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MAIN-SPESSART: Mit Muskelkraft statt Maschinen

MAIN-SPESSART

Mit Muskelkraft statt Maschinen

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    Mit vereinten Kräften: Das Verlegen von Stromkabeln war früher personalintensiv.
    Mit vereinten Kräften: Das Verlegen von Stromkabeln war früher personalintensiv. Foto: ALLE Fotos: ARCHIV ENERGIE

    Es ist gerade mal 50 Jahre her und wirkt heute wie in der Steinzeit: Wenn die zwölf Meter langen, imprägnierten Holzmasten für Stromleitungen gesetzt wurden, gruben die Elektriker Stufenlöcher – mit der Hand, versteht sich. Der Karlburger Meinrad Rüppel war mehr als 40 Jahre bei der Energieversorgung Lohr-Karlstadt Elektromeister und kann die Arbeitstechniken von früher genau beschreiben.

    Elektriker zu sein, bedeutete bis in die 1960er Jahre Knochenarbeit. Weil man mit einem Pickel kein senkrechtes Loch bis in 1,60 Meter Tiefe aufhacken konnte, wurde bis zur halben Tiefe ein größeres Loch ausgehoben und bis zur endgültigen ein kleineres. Der Arbeiter stand dabei wie auf einer Stufe in halber Tiefe und schuftete mit Stoßeisen und Schaufel. War der Boden felsig, benötigten zwei Mann auch mal bis zu zwei Tage für ein einziges Loch.

    Auch der Transport eines Masts war Handarbeit. Zwei Mann schoben den vier bis fünf Zentner schweren Mast mit einem sogenannten Stoßkarren mit großen Holzrädern kilometerweit. Um einen Mast ins Loch einzusetzen, waren zwei „Schwalben“ nötig, also jeweils zwei gekreuzte Stangen. Vier Mann richteten den Mast dabei wie einen Maibaum auf.

    Die meisten Leitungen wurden jedoch von Haus zu Haus gespannt. In der nordwestlichen Altstadt von Karlstadt, wo noch keine Sanierung stattgefunden hat, bestehen diese Freileitungen mit Stromständern auf den Häusern heute noch. Musste eine solche Freileitung ausgetauscht werden, so geschah das oft am Sonntagmorgen, wenn die Menschen weniger auf die Stromversorgung angewiesen waren. Meist wurde das Seil dann gleich über vier bis fünf Ständer gezogen. Zum Spannen diente an einem Ende ein Flaschenzug.

    Strom-Dachständer auf den Häusern haben stets vier „Seile“: drei Phasen und einen Nullleiter. Ein separates fünftes Seil dient der Straßenbeleuchtung. War einmal eine Straßenlampe kaputt, schoben zwei Monteure eine fahrbare Leiter an den Einsatzort. „Die Leute waren froh, wenn wir kamen und sie es wieder hell hatten“, erinnert sich Meinrad Rüppel. Straßenlampen mit eigenen Masten waren früher seltener. Wo es möglich war, wurden die Lampen an einer Überspannung von Haus zu Haus montiert.

    An der Freileitung vom Viehhof zum Krankenhaus in Karlstadt konnte man einst erkennen, wann im Krankenhaus gekocht wurde. „Die Leitung hing dann ungefähr 30 Zentimeter tiefer, weil sich die Seile durch die hohe Stromabnahme erwärmt haben“, erzählt Meinrad Rüppel. Ähnlich verhielt es sich mit der Leitung, die zum Volksfest führte. Auch hier dehnten sich die Seile, wenn die Fahrgeschäfte und die Beleuchtung voll in Betrieb waren.

    Die Leitung zum Krankenhaus stammte aus den 1930er oder 1940er Jahren und bestand aus Eisen und Kupfer. Viele andere Leitungen enthielten nach dem Krieg nur noch Eisen. Man hatte sie ausgetauscht, weil man das Kupfer für die Rüstung brauchte, berichtet Rüppel. Später wurden nur noch Leitungen aus Aluminium verwendet. Sie waren leichter, hatten aber einen fast ebenso guten Leitwert wie Kupfer.

    „Die Leute waren froh, wenn wir kamen und sie es wieder hell hatten.“

    Meinrad Rüppel erinnert sich an die Reparatur von Straßenlampen

    Bei der Energieversorgung zu arbeiten, bedeutete auch Bereitschaftsdienst. Wenn dann der Anruf kam, dass bei jemandem der Strom ausgefallen war, fuhr Meinrad Rüppel mit seinem Fahrrad los.

    Als Rüppel 1958 den Dienst bei der Energieversorgung in Karlstadt antrat, gab es das Umspannwerk in der Würzburger Straße noch nicht, ebenso kein Schalthaus. Aus Richtung Himmelstadt kam eine 20-Kilovolt-Leitung bis zum Gaswerk in der Helfensteinstraße. Dort stand die „Turmstation Gaswerk“, in der der Strom auf 230/400 Volt heruntertransformiert wurde. Sie wurde erst vor Kurzem abgebaut.

    Die „Turmstation Jachmann“ stand im Laudenbacher Weg nahe des heutigen Furnierwerks Kohl. Weitere Stationen gab es am Viehhof und in der Fischergasse. Heute verfügen Karlstadt und seine Stadtteile über 70 Trafostationen.

    Längst ist die Erdverkabelung üblich. Damit ging es in Karlstadt in den 1970er Jahren im Baugebiet „Am Tiefenweg“ los. Seitdem werden sukzessive die Dachständer abmontiert und Kabel verlegt – überall dort, wo die Straßen erneuert werden.

    Auch die Erdverkabelung geschah in den 1970er Jahren noch personalintensiv. Acht bis zehn Mann standen verteilt im Graben und zogen das schwere Kabel im selben Rhythmus, den Rüppel mit einem Megafon vorgab: „Hauruck, hauruck“, schallte es da durchs Baugebiet. Heute gibt es dafür Zugmaschinen und Verlegegeräte.

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