Hoch oben auf dem Mähdrescher ist er in seinem Element. Den 40-Tonner steuert er im Schlaf und das Schiff Gemeinde Neustadt/Erlach hält er seit dem 1. Januar 2011 auf Kurs. Pfarrvikar Sebastian Herbert ist der „Neue“ im Neustadter Pfarrhaus, ein Mann, für den Heimat einen wichtigen Teil seines eigenen Fundaments bedeutet und der sich inzwischen wirklich wohl fühlt in Neustadt.
Seine heutigen „Schäfchen“ haben Glück, denn aus Sebastian Herbert hätte, statt eines Priesters, genauso gut ein Landwirt werden können. Den Grundstein für seine Leidenschaft zu großen Maschinen und landwirtschaftlichem Gerät legte er schon als kleiner Bub, als er bei einem Landwirt, der nahe seiner Heimatgemeinde Erlabrunn einen Aussiedlerhof betreibt, das Mähdrescher- und Traktorfahren lernte und oft auch dort arbeitete.
Noch heute nutzt er jede Gelegenheit, sich ins Fahrerhaus eines 40-Tonners zu setzen. Den Sommerurlaub verbringt er seit vielen Jahren auf dem Mähdrescher, sein Einsatzgebiet: die Raps- und Getreidefelder in Tschechien. Zusammen mit „lauter so ,kaputten Typen' wie mir“ verbringt er vier Sommerwochen mit Arbeit, Geselligkeit und Kameradschaft und der beruhigenden Gewissheit, dass er einfach nur „der Sebastian ist und nicht der Herr Pfarrer“, erzählt er und lacht.
Die treibende Kraft
Sich selbst bezeichnet der 34-Jährige als typischer „Landeichrist“. „Ich war schon als Ministrant, in der Jugendarbeit und im Pfarrgemeinderat mit der Kirche verbunden habe aber nie über das Ortsschild von Erlabrunn hinausgedacht“, sagt er. Der Gedanke, einmal Priester zu werden, sei ihm früher nie gekommen, denn er war der Überzeugung, dafür sei das Abitur Voraussetzung. „Ich hatte aber nur den Quali, also absolvierte ich eine Lehre als Elektriker“, erzählt er. Doch hatte er immer das Gefühl „da ist etwas in mir drinnen, das ich weiter geben muss“, und das war eine Kraft, die ihn antrieb.
Mit dem 40-Tonner auf Tour
Mit 21 machte er den Lkw-Führerschein und war danach mit seinem 40-Tonner in Deutschland, Italien, Kroatien, Griechenland, Rumänien Bulgarien und Frankreich unterwegs. Dabei habe er gelernt, sich durchzuboxen. „Mit ein paar Brocken Englisch musste ich mich durchkämpfen frei nach dem Motto 'friss oder stirb'“, erinnert er sich an die Zeit, die ihn geprägt hat.
Während dieser vier Jahre „auf Achse“ reifte der Samen, doch noch Priester zu werden, zum zarten Pflänzchen. Zeit genug zum Nachdenken hatte er und er nutzte sie gut. Noch heute hat er beim Autofahren immer seinen Block dabei, auf den er seine Gedanken kritzelt. „Dabei entstehen meine besten Predigten“, verrät er.
Mit 25 begann Herbert im Studienhaus St. Lambert in Lantershofen bei Bonn die Ausbildung für Spätberufene. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal aus Erlabrunn weggehe“, erzählt er und berichtet, dass seine Feuerwehrkollegen bei seinem Abschied damals in voller Montur am Ortsausgang Spalier gestanden hatten. „Ich habe eine Woche lang meinen Koffer nicht ausgepackt, weil ich nicht wusste, ob ich bleiben oder wieder heimkehren würde“, erinnert er sich an die Anfangszeit im Studienhaus. Er hielt durch und wurde im Juni 2006 von Bischof Friedhelm Hofmann in Würzburg zum Priester geweiht. Danach folgte seine Kaplanzeit in Stadtlauringen, Hofheim, Wombach und Rodenbach.
Herbert ist ein kritischer Priester, einer der nicht „missioniert“. „Der Glaube ist Freiheit“, sagt er. Er hält nichts davon, Klinken zu putzen, sondern will den Menschen da abholen, wo er steht und das Potenzial nutzen, das es gibt in der Jugend und bei den Familien. „Ich sehe mich als Priester in der Weltkirche und meine Loyalität gehört dem Evangelium“, macht er deutlich und betont, er sei keiner, der seine „Fahne in den Wind hängt“ oder sich verbiege, um es jedem recht zu machen.
2010 nahm er sich ein Sabbatjahr. Das Leben als Einzelkämpfer in der Gemeinde ohne Unterstützung hatte ihn aufgerieben. Er kehrte zurück in das Führerhaus seines Lkw und zog sich zu 30-tägigen Schweigeexerzitien nach Wien zurück. „Damals wäre es ein Leichtes gewesen, alles hinter mir zu lassen“, erzählt er. Doch er wusste, da ist noch mehr, etwas, das er leben, etwas das er den Menschen weiter geben möchte.
Er will etwas bewegen
Er kehrte zurück in die Gemeinde und übernahm am 1. Januar die Pfarrstelle in Neustadt. Zurzeit betreut er Neustadt und Erlach und im Pendelverkehr auch Rechtenbach. Sein erstes Jahr hier sieht er als Zeit des Kennenlernens. „Ich habe ein furchtbar schlechtes Namensgedächtnis und bin gerade am Einordnen von Namen und Personen“, gibt er freimütig zu. Er geht offen auf die Menschen zu. Sein Wunsch: „Ich möchte nicht Einzelkämpfer sein sondern mit der Gemeinde etwas bewegen.“