Im Jahre 2007 kam Pfarrer Heinz-Peter Martin nach Neuendorf und ist seitdem als Seelsorger für die Pfarreiengemeinschaft St. Martin (Neuendorf und Ruppertshütten) tätig. Seit dem 1. Juli gehören Neuendorf und Ruppertshütten zum pastoralen Großraum Lohr, unter der Leitung von Pfarrer Sven Johannsen. Diese auf längere Sicht unausweichliche Entwicklung hat sich mit dem Wunsch Pfarrer Martins nun beschleunigt: Er bat Bischof Franz Jung und die Diözese Würzburg um Pensionierung. Somit ist er „Pfarrer i.R.“, was er jedoch nicht mit „in Ruhestand“, sondern „in Reichweite“ definiert. Für die beiden Pfarrgemeinden kam diese Entscheidung dennoch überraschend.
Frage: Herr Martin, Sie hatten bei unserem Interview 2016 den Vorsatz genannt, weitere 15 Jahre Ihren Dienst in der Pfarreiengemeinschaft St. Martin auszuüben. Was war der Grund für Ihren Wunsch, nun doch früher in den Ruhestand zu gehen?
Heinz-Peter Martin: Die Gesundheit war und ist der Grund. Ich merke ganz einfach, dass ich die vielen Bedürfnisse und Anforderungen nicht mehr stemmen kann. Zu den Aufgaben eines Seelsorgers gehören nicht nur die Gottesdienste. Der administrative Teil, die Verwaltung, die vielen Sitzungen, Termine, die Verantwortung für die kirchlichen Immobilien und Einrichtungen – mir fehlt die Kraft, allem gerecht zu werden. Ich kam mir manchmal vor wie in einem Supermarkt: Jeder wollte nur etwas; das ist mir in den letzten zwei Jahren erst richtig bewusst geworden. Meine Mutter sagte mal zu mir: „Ab einem bestimmten Alter zählen die Jahre doppelt.“ Ich dachte mir damals, was die Mutter da nur erzählt… Aber es stimmt. Es ist besser, das zuzugeben, dazu zu stehen und somit den Plan „von damals“ zu ändern.
Für Neuendorf und Ruppertshütten kam das überraschend, die Gerüchteküche brodelte: Sie würden in eine erworbene Eigentumswohnung umziehen, eine Herzoperation sei nötig, Sie würden gar einen Schrittmacher bekommen…
Martin: (lachend) Das Einzige, was daran stimmt, ist, dass ich einen Schrittmacher erworben habe! Er hat vier Beine, heißt Sary, ist ein 15 Monate alter Mischlingshund und kommt aus Rumänien. Ein neues Familienmitglied, das unser Leben im Pfarrhaus wunderbar bereichert. Ich darf hier in Neuendorf weiter zur Miete wohnen bleiben und bin dafür der Kirchenverwaltung und Pfarrer Johannsen sehr dankbar.
Warum ist es Ihnen so wichtig, hier in Neuendorf bleiben zu dürfen?
Martin: Es sind die Menschen hier. In den elf Jahren haben sich Freundschaften entwickelt; ich fühle mich freundlich und liebevoll aufgenommen, ich fühle mich daheim. Viele Kinder habe ich getauft und begleitet, aber auch mit den Älteren fühle ich mich verbunden. Es ist mir nicht egal, wie es den Menschen hier geht. Ich werde von Jung und Alt gegrüßt und dies ist für mich ein Zeichen von Vertrauen, von Wertschätzung. Sehr dankbar bin ich für die große Unterstützung der Kirchenverwaltungen, der Pfarrgemeinderäte, der Bürokräfte und der vielen Ehrenamtlichen – hier in Neuendorf genauso wie in Ruppertshütten. Beide Pfarreien haben ihre Eigenheiten, aber sind darin sehr aktiv. Und das ist gut so.
Wie geht es nun weiter: Sie werden weiterhin Gottesdienste halten?
Martin: Ja, ich biete mich Pfarrer Johannsen an und werde eingeteilt. Ich habe mich jedoch bewusst dagegen entschieden, als Ruhestandspfarrer mit Seelsorgeauftrag im Dienst zu sein. Die Gottesdienste, die ich halte, mache ich freiwillig und ehrenamtlich. Meine Berufung hört schließlich nicht auf, die Seelsorge mache ich aus innerer Überzeugung. Es tut mir gut, nun mehr intensive Zeit dafür zu haben, ohne Termindruck. Wenn mir der liebe Gott noch weitere 15 Jahre oder mehr schenkt, dann bin ich der am längsten gebliebene Pfarrer hier im Ort.
Und Sie haben nun Zeit für anderes…
Martin: Wenn ich am Morgen aufstehe, dann wartet kein Tagesprogramm auf mich. Dann überlege ich höchstens, ob ein Arzttermin ansteht. Ich gehe mit Sary spazieren, ohne daran denken zu müssen, wegen Anschlussterminen wieder rechtzeitig zu Hause sein zu müssen. Ich verbringe Zeit in meinem Garten, habe heute endlich mal meine Rosen geschnitten – typisch alter Pfarrer halt.
Seit 22 Jahren verbringen Sie Ihren Jahresurlaub in Südfrankreich auf dem Campingplatz. Was ist das Besondere an diesem Land, worin liegt der Reiz an dieser jährlichen Reise mit dem Wohnwagen?
Martin: „Le savoir-vivre“, die Lebensweise der Franzosen. Es ist die Kunst, das Leben zu verstehen und zu genießen. Ich bin teilweise in Frankreich aufgewachsen, das hat mich geprägt. Die Kultur, die Landschaft, die Sprache – Frankreich ist rundum die Reise wert. Der einzige Nachteil ist der schlechte Internetempfang; ich schaue gewöhnlich jeden Abend die holländischen Nachrichten, das ist mir sehr wichtig. Im Urlaub ist das jedoch nicht möglich, da sind wir regelrecht abgeschlossen von der Welt. Was aber natürlich auch mal positiv sein kann.
Sie kommen aber auch gerne wieder?
Martin: Jedes Jahr sind wir bei unserer Rückkunft in Neuendorf der gleichen Meinung: „Wie schön – jetzt sind wir wieder daheim!“ Das sagt doch alles, oder?