Zwischen Oberer und Mittlerer Schlossgasse ist ein neues Gebäude errichtet worden. Ein moderner Bau, mit dem man sich wohl erst noch anfreunden muss. Mancher wird ihn schon deswegen gut finden, weil damit die unansehnliche alte Scheue an der Oberen Schlossgasse aus dem Stadtbild verschwunden ist. Mit diesem Neubau wurden die letzten Reste der einstigen Kellerei aus der Zeit der Grafen von Rieneck beseitigt. Das Kellereigebäude selbst war schon längst verschwunden, nur noch Kellerreste gab es, an denen man achtlos vorüber ging.

In nächster Nähe zum Schloss bestand eine Art Verwaltungsviertel, in dem um 1600 sogar ein neues Rathaus gebaut werden sollte. Durch Einspruch der kurmainzer Verwaltung wurde der Neubau dann aber doch auf dem Marktplatz errichtet: das heutige Alte Rathaus.
Suche nach Kellerei-Standort
Bereits vor vielen Jahren ist Wolfgang Vorwerk auf die Suche nach der »alten Kellerey« in der Altstadt gegangen. Der Keller war einst der höchste Finanz- und Vermögensverwalter der Grafen von Rieneck. Die Aufgabe der »Kellerey« kann mit einem Finanzamt verglichen werden.
1395 wird nach Vorwerks Recherchen erstmals ein Keller in einer Lohrer Urkunde erwähnt. Die Kellerei befand sich zu rieneckischen Zeiten in der Oberen Schlossgasse, damals noch Spitalgasse genannt.

Mit dem Aussterben der Rienecker im Jahr 1559 wurde die gräfliche Kellerei zur mainzischen Kellerei. 1570 zog sie in das alte Rienecker Amtshaus um, das in der ehemaligen Schloss- und heutigen Kellereigasse lag, wie Vorwerk berichtet. Das alte Kellereigebäude wurde im 18. Jahrhundert abgebrochen. Da es in Vergessenheit geriet, wusste nicht einmal der Geschichtsschreiber Höfling 1835 darüber zu berichten.
Güterverzeichnis erstellt
1654 wurden "Auf des hochwürdigsten unsers gnedigsten Churfürsten und Herrn gnedigsten Befehl in Beysein Herrn Kellers, Zentgraven, Burgemeister und Rath alhier zu Lohr alle Burgerliche Heuser, Scheuern und andere in alhiesiger Lohrischen Markung gelegene Gütter nach Inhaldt des newn Meß- und Bethbuchs zum fleißigsten beschrieben". In diesem Güterverzeichnis wird mehrfach Bezug auf die Kellerei genommen. Die Aufnahme der Gebäude erfolgte von der Hauptstraße kommend in die Spitalgasse hinein Richtung Schloss und von dort wieder zurück zur Hauptstraße.
Da der Baubestand von damals nicht mehr original erhalten ist, ist es schwierig, den genauen Standort zu bezeichnen. Vorwerk hat jedoch unter Berücksichtigung einer weiteren Güterbeschreibung von 1698 mit ergänzenden Angaben die Lage ermitteln können und diese in einem Plan dargestellt.
Das für den Neubau abgebrochene Gebäude stammte aus dem 18. Jahrhundert. Nur die Kellergewölbe des einstigen Kellereigebäudes Richtung Westen waren noch original erhalten. 1640 hatte das Anwesen dem Büttner Lorenz Staib gehört, der es für 100 Gulden an den Bändtner und Wirt Johannes Kötz verkaufte. Im 1698er Güterverzeichnis wird das Wohnhaus und Hinterhaus, die alte Kellerey genannt, mit 132 Gulden angeführt. Das Wohnhaus war nur mit 50 Gulden Wert angegeben, das Hinterhaus jedoch mit 82 Gulden, also erheblich über dem Wert der umliegenden Gebäude. Daraus ist zu schließen, dass auch noch im 17. Jahrhundert der Wert des Kellereigebäudes sehr hoch war, was für ein stattliches Gebäude spricht.
Verwaltungszentrum verlagert
Alfons Ruf und Werner Loibl hatten die beiden damals noch erhaltenen Gewölbe in Augenschein genommen und waren zum Ergebnis gekommen, dass die Längs- und Quermauern noch ursprünglicher Baubestand waren, ebenso die ein Meter hohe oberirdische Nordmauer, welche am Kellerfenster die Jahreszahl 1681 trug.
Alfons Ruf hat in seinem Buch über das alte Rathaus berichtet, dass 1601 nach Abbruch des Vorgängerbaus zum heutigen alten Rathaus überlegt wurde, den Neubau nicht mehr dort zu errichten sondern im Bereich der alten ursprünglich gräflichen Kellerei, also in der Nähe des Schlosses. Oberamtmann Hartmut von Cronberg der Mittlere hatte dies zur Sprache gebracht. Doch dem widersprach Kurfürst Wolfgang von Dalberg, wohl in erster Linie deshalb, weil die Stadt in diesem Fall für zwei Jahre von den Steuern befreit werden wollte. Außerdem gefiel ihm nicht, dass dann das Rathaus der Stadt zu nah ans Schloss käme, dem Sitz des Mainzer Oberamtmanns.

1570 zog die Mainzer Kellerei in das ehemals Rienecker Amtshaus, das dem ehemaligen Rathaus am Oberen Marktplatz, Richtung Kellereigasse, gegenüberlag. Die gesamte Kellerei erstreckte sich nachfolgend bis zum Marstall am Schloss, beziehungsweise dem einstigen Gefängnis, das 1985 zum Bau des Neuen Rathauses abgebrochen wurde.
Diskussionen im Stadtrat
Ein klares Votum für modernes Bauen in der Altstadt gab der Stadtrat am 11. Januar 2016 im Hauptverwaltungsausschuss, indem er einstimmig das gemeindliche Einvernehmen zum Bauantrag gab. "Wir müssen uns davon verabschieden, dass die Altstadt ein Museum ist", stellte Stadtrat Weis fest. Allerdings führten die heißen Diskussionen im Stadtrat und in der Bevölkerung, dazu, dass der planende Architekt Günter Hanninger aus Wien noch einige Änderungen vornehmen musste.
In der Lohrer Altstadt etwas Neues zu gestalten, bezeichnete der Architekt als »in Fesseln tanzen« und bedauerte, dass "die Meinungen von Vorbeigehenden im Nu gebildet sind und aus Angst vor der Bedrohung der Identität leider oft die Neugierde auf das Neue versiegt" Schließlich, so Hanninger, braucht "die Gegenwart der Geschichte ja auch die Kinder ihrer Zeit, nicht nur die Vergangenheit".
Man sollte also offen sein für moderne Bauweisen. Er versicherte, auf jeden Fall durch die Verschmelzung der beiden Grundstücke und einem durchgehenden Sockel der alten Kellerey Tribut zu zollen und ihr zumindest als Andeutung ein wenig Sichtbarkeit zu verleihen. Dementsprechend steht das neue Gebäude dann bei gekapptem Gewölbe wieder nahezu auf den echten Fundamenten.

