Hier nutzen die Spaziergänger und Radfahrer die wenigen Durchblicke auf den Main, schauen den vorbei fahrenden Schiffen nach, erfreuen sich am träge dahinfließenden Strom, lauschen den Vögeln und beobachten die Enten.
„Es ist jedes Mal so entspannend, hier zu sitzen“, freut sich Maria Götz. Die alte Dame spaziert täglich mit ihrer Freundin Juliana Memmel auf der grünen Mainpromenade. Maria Götz erfreut sich an dem satten Grün entlang des Flusses. „Wir suchen uns aber immer eine Bank mit freier Sicht auf den Main und schauen den Schiffen zu“, fügt Juliana Memmel an.
Auch Peter Wendel, Bewohner im Altenheim, nimmt bei schönem Wetter den kurzen Weg hinunter an den Main. Hier hat er immer dieselbe Bank. Der Blick auf den Fluss von dieser Bank aus ist zur Hälfte zugewachsen und zur anderen Hälfte frei. Diese 15 Meter freie Sicht reicht dem früheren Karlstadter Unternehmer. „Die ganze Promenade ist ein Schmuckstück“, lobt er.
Irmgard Lummel fährt ihre Mutter im Rollstuhl bei schönem Wetter an die frische Luft. Grundsätzlich findet sie den dichten Bewuchs am Ufer urig. „Anstarren“ möchte sie die Bäume und Büsche aber nicht. Lieber sucht sie sich eine Bank mit Mainblick.
„Karlstadt mit seinen schönen Fachwerkhäusern und dem Main-Radweg ist eine Perle Frankens. Umso mehr ist es erschreckend mit ansehen zu müssen, wie die Main-Böschung von der Altstadt in Richtung Gemünden immer mehr zuwächst und damit die Sicht auf den Main versperrt.“ Das schrieb Andreas Ritschel, ein Stammbesucher Karlstadts, an die Redaktion. Seine Familie, die die Großmutter oft in Zellingen besucht, schätzt die beschauliche und gepflegte Mainpromenade abseits des Autoverkehrs. Er kenne den Main an vielen Stellen, aber so zugewachsen sei das Ufer nirgends. „Gerne würde man auf den Bänken am Wegesrand halt machen und den Enten und Schiffen nachschauen, aber leider sieht man nicht einmal den Fluss vor lauter verwilderten Büschen, Sträuchern und Bäumen. Ein Zurückschneiden des Wildwuchses würde dieses besonders schöne Mainstück Karlstadts für Gäste und Bewohner zu einer Idylle entstehen lassen, die seinesgleichen sucht.“
Wer in Karlstadt in den Main spucken will, ist ihm nur ganz nahe zwischen altem Hafen bis unterhalb zum nördlichen Spielplatz. Das südliche Ufer mit Fußballplätzen, Freibad und Campingplätzen ist nicht an allen Stellen frei begehbar. Und mit an- und abfahrenden Autos im Hintergrund ist der Main am Parkplatzufer auch kein Genuss. Lediglich 100 Meter ab der Mainbrücke stromabwärts und dann wieder 50 Meter ab der Mainkaistraße bis zum Spielplatz ist die Idylle am Fluss erlebbar.
Auch Oskar Werm, der in der Senioren-Residenz zwischen Mainpromenade und Rudolph-Glauber-Straße wohnt, ist enttäuscht. Er weiß, der Main fließt hinter den Bäumen und Büschen. Aber er sieht ihn nicht. „So wie mir geht es vielen Bewohnern in der Residenz. Wir beklagen, dass Bäume und Sträucher viel zu eng und dicht stehen“, sagt Werm. Wohnen am Main, das sei doch ein großes Stück Lebensqualität.
Karlstadts Bürgermeister Paul Kruck betont, dass „die Blickbeziehung, wenn man am Fluss lebt, sehr wichtig ist. Es will ja niemand das Ufer abholzen, aber der Bewuchs ist zu dicht“. Grundsätzlich in der Verantwortung stehe dafür das Wasser- und Schifffahrtsamt. Aber auch die Naturschutzbehörde habe ein Wörtchen mitzureden.
Weder der Eigentümer der Uferstreifen – das Wasser- und Schifffahrtsamt in Schweinfurt – noch die untere Naturschutzbehörde im Landratsamt fühlten sich zuständig, als sie zum ersten Bericht zu diesem Thema am 3. November 2007 befragt wurden. Sie verwiesen lediglich auf die Verantwortung für eine gesicherte Schifffahrt und auf die ökologische Funktion des Ufergehölzes. Immerhin schritt die Außenstelle des Wasser- und Schifffahrtsamtes in Gemünden zur Tat und schuf Sichtnischen, vor allem in Mühlbach.
Für die anstehende Pflegesaison von November bis Februar ist im Maßnahmenkatalog auch Karlstadt aufgenommen, erklärte Heinrich Schoppmann, Leiter der Schweinfurter Behörde. Dies erfolge in enger Abstimmung mit der unteren Naturschutzbehörde. „Wir fahren mit allen relevanten Ämter die 200 Flusskilometer von Bamberg bis Marktheidenfeld ab“, kündigte Schoppmann an.
„Ökologisches Reservoir oder freie Sicht für freie Bürger?“ Schoppmann beantwortete seine rhetorische Frage: Zum Naturschutz gehöre indirekt auch der Mensch, weil er vom Schutz der Flora und Fauna profitiere.