos lasse ich die anderen „Lust-Radler“ hinter mir. Nur ein sportlicher „Kampf-Radler“ bietet alle Energie auf, mich zu überholen. Dass ich mit falschen Karten, respektive mit einem Elektromotor fahre, fällt ihm nicht auf.

    Tatsächlich sind die heutigen E-Bikes sehr unauffällig konzipiert. Sie sind ein wenig fülliger als ihre normalen Geschwister und wegen des Motors sowie des Akkus rund acht Kilogramm schwerer. Genau dieser Akku ist der Grund, der die Pedelecs jetzt wirklich attraktiv machen kann. Durch moderne Technik sind Reichweiten von 40 bis 50 Kilometer möglich – je nach Gelände und Belastung. Das Laden dauert zwischen fünf und acht Stunden, es reicht eine ganz normale Steckdose. Die aktuelle Generation mit einer Spannung von 36 Volt wird in der Regel unter dem Gepäckträger oder am Rahmen verstaut, dort fällt der Akku kaum auf.

    Den Unterschied von bisher 24 zu den neuen 36 Volt schätzen auch Sonja und Reinhold Hohmann aus Thüngen. Sie sind schon seit mehreren Jahren E-Radler und genießen die Freiheit dieser Technik. Die Werntal-Marktgemeinde ist hügelig, vom Planplatz bis auf den Wendelsberg muss man schon ganz schön in die Pedale treten – oder schieben. Das kann einem schon mal die Freude am Rad fahren vermiesen.

    Die Hohmanns sind seit ihrem Ruhestand häufig elektrisch unterwegs. Die Kombination von Hilfe und Eigenaktivität finden sie ideal. Normalerweise sind im Werntal nur Radtouren nach Arnstein oder Eußenheim möglich, aber mit der Technik kommen sie auch über die Berge. Sie fahren oft nach Retzstadt, sogar nach Würzburg.

    E-Bikes sind also ideal für Genussradler und Senioren – wenn der Preis nicht wäre. Im gehobenen Preissegment müssen ab 2000 Euro bezahlt werden. Bei Kaufhäusern und Discountern auch Räder für das halbe Geld, doch Volker Rosenberger und Jürgen Spanier vom Karlstadter Radhaus SOS-Bike raten zur Qualität. Neben der Verarbeitung sei auch die Sicherheit für Reparatur und Ersatzteile zu beachten, die sei bei Markenfahrzeugen gewährleistet.

    Mit meinem elektrischen Rückenwind nähere ich mich jetzt Karlstadt. Bis zu dem kleinen Anstieg zur Mainbrücke hatte mein Motor Pause, jetzt lasse ich mir wieder auf der niedrigsten Stufe helfen. Rund 15 Kilometer habe ich in knapp einer Stunde zurückgelegt – einschließlich der heftigen Bergstrecke ein beachtliches Ergebnis fürs erste Mal. Als ich dann in die Hauptstraße einbiege, um das geliehene Rad zurückzugeben, zeigt die Ladeanzeige des Akkus noch dreieinhalb von fünf Markierungen als Vorrat. Damit scheint die angegebene Reichweite von 40 bis 50 Kilometern durchaus realistisch.

    Bei der nächsten Radfahrt am folgenden Tag zum heimischen Bäcker muss ich die Anhöhe zu meinem Haus wieder ganz ohne Elektromotor erklimmen. „Eigentlich“, denke ich, „wäre der elektrische Rückenwind auf Dauer schon eine prima Sache.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden