Im Betonwerk Neuendorf wird künftig geschüttelt, nicht mehr gerüttelt. Im Winter werden 1,5 Millionen Euro in die Erneuerung der fast 30 Jahre alten Betonieranlage investiert. für Betriebsleiter Horst Heim zeigt dies: „Der neue Eigentümer hält am Standort Neuendorf fest.“
Bis 1999 war das Werk selbstständig, seit 2014 gehört es zu fdu im niedersächsischen Georgsmarienhütte, dem mit 26 Werken größten Fertigteileproduzent Deutschlands. Zwischendurch war das Betonwerk auch einmal Teil eines mexikanischen Konzerns – eine Zeit, an die man sich in Neuendorf ungern erinnert.
Vor Weihnachten geht's los mit dem Umbau, Ende Januar soll die Produktion nach knapp fünf Wochen Stillstand wieder anlaufen. Dabei wird unter anderem die jetzige Rüttelanlage, die wie ein startendes Flugzeug dröhnt, durch eine Schüttelanlage ersetzt, die weniger Lärm macht. Das dürfte auch die Neuendorfer freuen.
Heute werden keine Steine mehr produziert
Wurden früher in Neuendorf, wohin das 1959 in Lohr gegründete Werk 1963 gezogen war, auch noch Schwerbeton- und Pflastersteine produziert, macht heute die Decken-Herstellung etwa 85 Prozent der Produktion aus. Weitere Produkte sind Doppelwände aus Beton sowie Treppen und Balkone. Früher wurden in Neuendorf auch noch Gitterträger und Matten geschweißt; heute werden diese Teile zugekauft.
Im Betonwerk werden am Tag etwa 1100 bis 1200 Quadratmeter halb fertige Stahlbetondecken, sogenannte Filigrandecken, produziert – genug für etwa zehn bis 13 Häuser. Im Jahr hat das Werk allein einen Stahlverbrauch von 2500 bis 3000 Tonnen. Betriebsleiter Heim, ein Karlburger, schätzt, dass der Ausstoß nach der Modernisierung um zehn Prozent steigen könnte.
Der Großteil geht Richtung Frankfurt
Die Kunden sind zu etwa 20 Prozent lokale Baufirmen. „Den Hauptteil fahren wir Richtung Frankfurt“, sagt Anja Kübert, die Faktura macht und für Personal zuständig ist. Künftig, so die Perspektive, werde auch in die andere Richtung mehr geliefert. Ein Großauftrag über 30 000 Quadratmeter Decke ging zuletzt nach Herzogenaurach, wo Adidas neu gebaut hat, außerdem 150 Treppen nach Würzburg.
Konkurrenz aus dem Ausland fürchtet Heim nicht: Durch das hohe Gewicht der Betonteile, so sagt er, rechne sich ein weiter Transport irgendwann nicht mehr.
Nach dem Umbau soll die Produktion automatisierter laufen. So soll das Eisen auf den 12 x 2,40 Meter großen Produktionsflächen aus Stahl, auf die in Schalungen anschließend Beton gegossen wird, künftig nicht mehr per Hand eingelegt werden. Laut Heim, der seit 27 Jahren dabei ist, heißt das aber nicht, dass weniger Personal als die derzeit 36 Beschäftigten gebraucht wird. Im Gegenteil: Das Werk sei auf der Suche nach neuen Produktionsmitarbeitern. Das sei was auf dem leer gefegten Arbeitsmarkt in Main-Spessart aber ein schwieriges Unterfangen, ergänzt Kübert.
„Standard gibt's bei uns nicht“
Derzeit funktioniert die Deckenherstellung so: Anhand eines Architektenplans werden in Neuendorf die benötigten Decken für Räume gezeichnet, mitsamt Aussparungen für Dinge wie Kamin oder Elektrik. „Standard gibt's bei uns nicht“, so Heim. In der Produktionshalle werden nun auf den „Paletten“ genannten Produktionsflächen die Umrisse der Decken mit einem Laser projiziert und entsprechend eingeschalt.
Dann legen Mitarbeiter Gitterträger auf und die von einer Richtschneidemaschine, die ebenfalls ersetzt werden soll, zurechtgeschnittenen Eisen ein. Anschließend fährt ein Mitarbeiter mit der Betoniermaschine über die Produktionsfläche und steuert per Hand das Aufgießen mit flüssigem Beton. Künftig soll dies automatisch geschehen. Der Beton wird anschließend durch das lautstarke Rütteln der Platte verdichtet, bevor die Decken für etwa neun bis zehn Stunden in den Ofen kommen. Außer in den ruhigeren Monaten Januar und Februar läuft die Produktion in zwei Schichten.
Aufwendige Balkonproduktion
In der kleineren zweiten Halle, wo Treppen und Balkone hergestellt werden, ist auch künftig richtige Handarbeit gefragt. Ein Balkon brauche, abhängig von der Größe, etwa 55 Stunden Arbeit, erklärt Heim, vor allem das Erstellen der Einschalung aus Holz dauere. Auf der Baustelle selbst wäre die Herstellung von Balkonen in einer solchen Qualität wie in Neuendorf nicht möglich, glaubt der Betriebsleiter. Das liegt daran, dass im Betonwerk Balkone negativ gegossen werden, das heißt, unten ist später oben, wodurch die Oberfläche später ganz glatt sei und gleich die richtige Neigung habe.
Was dem Betonwerk laut Heim zugutekommt: „Es wird immer mehr mit Fertigteilen gemacht auf der Baustelle.“
Heim und Kübert sind froh, nicht mehr Teil eines globalen Konzerns mit all seinen Strukturen zu sein. Nachdem das Betonwerk nach dem Verkauf 1999 über eine Zwischenstation an Readymix, einen der drei größten Zementhersteller Deutschlands gegangen war, war es ab 2005 Teil des mexikanischen Konzerns CEMEX, der wiederum Readymix aufgekauft hatte. „Die haben mit der Fertigteilproduktion nix anfangen können“, sagt Heim. „Die Konzernstrukturen waren nicht auszuhalten“, sagt Anja Kübert. Jetzt gebe es wieder klare Strukturen und kurze Wege. „Du musst nicht 1000 Formulare ausfüllen, um eine Frage zu stellen.“
„Du musst nicht 1000 Formulare ausfüllen, um eine Frage zu stellen.“
Anja Kübert über die kurzen Wege im jetzigen Konzern