Das hessische Pfarrerduo transportierte Kleinkunst auf hohem Niveau über die Landesgrenze. Sein sechstes Programm „Kopf hoch, Goliath“ ist gespickt vom abwegigen Blick auf die Kirchenkultur beider Konfessionen, die Widersprüchlichkeit der Welln(ä)sser und spiritueller Hungerhaken oder Gören als kirchliche Fremdprodukte.
Reichlich Seitenhiebe setzte es auf die Auswüchse der modernen Gesellschaft. Ob im Duo oder Solo, mal mit Blick in himmlische Höhen oder tiefe Abgründe, mal auf der Spur des alltäglichen Wahnsinns – die beiden evangelischen Gottesmänner schonten weder Staatsoberhäupter noch geistliche Würdenträger. „Wir kümmern uns um alles“, versprachen Greifenstein und Herrmann und hielten Wort. Die zweieinhalb Stunden vergingen wie im Flug und 120 Zuschauer hatten ihren Spaß an verbalen Angriffen und hessischem „Gebabbel“ im atemberaubenden Tempo.
„Kinder gehn mir uff'n Geist“, gestand Herrmann gleich zu Beginn und schilderte leidvolle Erfahrungen mit der „Fremdbagage“ in Kindergottesdienst und Konfirmandenunterricht. Scherze über den schweren Berufsstand der Lehrer blieben für ein Kabarett mit hohem christlichen Anspruch tabu. „Wir machen keine Witze über Menschen, die bereits am Boden liegen.“ Der Klassenkampf sei keine Phrase der Linkspartei, sondern ganz normaler Schulalltag.
Spontanen Zwischenapplaus und herzhaftes Gelächter erntete der Kommentar zum „Ober-Benedetto“ der Katholiken, der hin und wieder im Bayerischen Fernsehen ausgestellt werde. Dessen glatte Haut sei zweifelsfrei auf die Ehelosigkeit zurückzuführen. „Quasi unbenutzt und ohne einmal Windeln gewechselt zu haben, sagen trotzdem alle Papa zu ihm.“ Treffend karikiert wurde das ewig junge Thema „Mann und Frau“. Wo aber liegt das Problem? Greifenstein sparte nicht mit Tipps zum Umzugsstress, wobei guter Wille die Ursache der meisten Weltkatastrophen sei. Hier gelte das „Eisbergprinzip“ nach dem Motto: „Die Masse ist im Keller“.
Viele schöne Abende mit seiner Freundin habe er schon bei der Aufarbeitung des ersten Streits im Maßstab 1:1 verbracht, was unter den Bereich „emotionsgekoppelte Erinnerungen“ falle. Auch das Rätsel der höheren Lebenserwartung von Frauen wurde gelöst: „Frauen leben länger, weil der liebe Gott ihnen die Einparkzeit anrechnet“.
Als Hausmeister zog Joachim Greifenstein Bilanz seiner 25-jährigen „Schlüsselstellung“ bei der Kirche, wobei ihm der „hessische Betriebsstoff Äppelwoi“ vieles erleichtere. Unter dem Motto: „Schimpfen ist Furzen für die Seele“ wetterte der Kabarettist, der seine Körperfülle als „nach außen tailliert“ umschreibt, über das Elend der Protestanten.
Direkt aus der Sakristei als „Homebase“ informierte er über „Prayback-Karte bei der Kollekte“ und moderne „Flipchart-Kasper“. Die Kirche brauche einen „Turn around“ wie Eisbär Knut mit dreieinhalb Millionen Besuchern oder Angela Merkel, die nicht gewählt wurde und trotz „Scheiß-Klamotten und Scheiß-Frisur“ gewonnen habe. Wenig Sympathie zeigte Greifenstein für den neuen französischen „Bonsai-Napoleon“ Sarkozy, der für 34 000 Euro geschminkt Dauergast in den Klatschspalten sei.
Trotz aller Widrigkeiten gelte nach wie vor das Prinzip Hoffnung: „Im Himmel gibt es weder Laptop noch Flipchart, sondern Harfe und Manna. Und im hessischen Himmel gibt's Handkäs' mit Musik“.
Daten & Fakten
„Pfarrer-Kabarett“ Das „Erste Allgemeine Babenhäuser Pfarrer-Kabarett“ tritt seit elf Jahren gemeinsam auf und stand bereits über 650 Mal vor insgesamt 150 000 Menschen auf der Bühne. Hans-Joachim Greifenstein (Jahrgang 1957) wirkte 20 Jahre als Gemeindepfarrer in Babenhausen. 2006 ließ er sich beurlauben und steht seitdem hauptamtlich als Kirchen-Kabarettist auf der Bühne. Clajo Herrmann (Jahrgang 1955), war ab 1991 Gemeindepfarrer in Babenhausen und Harreshausen, ehe er sich 2004 aus dem Pfarrdienst zurückzog und seither ebenfalls mit kabarettistischen Kabinettstücken durch die Lande tourt.