Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten
Marktheidenfeld
Icon Pfeil nach unten

MARKTHEIDENFELD: Polen-Kabarett: "Trudno!" - es bleibt schwierig

MARKTHEIDENFELD

Polen-Kabarett: "Trudno!" - es bleibt schwierig

    • |
    • |
    Der Bigos-Rap: Das polnische Gericht, das schnell den Leibesumfang erhöhen kann, machte Kabarettist Steffen Möller den Marktheidenfeldern schon mal schmackhaft. Auf dem diesjährigen Weihnachtsmarkt kann man es dann selbst kosten.
    Der Bigos-Rap: Das polnische Gericht, das schnell den Leibesumfang erhöhen kann, machte Kabarettist Steffen Möller den Marktheidenfeldern schon mal schmackhaft. Auf dem diesjährigen Weihnachtsmarkt kann man es dann selbst kosten. Foto: Fotos (2): Martin Harth

    Folgt man dem Autoren, Schauspieler und Kabarettisten Steffen Möller, dann herrschen in unserem Nachbarland Polen wohl nahezu paradiesische Zustände.

    In seiner neuen Rolle als „Emigration Consultant“ des „Wuppertaler Instituts für Zukunftsforschung – kurz WIfZf“ trat er am Samstagabend vor knapp 200 Zuschauern auf die Bühne im Marktheidenfelder Pfarrheim St. Laurentius. Für die Veranstalter von der Volkshochschule, der Stadtbücherei und vom Städtepartnerschaftskomitee hatte Monika Oetzel zuvor begrüßt und der Bürger-Kultur-Stiftung für ihre Unterstützung gedankt. Sie wies dabei auf die Ausstellung „Partnerstadt Pobiedziska – 1000 Jahre deutsch-polnische Geschichte“ hin, die bis zum Jahresende im städtischen Kulturzentrum Franck-Haus zu sehen ist.

    Für seine „Expedition zu den Polen“ ließ Steffen Möller Bundeskanzlerin Angela Merkel akustisch zu einer humorvollen „Reise mit dem Berlin-Warszawa-Express“ einladen. Der Verfasser mehrerer heiter-informativer Bücher über Polen, der 1994 selbst dorthin auswanderte und eine Karriere als TV-Serienheld machte, weiß, dass hierzulande zu wenig über unsere Nachbarn bekannt ist.

    Er setzt alle seine Talente ein, um Polen seinen deutschen Zuhörern mit Witz und Geist näher zu bringen. Die Bühnenvorstellung wird durch seine Sprechkunst, seine Darstellung, eine humorvolle Begleitung in Ton und Bild zum echten Erlebnis. Die für unsere Ohren und vor allem unsere Zunge so schwierige polnische Sprache mit ihren Unregelmäßigkeiten, zahlreichen Zischlauten und besonderer Klangfarbe versteht er dabei lebendig zu vermitteln. Unter den Gästen im Pfarrheim saßen viele Polenstämmige, die von Möllers Erklärungen und Anekdoten restlos begeistert waren. Unablässig bezog der Kabarettist seine Zuhörer in das Geschehen ein und machte sein Programm damit zu einem wahren Gemeinschaftserlebnis.

    Bevor die Zugfahrt nach Warschau in Berlin richtig begann, machte Möller deutlich, dass Polen seit dem Zusammenbruch seines kommunistischen Regimes einen Wirtschaftsboom erlebe, der seinesgleichen in Europa suche. Was kaum einer wisse, sei die Tatsache, dass das Land in der deutschen Auswanderungsstatistik nach der Schweiz und den USA mit jährlich etwa 10 000 bis 12 000 Emigranten an dritter Stelle stehe.

    Um die Deutschen auf das vorzubereiten, was sie dort, und sei es selbst nur für einen lohnenswerten Urlaub, erwarte, lud der Autor auf seine imaginäre Zugfahrt ein. Dabei nahm er den Kampf mit den gegenseitigen Vorurteilen und Stereotypen intelligent auf.

    Möller lehrte seinen Zuhörern eine Minimalunterhaltung mit Floskeln wie „Guten Tag“ oder „Wie geht's?“ und macht deutlich, dass die polnischen Nachbarn ihr „negative Thinking“ gernhegen und pflegen, wenn sie von „alter Armut“ als ihrer Befindlichkeit sprechen und als Lebensgefühl alles für „Trudno!“ – schwierig – halten. Den Deutschen attestiert der Kabarettist auf seiner Bahnfahrt eine Schadensmelder-Mentalität, wohingegen ihre östlichen Nachbarn nach den langen Jahren der kommunistischen Diktatur ein sehr eingeschränktes Vertrauen in Institutionen besäßen und im Notfall lieber selbst zu Werke gingen. Am polnischen Grenz-Bahnhof Rzepin angekommen, geriet die Rezitation des Gedichts „Lokomotive“ von Julian Tuwim zu einem Höhepunkt aus der Kinderlyrik.

    Die Herzen der Frauen erobert

    Nach der Pause ging es weiter mit dem Euro-City in Richtung Warschau. In Poznan (Posen) auf der Hälfte der Strecke, ganz nahe bei Marktheidenfelds Partnerstadt Pobiedziska überfiel den Reisenden der Hunger und er stellte mit seinem Bigos-Rap eine Nationalspeise vor, die demnächst auch auf dem Marktheidenfelder Weihnachtsmarkt gekostet werden kann.

    „Abweichend“ vom Programm widmete sich der Autor dann statt dem Braunkohlebergbau bei Konin an der Warthe den polnischen Frauen, der Liebe und der „Lady Gaga des Landes“ – Doda Elektroda. Möller hat in über 450 Folgen einer polnischen Herz-und-Schmerz-Fernsehserie als deutscher Einwanderer und Bauer „Steffen Müller“ mit seinem Hund „Bruder“ den Ideal-Schwiegersohn gegeben. Aus drei, letztlich tragisch gescheiterten TV-Liebesbeziehungen weiß er, wie man das Herz polnischer Frauen gewinnt – nämlich mit Kosenamen, Blumen, romantischen Komplimenten und Sprachfertigkeiten, mit denen man dann auch den Namen „Grzegorz Brzeczyszczykiewicz“ aus dem Film „Wie ich den Zweiten Weltkrieg begann“ von Tadeusz Chmielewski fehlerfrei artikulieren kann.

    Über die notorische polnische Vorliebe für das Sammeln von Pilzen lud Steffen Möller am Ende noch einige Gäste zur Abschluss-Polonaise durch das Pfarrheim und zeigte, dass er nicht ganz zu Unrecht als netter Kerl in Polen Karriere machte. Denn mit großer Geduld zelebrierte er die nicht enden wollenden, polnischen Abschiedsrituale zunächst auf der Bühne und dann im Zuschauerraum mit zahllosen Umarmungen, Komplimenten und Küsschen beim Singnieren seiner Bücher und DVDs.

    Buchtipp: Steffen Möller, Expedition zu den Polen – Eine Reise mit dem Berlin-Warszawa-Express, Malik-Verlag 2012, ISBN: 978-3890293998

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden