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Marktheidenfeld: Pflege-Ausbildungsreform: Fluch oder Segen für Seniorenheime?

Marktheidenfeld

Pflege-Ausbildungsreform: Fluch oder Segen für Seniorenheime?

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    Start in den Tag: Krankenschwester Ines Stürmer (links) hilft Bewohnerin Liselotte-Wiltrud Fleischmann zusammen mit Pflegeassistentin Jacqueline Pelka (rechts) beim Fertigmachen. 
    Start in den Tag: Krankenschwester Ines Stürmer (links) hilft Bewohnerin Liselotte-Wiltrud Fleischmann zusammen mit Pflegeassistentin Jacqueline Pelka (rechts) beim Fertigmachen.  Foto: Lucia Lenzen

    Der Startschuss fällt im Januar 2020: Ab diesem Zeitpunkt werden die bisherigen Ausbildungen der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege zur „Generalistischen Pflegeausbildung“ zusammengefasst. Am Ende der Ausbildung steht der neue Berufsabschluss „Pflegefachfrau“ oder „Pflegefachmann“. Mit diesem können die Fachkräfte in allen Pflegebereichen arbeiten. Was aber bedeutet das für die Einrichtungen? Wie stehen sie der Ausbildungsreform entgegen? In loser Reihe stellen wir exemplarisch Einrichtungen vor, bei denen die Reform zukünftig eine Rolle spielen wird.

    Alltag in der Seniorenresidenz Mainbrücke

    Um halb elf Uhr am Vormittag ist im Wohnbereich Südring der Seniorenresidenz Mainbrücke in Marktheidenfeld Ruhe eingekehrt. Von Weitem hört man eine Gruppe Bewohner zusammen singen. Krankenschwester Ines Stürmer und Pflegeassistentin Jacqueline Pelka stehen am Counter. Um sechs Uhr ging ihre Schicht los:  Bewohner wecken, duschen, Kompressionen anlegen, eventuell Wundversorgung machen, Frühstück bereiten, Medikamente verteilen, Frühstück wieder wegräumen. 29 Menschen umfasst ihr Wohnbereich. Darunter fitte Fußgänger, aber auch Menschen mit Demenz und einem hohen Pflegegrad. "Wir versuchen, die pflegebedürftigeren Menschen und auch die mit Demenz in den Wohnbereichen zu integrieren und zu mischen", sagt Residenzleiterin Diana Teubert. Alles andere sei zu belastend für das Personal.

    Hier ist Genauigkeit und Konzentration gefragt: Krankenschwester Ines Stürmer bestückt die Medikamentenausgabe.
    Hier ist Genauigkeit und Konzentration gefragt: Krankenschwester Ines Stürmer bestückt die Medikamentenausgabe. Foto: Lucia Lenzen

    Seit 2018 leitet Teubert das Marktheidenfelder Seniorenheim. Sieben Auszubildende hat das Haus derzeit. "Bei uns ist es auch nicht selten, dass noch 50-Jährige ihre Ausbildung machen", erzählt sie. Meist haben diese Leute schon andere Berufe hinter sich. Um neue Leute für die Altenpflege zu gewinnen, geht sie unter anderem zusammen mit der Pflegedienstleitung in die Mittelschulen, stellt Verdienste und Aufstiegschancen vor. Denn Pflegeberufe rangieren bei Schulabgängern von vorneherein auf den hinteren Rängen. Sie wollen für ihren Berufsstand werben, mit Vorurteilen und vor allem mit dem Dauerthema der schlechten Bezahlung aufräumen. 3300 Euro brutto bietet das Heim einer Pflegefachkraft als Einstiegsgehalt, dazu kommen noch Zulagen zum Beispiel bei Nachtschichten. Die Bezahlung habe man angezogen, um attraktiv zu sein, so Teubert.  

    Krankenpfleger brauchen gerontologisches Wissen, Altenpfleger medizinisches Know-how

    Nicht ohne Grund: Wie die Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeitzeigt, waren im Jahr 2018 rund 40 000 Stellen in Pflegeeinrichtungen und in Krankenhäusern nicht besetzt. Auch die Zahl der Auszubildenden stagniert seit 2012 auf einem viel zu niedrigem Niveau. Was aber kann die Neuregelung der Ausbildung dazu beitragen, um die Pflegeberufe attraktiver zu machen? Sie soll die Berufe aufwerten und die Einsatz- und Aufstiegsmöglichkeiten der Pflegekräfte erhöhen, heißt es aus dem Bundesgesundheitsministerium. Denn kurz gesagt: Krankenpfleger brauchen immer mehr gerontologisches Wissen, Altenpfleger vermehrt medizinisches Know-how.

    Stehen der Ausbildungsreform gespannt gegenüber: (von links) Frederik Dykast, Regionalleitung Alloheim Seniorenresidenzen SE, Diana Teubert, Residenzleitung Seniorenzentrum Mainbrücke, Melanie Szingsniß, Pflegedienstleitung.
    Stehen der Ausbildungsreform gespannt gegenüber: (von links) Frederik Dykast, Regionalleitung Alloheim Seniorenresidenzen SE, Diana Teubert, Residenzleitung Seniorenzentrum Mainbrücke, Melanie Szingsniß, Pflegedienstleitung. Foto: Lucia Lenzen

    Das sehen auch die Verantwortlichen bei Alloheim so. "Eine breite Aufstellung und möglichst viel Praxis in den verschiedenen Bereichen in der Ausbildung ist gut", sagt Frederik Dykast, Regionalleiter bei Alloheim. Die Befürchtung, dass durch die Generalistik die meisten Absolventen in die Krankenhäuser abwandern, teilt er nicht. Dazu seien die Grundvoraussetzung zu unterschiedlich: "Will ich einen Bezug zu meinem Klientel aufbauen, dann gehe ich ins Seniorenheim. Brauche ich eher die Distanz, gehe ich ins Krankenhaus", beschreibt es Dykast. 

    Nicht jeder für die Arbeit geschaffen: Selbstbewusst sollte man sein, emphatisch, Respekt haben

    Wie schnell die Entscheidung für das Arbeiten im Senioren- und Pflegeheim gehen kann, hat  Jacqueline Pelka erlebt. "Ich habe zwei Wochen gehadert, dann war ich überzeugt", erzählt sie. Der Grund: "Man kriegt so viel zurück." Seit 2011 ist sie im Marktheidenfelder Haus. Ihren Wohnbereich beschreibt sie wie eine kleine Familie. Aber: Nicht jeder sei für die Arbeit geschaffen. Selbstbewusst sollte man sein, emphatisch, Respekt haben vor den betagten Menschen. Aber auch wandelbar im Umgang mit Menschen, denn jeder ist anders drauf, brauch eine andere Ansprache, möchte eine andere Behandlung. "Hut ab, dass du das machst!", bekommen die beiden Pflegekräfte öfter zu hören, wenn es um ihren Beruf geht.

    Bereits Erfahrungen mit der neuen Ausbildung hat Melanie Szingsniß gesammelt. Seit Dezember 2018 ist sie Pflegedienstleiterin in der Mainbrücke. Von 2014 bis 2016 hat sie in einem Pilotprojekt die generalistische Ausbildung durchlaufen. "Ich hatte den Berufswunsch ‘Pflege‘, egal wo", sagt sie. Angestellt als Auszubildende beim Kommunalunternehmen Würzburg, sammelte sie jeweils anderthalb Jahre Erfahrungen in der Main-Klinik in Ochsenfurt sowie in einem Seniorenheim des Unternehmens. Die Themen "ambulante Pflege" und "soziale Betreuung und Beschäftigungsangebote" deckte sie über die Schule ab.

    Am späten Vormittag ist im Wohnbereich Ruhe eingekehrt: Zeit für die Dokumentation 
    Am späten Vormittag ist im Wohnbereich Ruhe eingekehrt: Zeit für die Dokumentation  Foto: Lucia Lenzen

    Ihre Bilanz: "Für die Altenpflege war diese Art der Ausbildung das Beste was mir passieren konnte." So seien für sie die Inhalte aus dem  Krankenhaus sehr hilfreich gewesen. So wird in der Altenpflege beispielsweise vorausgesetzt, dass die Fachkraft bei einem Bewohner die oberen Luftwege absaugen kann, weil der Mensch nicht mehr aus eigener Kraft oder nur ungenügend abhusten kann. "In der Zeit im Krankenhaus konnte ich das öfter üben", so Szingsniß. Ob die Ausbildung den Anforderungen, die nachher auf die Absolventen warten, gerecht wird? Szingsniß sieht das auch kritisch: So sei eine Visite im Krankenhaus zum Beispiel doch etwas ganz anderes als eine Visite im Altenheim.

    Dass es bei ihr nach der Ausbildung die Altenpflege werden würde, hat die jetzige Pflegedienstleiterin in ihrer Zeit im Krankenhaus gemerkt. "Mich hat eine Fachkraft gebeten, mit einem Demenz-Patienten Mensch-Ärger-Dich-Nicht zu spielen", erzählt sie. Das Demenz-Thema hat sie nicht mehr losgelassen. In ihrer jetzigen Arbeit als Pflegedienstleiterin spielt es eine immer aktueller werdende Rolle.  

    Die generalistische Pflegeausbildung Künftig wird die Ausbildung in der Pflege einheitlicher. Mit dem Pflegeberufegesetz wird eine neue generalistische Pflegeausbildung mit dem Berufsabschluss "Pflegefachfrau" oder "Pflegefachmann" eingeführt. Sie ermöglicht, nach der Ausbildung in allen Versorgungsbereichen zu arbeiten, in der Krankenpflege, Kinderkrankenpflege oder Altenpflege. Die neuen Ausbildungsgänge starten 2020. Auszubildende können sich nach zwei Jahren entscheiden. Voraussetzung für die neue Ausbildung ist ein Mittlerer Schulabschluss oder eine zehnjährige allgemeine Schulbildung. Mittelschulabsolventen können die Ausbildung absolvieren, wenn sie über weitere Qualifikationen verfügen. Alle Ausbildungswege werden künftig unterschiedslos über einen gemeinsamen Ausbildungsfonds finanziert. Die Ausbildung wird damit kostenfrei. Das ist ein großer Fortschritt, denn derzeit zahlen Auszubildende noch an etlichen Pflege-Schulen in Deutschland Schulgeld. Zudem haben Auszubildende künftig Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung. Wer genau weiß, dass er in der Alten- oder Kinderkrankenpflege arbeiten will, kann weiterhin eine spezialisierte Ausbildung machen. Denn die gesonderte Abschlüsse in der Altenpflege und der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege bleiben erhalten. Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

    Seniorenresidenz Mainbrücke Das Marktheidenfelder Seniorenheim Mainbrücke ist seit 2011 in Betrieb. 2015/16 wurde es von der Be­t­rei­ber­ge­sell­schaft Procon an die Al­lo­heim-Grup­pe verkauft. Die Alloheim-Gruppe mit Sitz in Düsseldorf betreibt rund 200 Häuser deutschlandweit.  Derzeit gibt es rund 70 feste Mitarbeiter, darunter auch viele Teilzeitbeschäftigte. Das Haus bietet auch Stellen für Praktikanten, FSJler oder Bufdis. Von den 146 Plätzen für Bewohner sind derzeit 76 belegt. Ein Bereich wird derzeit saniert.  luc

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