David Vorraber ist Profi: Lässig sitzt er am Tisch, hat ein handliches Laptop vor sich, im Plauderton spricht er über die Musikbranche. Er braucht einen kleinen Computer, denn den muss er mitnehmen, wenn er zum Studieren fährt. David ist zwölf.
„Wunderkind“ kommt einem in den Sinn, liest man seine Vita: Mit drei konnte er lesen, mit vier kannte er die Noten und konnte Klavier spielen, mit sechs Jahren komponierte er das erste Mal. Mit neun hat er sein Früh-Studium an der Würzburger Musikhochschule begonnen, mit zehn fing er an, Horn zu lernen. Jetzt, mit zwölf, ist er Bundessieger bei „Jugend komponiert“ und gehört somit zu den 15 besten Jung-Komponisten des Landes in der Altersklasse der 12- und 13-Jährigen.
Jazz und Opern statt iPod
Sein Gewinner-Stück heißt „Toccata“. Warum? „Na, weil es eine Toccata ist“, sagt David. Er verdreht kurz die Augen, man könnte meinen, er belächelt die die banale Frage eines Laien. Aber dann grinst er schnell spitzbübisch hinterher. Man merkt ihm an, dass er es gewohnt ist, mit Musikkennern zu sprechen. Kein Wunder, schließlich lebt David in einem richtigen Musikerhaushalt: Mutter Marion Basting-Vorraber ist Cellistin am Philharmonischen Orchester des Würzburger Mainfrankentheaters, Vater Franz Vorraber ein international bekannter Pianist.
Er hat ihm das Klavierspielen beigebracht und gezeigt, wie man komponiert. Mittlerweile nimmt David Unterricht bei Ulrike Goldbeck. Auch der jüngste Spross der Familie, der siebenjährige Elias, spielt schon Geige.
Auf Nachfrage erklärt David dann doch, was eine Toccata ist: „Ein Stück, das teilweise wie improvisiert klingt, in dem sich schnelle und langsame Passagen abwechseln.“ Komponiert hat er das Stück wie seine anderen Lieder auch: „Zuerst sitze ich am Klavier, übe etwa ein Lied von Gershwin. Dann experimentiere ich, nehme mir ein Stückchen raus, verändere es und erfinde was dazu.“ Viele seiner selbstkomponierten Stücke heißen deswegen auch „Fantasien“, weil er in ihnen sozusagen die Werke bekannter Komponisten weiterfantasiert.
Er erstellt erst ein paar Schnipsel. Die schreibt er auf Notenblätter, später gibt er sie im Computer ins Notensatzprogramm „Sibelius 4“ ein, benannt nach dem finnischen Komponisten Jean Sibelius. „Wenn ich ein paar Schnipsel habe, setze ich sie zusammen, suche Übergänge, bis ein neues Stück rauskommt.“ Das kann auch für mehrere Instrumente mit verschiedenen Stimmen gedacht sein, wie sein Kammermusikstück, das er ebenfalls bei „Jugend komponiert“ eingereicht hat. Es ist für Klavier, Geige und Querflöte.
Im März wird David für einige Tage eine Kompositionswerkstatt auf Schloss Weikersheim (Main-Tauber-Kreis) besuchen, die Teilnahme hat er bei „Jugend musiziert“ gewonnen. Die Leitung dort wird Moritz Eggert haben, ein bekannter deutscher Komponist. David rattert die Namen großer Komponisten und klassicher Musiker runter wie seine Altersgenossen die Billboard-Charts.

Ob er auch moderne Musik höre, Hip-Hop oder Elektro? „Wenn mir der Sinn nach Modernem steht, bevorzuge ich Jazz.“ Außerdem hört David gerne Opern und Sinfoniekonzerte. Dann geht er mit seinem Vater ins Konzert, wenn er eine Partitur zur Hand hat, nimmt er sie zum Mitlesen mit. Einen iPod habe er nicht. „Wenn ich sonst Musik hören will, mache ich sie mir selber.“
Leidenschaft oder Lehramt?
Sein Alltag sieht anders aus als der seiner Klassenkameraden am Gymnasium in Veitshöchheim (Lkr. Würzburg). „Alles in allem widme ich der Musik so 25 Stunden die Woche“, sagt er. „Eine halbe Stelle“, fügt er grinsend hinzu. Gerade komponiert er ein Klavierkonzert fürs Schulorchester. „Ich sitze ganz unterschiedlich lange an den Stücken“, sagt er. Manchmal brauche er eine halbe Stunde und habe 30 Takte komponiert. „Ein anderes Mal bekomme ich in drei Stunden nur einen Takt rum.“ Im Schnitt dauert es einen Monat, ehe er ein Stück fertig hat.
Früher, da wollte David mal Dirigent werden. Mittlerweile hat sich seine Meinung geändert, jetzt möchte er Lehrer werden. „Ich kenne die Branche langsam und sie ist hart“, erklärt er. Auch seine Mutter kann das nachvollziehen: „Er bekommt daheim nicht nur die schönen Seiten der Musik mit.“ Der Beruf bringt viel Management-Arbeit mit sich, unregelmäßige Arbeitszeiten und wenig Freizeit. Und der Konkurrenzdruck ist groß. „Letztlich“, so seine Mutter, „ist es aber immer noch eine Frage der Leidenschaft.“
Ob diese Leidenschaft nicht doch irgendwann eine Vernunftentscheidung für den Lehrerberuf ablösen wird, kommt einem schon in den Sinn. Auf die die Frage, was er denn mache, wenn er mal keine Lust hat, Klavier zu üben, antwortet er: „Dann komponiere ich.“
So erwachsen und abgeklärt David auch spricht, beobachtet man ihn am Laptop, kommt das Kind durch. Er drückt willkürlich ein paar Computertasten und eine quietschende Melodie ertönt, dann sagt er: „Ich spiele da einfach ein bisschen rum. Verrückt!“ Kichern. Irgendwie sitzt da doch ein Zwölfjähriger vor dem Computer.