Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten
Karlstadt
Icon Pfeil nach unten

WIESENFELD: Pater Beda Zilch über leere Kirchenbänke

WIESENFELD

Pater Beda Zilch über leere Kirchenbänke

    • |
    • |
    Nicht immer auf ein Wiedersehen: Gerade an normalen Sonntagen ist die Kirche vielerorts leerer als früher. Das besorgt nicht nur Pfarrer, sondern auch die Gemeindemitglieder.
    Nicht immer auf ein Wiedersehen: Gerade an normalen Sonntagen ist die Kirche vielerorts leerer als früher. Das besorgt nicht nur Pfarrer, sondern auch die Gemeindemitglieder. Foto: Foto: Dpa

    Es ist Sonntagmorgen, 10 Uhr. Zur besten Gottesdienstzeit läuten die Glocken in Wiesenfeld und rufen die Gläubigen zur Feier der Eucharistie. Was schließlich in den Bänken sitzt, ist überschaubar. „Mindestens 15 Gläubige brachten mir gegenüber in den folgenden Tagen ihr „Erschrecken“ über den schlechten Kirchenbesuch an diesem Tag zum Ausdruck“, schrieb daraufhin Pater Beda Zilch offensiv im nächsten Gemeindebrief und griff das Thema auf. Im Interview erläutert der Geistliche, was sich nach seinem Aufruf in seiner Gemeinde getan hat, warum sich seiner Ansicht nach vielerorts die Kirchen leeren und wer – außer den Pfarrern – etwas dagegen tun sollte.

    Frage: Gestern haben Sie wieder Sonntagsgottesdienst gehalten. Wie viele Leute waren da?

    Pater Beda Zilch: Die Kirche war gut besucht. Es waren so rund 250 bis 300 Leute da. Früher allerdings waren das auch schon mal über 400.

    Wie ist der Altersdurchschnitt?

    Pater Beda: Das ist unterschiedlich. In Wiesenfeld haben wir überwiegend über 50-Jährige. Wenn Sie nach Rohrbach gehen, haben Sie mehr Familien und Kinder. Und auch an Feiertagen ist die Kirche voll. Aber an den normalen Sonntagen hat es nachgelassen.

    Was empfinden Sie angesichts einer schlecht besuchten Kirche?

    Pater Beda: Früher war ich frustriert und sauer auf die, die nicht da sind. Heute freue ich mich über die, die da sind. Aber ich sage auch immer wieder, dass es eine Verpflichtung gibt, Kirche mitzutragen. Das ist wie im Sportverein. Wenn Sie zwölf Spiele haben und fünf nicht spielen, funktioniert es nicht. Die Denke: Der Pfarrer macht's und wir glauben, funktioniert nicht. Kirche ist kein Selbstbedienungsladen, sondern wird getragen von denen, die sie bilden, gerade vor Ort.

    Was hat sich geändert?

    Pater Beda: Es gibt zum Beispiel Diskussionsabende mit dem Motto: Was ist mit unserer Kirche los? Die werden vom Pfarrgemeinderat initiiert. Da bin ich nur Besucher und antworte, wenn ich gefragt werde. Es ist wichtig, dass Dinge, die von Laien gemacht werden können, auch von diesen gemacht werden. Denn die Priester werden immer weniger, gestresster, gehetzter, brennen aus.

    Das gleiche passiert aber anscheinend auch mit den Kirchen-Anhängern.

    Pater Beda: Der Hauptpunkt, warum die Kirchen heute leerer sind als früher, ist meiner Meinung nach die Verdunstung des Glaubens. Kirche spielt bei den Menschen keine große Rolle mehr. Sie sind bereits besetzt mit vielen Dingen, mit ihrem Beruf, mit Sport, mit dem Computer.

    Dabei setzt die Kirche bereits im Kindergartenalter an. Warum bleiben trotzdem so wenige treu?

    Pater Beda: Entscheidend ist die Familie. Wenn die Kinder das Beispiel ihrer Eltern nicht haben, machen sie nicht weiter. Da gibt es vielleicht die Fixpunkte Kommunion, Firmung, aber danach ist Schluss.

    In welchen Punkten müsste sich die Kirche als Erstes ändern?

