Ein Fackelzug zu Ehren Seiner bischöflichen Gnaden, ein Hoch auf die "gute Stadt Karlstadt", Böllerschüsse, ein Festzug der Schuljugend, der Honoratioren, der Arbeiter, der Festjungfrauen und aller Vereine, Chorgesänge, die Festreden und die Namensgebung "Karlsbrücke" vom Bezirksamtmann Kalb füllten den Festtag aus. Die "liebe Jugend" bekam auf dem Marktplatz "Festwecke" und jedes Schulkind zehn Pfennige aus städtischen Mitteln. Anschließend feierten die Honoratioren beim Festbankett im Rathaussaal und die Karlstadter in den Gasthäusern zünftig ihre neue Karlsbrücke.
Zeitung schüttet Häme aus
Sechs Tage nach diesem denkwürdigen und glücklichen Tag für Karlstadt schüttete die "Würzburger Presse" Häme aus. Zwei Missstände fielen ins Auge, schrieb die Zeitung am 4. Dezember 1880: "Einerseits ist dies die unbegreiflicherweise noch im Bestande erhaltene Stadtmauer, an der sich die Brückenzufahrt hinzieht, andererseits der Überrest des ehemaligen Stadtgrabens." Die Mauer, so die Zeitung weiter, entziehe dem Ort Luft und Licht, gestatte es den Anwohnern unbeirrt, die Auswurfstoffe des Haus- und Viehbe-standes aufzustapeln, und zwinge schließlich, die Zufahrtsstraße in das Auge beleidigenden Windungen ihren Weg zur Brücke zu nehmen.
Am 12. Januar 1881 wehrte sich das Königliche Bezirksamt gegen die Zeitungsvorwürfe der angeblichen Versumpfung des Stadtgrabens und verkündete, sie gedenke, die Stadtmauer an der Brückenrampe einreißen zu lassen.
Dies rief den Stadtmagistrat auf den Plan, der am 26. März deutliche Worte in entlarvender Offenheit fand: "Innerhalb der gesamten sich um Karlstadt ziehenden Stadtmauer wohnen die ärmsten Einwohner hiesiger Stadt, was sich schon aus kleinen und ärmlich gebauten Wohnhäuschen, Hüttchen und Geißstellen ergibt. Wollte man diese meist in jämmerlichem Zustand befindlichen Gebäude durch Abbruch der Stadtmauer bloßstellen, so würde die Stadt auf drei Seiten einen grauenhaften Anblick erhalten. . . .Betritt man die Gebäude dieser Stadtmauer ,Colonie' (an der Brückenrampe), so kann man sich von vorstehend Gesagtem mehr wie hinlänglich überzeugen, und man wird froh sein, dass die Stadtmauer als Deckmittel vorhanden ist."
Veränderungen im Stadtbild
Natürlich hatte die Brücke das südliche Stadtbild verändert. Werner Zapotetzky schrieb in seinem Buch "Karlstadt, Geschichte einer Stadt in Franken": Der Stadtgraben zwischen Katzenturm und Brückenturm war eingefüllt worden. Der Dicke Turm des Zwingers hatte für die Brückenrampe Platz machen müssen. Zwei bereits baufällige Mauerreiter waren entfernt worden. Aber die Stadtmauer blieb erhalten, die der Stadtmagistrat schon 1881 als Denkmal bezeichnete. Er ließ die Dämme mit 39 Apfelbäumen begrünen.
Sprengung 1945
Im "Dritten Reich" übernahm der Staat 1935 alle Brücken. Im Zuge des Ausbaus an der Großschifffahrtsstraße Rhein-Main-Donau wurde die Karlstadter Brücke 1937 in den Mitteljochen gehoben und die Bremsverbände wurden verstärkt. Am 27. März 1945 morgens um 9 Uhr sprengte die deutsche Wehrmacht die Karlsbrücke, um den amerikanischen Vormarsch aufzuhalten. Auf der Karlstadter Uferseite hatte die Sprengung ein Loch in die Brücke geschlagen. Die Metalltrümmer blockierten die Fahrrinne im Main. 116 750 Reichsmark kostete 1946 die Reparatur, die die Karlstadter Brücke - auch dank des Einsatzes der amerikanischen Militärregierung, die die zerstörten Verkehrsverbindungen wieder herstellen wollte - zur ersten befahrbaren nach dem Zweiten Weltkrieg machte.
1946 wieder passierbar
Am 26. September 1946 war die Karlstadter Brücke als Erste in Unterfranken außerhalb Würzburgs wieder passierbar. 1949 übernahm die Bundesrepublik alle Reichsstraßen und Brücken. Anders als 1935 bei der "Zwangsübernahme" empfanden es die Karlstadter als angenehm, nicht mehr unterhaltspflichtig für die Brücke zu sein. Bald schon wurden erste Überlegungen angestellt, die alte Eisenkonstruktion total zu erneuern, wollte man dem ansteigenden Verkehrsaufkommen gewachsen sein. Für den Schwerlastverkehr war die Brücke sowieso seit 1946 gesperrt.
Für den 12. Mai 1952, ab 6 Uhr, verfügte das Landratsamt die Schließung der ehernen Brücke. Nach 72 Jahren gehörte sie zum alten Eisen und sollte einer dem neu hereinbrechenden Zeitgeist entsprechenden schlanken Spannbeton-Konstruktion weichen, der "modernsten Brücke Europas", wie sie bei ihrer Einweihung am 24. Juni 1953 bejubelt wurde.
Es setzte während der Bauzeit ein kostenloser Fährbetrieb ein. Der schwere Last- und Omnibusverkehr wurde über die Himmelstadter beziehungsweise Zellinger Brücke umgeleitet.