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Neuhütten: Mosaiksteinchen zur Dorfgeschichte

Neuhütten

Mosaiksteinchen zur Dorfgeschichte

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    Autor und Ahnenforscher Linus Kunkel hat in sein neues Buch etliche Jahre Arbeit hineingesteckt.
    Autor und Ahnenforscher Linus Kunkel hat in sein neues Buch etliche Jahre Arbeit hineingesteckt. Foto: Helena Karl

    Das Spessartdorf Neuhütten und seine Auswanderer – mit diesem Thema beschäftigt sich der Heimat- und Ahnenforscher Linus Kunkel in seinem neuen und mittlerweile sechsten Buch. Auf rund 400 Seiten dokumentiert der 88-Jährige aus Neuhütten die Schicksale von 206 Auswanderern und ihren Angehörigen vom 18. bis ins 20. Jahrhundert. Die offizielle Veranstaltung zur Buchvorstellung wurde coronabedingt zwar auf 2021 verschoben, dennoch gibt es das Buch mittlerweile bei der Gemeinde Neuhütten im Rathaus und beim Autor zu kaufen.

    Schon vor langer Zeit begann der pensionierte Banker Linus Kunkel damit, für Amerikaner Ahnenforschung in seiner Heimat zu betreiben. Der Startschuss dafür war eine Anzeige in einer Wochenzeitung, in der die Vorfahren einer nach Amerika ausgewanderten Familie gesucht wurden. Er beschloss, zu helfen und daraus ergaben sich wertvolle Kontakte, berichtet Kunkel. "Und dann bin ich neugierig geworden und wollte wissen, wie viele Leute aus einem Dorf wie Neuhütten ausgewandert sind." Und so fing er an, Spuren und Material zu sammeln.

    Entstanden ist etwas, das er als "ein Mosaiksteinchen zur Dorfgeschichte" bezeichnet. Zwar habe er gewusst, dass nie alle Namen gefunden werden können, dennoch sind in seinem Werk nun beachtlich viele zusammengekommen. "Fünf oder sechs Jahre habe ich mindestens daran gearbeitet", sagt Kunkel. Schon bei der Ahnenforschung vor mehr als 20 Jahren sei viel Material zusammengekommen. Anfangs war er bei der Übersetzung ins Englische noch auf seine Familie angewiesen. Mittlerweile nutze er Übersetzungsprogramme im Internet.

    Bei seinen Recherchen hat Kunkel viel gesammelt: neben Familienfotos und Briefen auch Einreisepapiere, Schiffspassagierlisten, Einbürgerungsurkunden, Sterbeurkunden, Schulzeugnisse und Zeitungsberichte. Die Dokumente und Fotos veranschaulichen die Lebensumstände der früheren Auswanderer, die der Armut und dem Hunger in der Heimat entfliehen wollten. In fünf Kapiteln geht Linus Kunkel nach einer Einführung in Methodik und Zahlen genauer auf die Auswanderungen nach Ungarn, in die USA sowie nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg ein. In den Kapiteln sind die Familien alphabetisch sortiert. Gesammelt sind Namen, Geburtsdaten, die ehemaligen Hausnummern der Familien in Neuhütten und alle gefundenen Hinweise, wie das Leben in der neuen Heimat weiterging.

    Eine beigelegte Ortskarte mit den alten Hausnummern lässt gut erahnen, wie viele ausgewandert sind. Ergänzt werden die Ausführungen mit Familienfotos und persönlichen Dokumenten. In einem Anhang finden sich unter anderem alte Briefe, die Kunkel zusätzlich abgetippt hat, Auszüge aus amerikanischen Zeitungsberichten, diverse Namenslisten und andere Zeitzeugnisse. Alles in allem ergibt sich ein "kleines schriftliches Museum", wie es der 88-Jährige nennt.

    Als zentrale Anlaufstellen für seine Recherchen gibt Kunkel drei Amerikaner mit Wurzeln im Spessart an, die sich mit Ahnenforschung beschäftigen und ihn mit Informationen und Material aus Amerika versorgten: Rick Karl aus Shirly in New Jersey, seine Schwester Mary Goldberg aus Arizona und Jack Englert aus Denver. "Viel Inhaltliches habe ich auch von Schiffslisten aus dem Internet gewonnen", berichtet der 88-Jährige. Für spätere Auswanderungen nach den beiden Weltkriegen seien Aufzeichnungen des damaligen örtlichen Pfarrers hilfreich gewesen und vieles habe er selbst aus Erzählungen gewusst.

    Hilfe von Stefan Krimm

    Unterstützung bekam Kunkel auch vom gebürtigen Neuhüttener Stefan Krimm, der ihn beriet und ein Vorwort schrieb. Der pensionierte Ministerialrat hält die Arbeit von Kunkel für sehr wichtig. "Ich war schon früh ein Befürworter der regionalen Geschichte, weil dort – abgesehen von den ganz großen Entwicklungen – das Meiste über das normale Leben zu finden ist", sagt Krimm.

    Bei der Gestaltung half Liselotte Werrer. Die gebürtige Neuhüttenerin hat selbst Verwandte in Amerika. Im Zuge der Recherchen für das Buch regten Linus Kunkel und sie ein großes Familientreffen in Neuhütten an, das im vergangenen Jahr mit über 90 Personen stattfand. Für Kunkel ist es schön zu sehen, welche Bedeutung seine Arbeit für manche Familien hat. "Das gibt mir Energie und bestärkt mich, weiterzumachen", sagt er. Er habe schon einige Exemplare des neuen Buchs nach Amerika geschickt. "Linus Kunkel ist mittlerweile eine Art Relaisstation für viele Amerikaner geworden, die an ihrer Familiengeschichte interessiert sind", betont auch Krimm.

    Die Auswanderungen aus dem SpessartNeben dem Umfang der Auswanderungen aus Neuhütten werden im Buch von Linus Kunkel auch die Hintergründe und Auslöser aufgeführt. Im 18. Jahrhundert wanderten laut einer Untersuchung von Hans-Bernd Spies 14 namentlich bekannte Neuhüttener und mindestens zehn Angehörige nach Ungarn aus, um dort habsburgische Gebiete wieder zu besiedeln. Im 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts wanderten Hunderte Neuhüttener nach Amerika aus. Auslöser war die Not, die im Spessart herrschte. In waldreichen, verkehrsmäßig schlecht erschlossenen Gebieten fehlte es zur Zeit der beschleunigten Industrialisierung an Arbeitsplätzen, schreibt Stefan Krimm im Vorwort. Die Zahl der Kinder nahm zu und die landwirtschaftlichen Erzeugnisse reichten nicht aus. Grund und Boden waren stark aufgesplittert, da diese nach dem damals geltenden Erbrecht der Realteilung gleichmäßig an alle Kinder aufgeteilt werden mussten. Da zu wenig fruchtbarer Boden bei zu vielen Kindern zur Verfügung stand, drohte eine Hungersnot. Die ärztliche Versorgung im Spessart beschreibt Krimm als miserabel. Auch nach den beiden Weltkriegen wanderten einige junge Leute aus, da sie keine Möglichkeit sahen, sich eine Existenz aufzubauen.Quelle: HKA

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