    Pater Beda: Das Leben ist bei vielen Leuten anders als die Lehren der Kirche, das muss sie akzeptieren. Da ist zum Beispiel die Eheauffassung. Wenn einer geschieden ist und wiederverheiratet und kommt zur Kommunion, würde ich diesem nie die Kommunion verweigern. Warum? Weil die Kirche lehrt: Die höchste Norm beim Menschen ist das Gewissen, nicht das Gebot. Wenn jemand mit 25 Jahren geschieden wird, kann ich doch nicht verlangen, dass er keusch lebt bis an sein Lebensende. Da müsste die Kirche etwas gütiger sein, um diesen Menschen zu helfen, ohne das Sakrament der Ehe in seiner Unauflöslichkeit aufzuweichen. Etwa so, wie die Orthodoxe Kirche solche Fälle in der Praxis handhabt.

    Woran hapert es noch?

    Pater Beda: Für mich persönlich bestünde die Erneuerung nicht nur darin, Strukturen zu ändern, sondern darin, dass der Glaube wieder neu entdeckt würde. Wer die Kirchengeschichte kennt, weiß, dass sie nie nur durch geänderte Strukturen revolutioniert wurde, sondern immer durch Menschen, zum Beispiel durch eine Mutter Theresa oder einen Pater Pio.

    Und diese Menschen fehlen heute?

    Pater Beda: Es fehlt das glaubwürdige und mitreißende Beispiel der Erwachsenen. Vorbilder, die ein Christentum vorleben, das ihnen als erstrebenswert erscheint. Aber es ist auch schwer, an die Jugendlichen heranzukommen. Ich habe mal 190 Jugendlichen einen Brief geschrieben und habe sie zur Diskussion, zum Gespräch, mit mir eingeladen. Gekommen sind neun. Aber es fehlt mir auch an persönlichem Kontakt. Ich bin nicht mehr an der Grundschule, und mit zehn Jahren gehen die jungen Leute nach Karlstadt und sind weg. Mit meinen 72 Jahre bin ich ehrlich gesagt aber auch zu weit weg.

    Wer kümmert sich um die Jugend?

    Pater Beda: Früher hat die Jugend meistens der Kaplan gemacht. Aber wo gibt es den, außer in Karlstadt, bei uns noch? Da fehlen eben auch religiöse Bezugspersonen. Man muss eben begeistert sein, um begeistern zu können. Aber derzeit hat die Kirche ein zu mieses Image.

    Ärgert Sie das?

    Pater Beda: Ja, weil die Kirche gute Werte vermittelt. Das hört man ja im Moment immer wieder.

    Zum Beispiel?

    Pater Beda: Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Menschlichkeit, wie man aufeinander zu geht, verzeiht, den anderen nicht anlügt. Ganz normale Dinge, die aber verloren zu gehen drohen. Ich merke zum Beispiel, wie gut es den Leuten tut, wenn ihnen einfach jemand zuhört, weil es keiner mehr macht. Alles ist im Stress, in Hetze. Das halte ich für eine wichtige Aufgabe, gerade für Christen.

    Was wäre Ihr Werbeslogan für die katholische Kirche?

    Pater Beda: Leute, glaubt wieder, weil es Sinn macht und gut ist für sich und die anderen. Wer nicht betet, erstickt die Seele. Dazu braucht man Zeit, und die muss man sich nehmen. Ich sitze jeden Morgen eine halbe Stunde allein auf meinen Sofa und denke nach: Was mache ich heute, bete mein Morgengebet und freu' mich meines Lebens, meines Glaubens und meiner Gesundheit, eben der positiven Dinge. Ich sage den Leuten auch manchmal im Gottesdienst: Was euch belastet und bedrängt, das legt ihr auf den Altar, der wird's schon machen, und wir freuen uns jetzt unseres Glaubens und wir feiern, singen und danken. Sie werden nirgends so viele Festgottesdienste finden wie hier. Wir feiern alles! Das braucht der Mensch, dieses Heraustreten aus dem Alltag und positiv gestimmt wieder zurückzukehren. Man muss den Wert des Glaubens wiederentdecken und nutzen, dann hat man etwas davon.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden