Während eines dreijährigen Forschungsprojekts soll der Physiker des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in Greifswald ein computeroptimiertes Modell für so genannte Ionentriebwerke entwickeln. „Das Spannende dabei ist, dass wir Erfahrungen aus anderen Gebieten übertragen können“, erklärt der 47-Jährige, dessen „eigentliches Arbeitsgebiet“ die Fusionsforschung ist, die zum Ziel hat, „die Energiequellen der Sonne für künftige Generationen nutzbar zu machen“.
Die Rechenmethoden, die der Plasmaphysiker zusammen mit seinen Kollegen in 18 Jahren Fusionsforschung entwickelt hat, lassen sich für die neue Generation von Raumantrieben einsetzen, die nach Plänen der Europäischen Weltraumorganisation ESA auch für zukünftige Langstreckenflüge eingesetzt werden soll. Natürlich reizt dieses bundesweit einmalige Forschungsprojekt den gebürtigen Marktheidenfelder.
„Ich würde lügen, wenn es nicht so wäre. Es ist ein bisschen so wie in einer virtuellen Welt. Sie haben zum Beispiel einen roten, einen grünen und einen gelben Legostein und durch Kombinationen können sie damit etwas Hübsches bauen in einer komplett anderen Richtung. Durch unsere Erfahrungen aus der Fusionsforschung sind wir jetzt in der Lage, diese Bausteine zu übertragen und mit ihnen etwas Neues für die Raumfahrt zu schaffen.“
Durch Beschuss entsteht Plasma
Das Funktionsprinzip des neuen Antriebs sei relativ einfach, erklärt Schneider. „Ionenantriebe arbeiteten wie herkömmliche Raketentriebwerke nach dem Rückstoßprinzip.“ Der Treibstoff werde jedoch nicht verbrannt, sondern elektrisch aufgeladen, das heißt ionisiert. Dabei werde durch eine zylinderförmige Röhre zunächst ein neutrales Edelgas wie Xenon geblasen und dann mit Elektronen beschossen. Es entstehen Edelgas-Ionen, ein so genanntes Plasma. Mit Hilfe von elektrischen Feldern würden die Ionen beschleunigt, was zum gewünschten Schub führe.
„Amerikanische und russische Raumschiffe werden schon seit Jahren mit derartigen solaren Ionentriebwerken ausgerüstet“, berichtet der Physiker. Im Unterschied zu herkömmlichen chemischen Antrieben, die bei Starts für die nötige Beschleunigung sorgten, kämen die für das Manövrieren im Weltraum geeigneten, leichteren Raketen-Triebwerke mit viel weniger Treibstoff aus. Allerdings genügten die Triebwerke noch nicht den Anforderungen interplanetarer Flüge, da die Ionen auch die Wände der Triebwerke schädigen und so die Laufzeiten beschränkten.
Schneider und seine Kollegen entwickeln jetzt Computermodelle, um diese neue Antriebstechnik, die ursprünglich von der Ulmer Firma Thales entwickelt wurde, weiter zu verbessern. Thales führt auch die begleitenden Kontrollexperimente durch und baut Prototypen, um sicher zu stellen, dass die entwickelten Modelle auch funktionieren, erklärt Schneider, der außer diesem an noch etwa zehn weiteren Projekten arbeitet.
Für ihn ist die Physik Leben und Begeisterung. „Darum habe ich sie ja auch studiert.“ Doch der 47-Jährige ist kein trockener Theoretiker. Er liebt Experimente und führt mit seinen Kindern zu Hause ebenso den Teebeutelraketenversuch – „bei dem wir fast die Gardine angezündet hätten“ – durch, wie er Schulkindern in der Greifswalder Kinderuni die Grundsätze der Physik nahe bringt. Dabei erklärt er so anschaulich und unterhaltsam, dass jeder zwischen Sechs und Sechzig die Gesetze der Naturwissenschaft verstehen kann.
Seit zehn Jahren lebt Schneider mit seiner Familie in Neuenkirchen. Schon 1986 ging er mit seinem damaligen Doktorvater zum Max-Planck-Institut für Plasmaphysik nach Garching und von dort 1998 als einer der ersten „Freiwilligen“ an das neu geschaffene Teilinstitut für Plasmaphysik in Greifswald, wo er auch direkten Kontakt zur dortigen Ernst-Moritz-Arndt-Universität bekam.
Professur steht ins Haus
Im Oktober 2008 erging an ihn der Ruf für eine Professur für „Computergestützte Materialwissenschaften“. „Ich hatte Glück, traf zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute am richtigen Ort“, sagt Schneider bescheiden. Die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern vergleicht Schneider ein bisschen mit den „Spessartern“: „Ruhig und ein wenig distanziert“. Er fühle sich wohl im Norden, halte auch Kontakt mit einigen Schulfreunden und natürlich den Eltern in Marktheidenfeld.
Bei all dem Berufsstress ist er froh über jede Freizeit, die er zu Hause verbringen kann. Zu einer Fahrt ins Weltall mit seinem Ionenantrieb würde er aber nicht Nein sagen. Doch: „Es ist vielleicht doch ganz gut, wenn man noch ein paar Träume behält, die man zwar ,theoretisch‘ leicht realisieren kann, die in der Praxis dann aber doch schwierig umzusetzen sind.“