Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten
Marktheidenfeld
Icon Pfeil nach unten

MARKTHEIDENFELD: Mit Sport und Disziplin zur letzten Chance

MARKTHEIDENFELD

Mit Sport und Disziplin zur letzten Chance

    • |
    • |

    „Nach fünf Jahren Praxisklasse an der Hauptschule Marktheidenfeld wurde uns klar, dass sich die Zeiten und die Schüler geändert haben. Also mussten auch wir unsere Methoden ändern“, erklärt Harald Watzke. Seit 2004 ist er Klassenleiter der P-Klasse in Marktheidenfeld, die er gemeinsam mit Sozialpädagogin Marion Salfer-Reuter betreut. Außerdem koordiniert er für ganz Unterfranken die Arbeit der Praxisklassen und unterrichtet Schulpädagogik an der Uni Würzburg.

    „Die Praxisklasse ist ein Auffangbecken für Schüler, die kurz vor dem Ende ihrer Schulpflicht stehen und deren Aussichten, den Hauptschulabschluss zu bestehen, gering sind“, so Watzke. „Eine ganze Reihe der Schüler hat schon mit der Polizei Bekanntschaft gemacht. Wegen Drogendelikten, Körperverletzung, Diebstahl oder Sachbeschädigung“, ergänzt Marion Salfer-Reuter.

    Struktur und Selbstbewusstsein

    Früher sei es in der P-Klasse in erster Linie darum gegangen, die Schüler zu motivieren und ihnen die Kerninhalte des Lehrplans zu vermitteln. „Aber in den letzten Jahren ist Erziehung immer wichtiger geworden“, so Salfer-Reuter. Das Konzept der Jugendhilfe-Einrichung „Trainingscamp Lothar Kannenberg“, den Jugendlichen über Sport Struktur, Disziplin und Selbstbewusstsein zu vermitteln, leuchtet Watzke und Salfer-Reuter ein. „Wir sind beide Sportler und wissen, dass der Sport einem diese Tugenden vermitteln kann“, sagt Watzke.

    „Allerdings wollten wir kein reines Boot Camp mit Drill nach amerikanischem Vorbild.“ Deshalb legen Watzke und Salfer-Reute in ihrem Respekttraining Wert darauf, „die Würde der Jugendlichen zu wahren und ihre Individualität zu akzeptieren.“ Gegen Ende des letzten Schuljahres fuhren die Pädagogen zum ersten Mal mit der P-Klasse zum Respekttraining ins Jugendbildungshaus nach Bad Königshofen. Dort werden die Jugendlichen täglich in Ausdauer, Kraftsport und Boxen trainiert (Krafttraining mit Watzke, Boxen mit Salfer-Reuter), müssen ihre Handys abgeben und bekommen klare Strukturen und enge Regeln vorgegeben. Wegen der guten Erfahrungen stand dieses Trainingscamp diesmal am Anfang des Schuljahres.

    „Das Thema Respekt wird sich wie ein roter Faden durchs Schuljahr ziehen“, sagt Salfer-Reuter. Und tatsächlich: Wenn ein Erwachsener den Klassenraum betritt, stehen die Jugendlichen auf und grüßen freundlich. Am Unterricht beteiligen sie sich so rege, als seien sie Musterschüler – dabei waren sie das in ihrer bisherigen Schullaufbahn nicht.

    „Inhaltlich geht es überwiegend darum, den Kindern die Grundlagen von Deutsch und Mathematik zu vermitteln“, so Watzke. Englisch steht in der P-Klasse ebenso wenig auf dem Stundenplan wie Hauswirtschaft, Werken oder Computerkurse. „Wir haben hier teilweise Schüler, die mit 15 noch in der sechsten Klasse sitzen müssten. Deshalb haben wir einen viel stärkeren Praxisbezug.“ Das Schuljahr ist in vier Quartale unterteilt, in denen die Jugendlichen mittwochs in mehreren Wochen in einem Betrieb mitarbeiten und dort anschließend ein zweiwöchiges Praktikum absolvieren.

    „Die Jungen und Mädchen gewinnen so Einblick in verschiedene Tätigkeiten. Bei der Bewerbung um eine Ausbildungsstelle zählt der im Praktikum hinterlassene Eindruck oft mehr als die Note“, berichtet Watzke. Von 17 Schülern der letztjährigen P-Klasse fanden sieben einen Ausbildungsplatz – drei von ihnen schafften den Hauptschulabschluss nicht.

    Eng ins Konzept eingebunden sind auch die Eltern der Schüler. Ebenso wie ihre Kinder, die Praxisklassenlehrer Harald Watzke, Sozialpädagogin Marion Salfer-Reuter und Schulleiter Ronald Röhr unterzeichnen sie den Vertrag für die Praxisklasse, der ihnen Rechte und Pflichten auferlegt. „Wenn die Eltern nicht mitziehen, können wir uns abstrampeln und erreichen doch wenig“, ist sich Salfer-Reuter bewusst. In den meisten Fällen aber sind die Erziehungsberechtigten froh über die Hilfe der Sozialpädagogin. „Ich werde angerufen, wenn ein Schüler sich über die Anweisungen seiner Mutter hinwegsetzt. Einem Jungen habe ich beispielsweise eine Woche lang den Computer weggenommen, einem anderen den Roller.“ Trotzdem fassen die Jugendlichen Vertrauen zu Watzke und Salfer-Reuter, die über ihr Praxisklassen-Handy oder per E-Mail immer für sie erreichbar ist.

    „Neulich hat einer unserer Schüler ein Mädchen auf der Treppe im Schulhaus gerempelt. Danach kam er zu uns und hat uns gebeten, ihm dabei zu helfen, sich bei ihr zu entschuldigen“, erzählt Watzke. „Perfekt sind unsere Schüler nicht, aber sie bessern sich täglich.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden