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SENDELBACH: Mit den Bildern kommen die Erinnerungen

SENDELBACH

Mit den Bildern kommen die Erinnerungen

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    Als der Krieg begann, war Weis Auszubildender bei der Stadt Lohr für die gehobene Beamtenlaufbahn. Als 19-Jähriger habe er damals anderes im Kopf gehabt als die Weltpolitik. „Wir waren junge Leute, noch dazu auf dem flachen Land“, erklärt Weis. Überdies sei in Lohr selbst vom eigentlichen Kriegsausbruch kaum etwas zu spüren gewesen. „Der Alltag ist ganz normal weitergegangen“, erinnert sich Weis.

    Erst später, so erzählt seine Ehefrau Carola, seien Evakuierte aus der Pfalz in vielen Lohrer Häusern einquartiert worden – auch in ihrem Elternhaus. „Da wurde halt zusammengerückt“, schildert die damals 13-Jährige.

    Alfred Weis schloss seine Ausbildung bei der Stadt 1940 ab – und wurde sofort danach zum Kriegsdienst eingezogen. Zu diesem Zeitpunkt sei in Lohr vom Krieg selbst noch immer kaum etwas zu merken gewesen.

    Weis sollte jedoch bald erfahren, was Krieg bedeutet: Am 22. Juni 1941 steuerte er in den frühen Morgenstunden eines der ersten Boote, das auf sowjetisches Terrain vorstieß. In den Monaten und Jahren danach erlebte er die ganze Grausamkeit des Krieges an der Ostfront. „Ich will darüber nicht sprechen“, sagt Weis leise.

    Alle Briefe, die er von der Front in die Heimat geschickt hat, besitzt er noch heute. Daneben eine große Sammlung an Flugblättern, die aus sowjetischen Flugzeugen über deutschen Truppen und aus deutschen Flugzeugen über sowjetischen Truppen abgeworfen wurden. Weis sitzt am Tisch, gebeugt über einen Berg aus Bildern und vergilbtem Papier. Er nimmt erst dieses Foto in die Hand, dann jenes Flugblatt. „Mit den Unterlagen kommen die Erinnerungen“, sagt er, um wenig später mit dem Arm sämtliche Dokumente aus jener Zeit beiseite zu schieben: „Schrecklich. Ich mag nicht mehr.“

    „Das war eine böse Zeit. Sind wir froh, dass wir seit über 60 Jahren keinen Krieg mehr erleben mussten“, beendet die heute 83-jährige Carola Weis die vorübergehende Stille. Als ihr Mann anfängt, Fotos und Dokumente wegzuräumen, sagt er noch, offenbar in Sorge, dass die mahnenden Unterlagen irgendwann in Vergessenheit geraten könnten: „Mal sehen, was die Jugend mal damit macht.“

    Alfred Weis war einer der wenigen jungen städtischen Beamten, die aus dem Krieg zurückkehrten. Viele Jahre war er Standesbeamter der Stadt und Hauptamtsleiter. 1982 wurde er pensioniert. Mit den Schilderungen von Alfred Weis beenden wir unsere Kurzserie über Menschen, die sich noch aus eigenem Erleben an den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges vor 70 Jahren erinnern können.

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