Das Gerät, dass das Leben von heuschnupfengeplagten Menschen in Bayern zukünftig verbessern soll, steht seit April auf dem Dach des Marktheidenfelder Krankenhauses. Ein unscheinbarer hellgrauer Kasten, wie ein mannhoher Stromverteiler mit einem dünnen und hohen Schornstein darauf. Darin befindet sich ein sogenannter Pollenmonitor, einer von acht in ganz Bayern.
Der Pollenflug wurde schon die ganze Zeit gemessen, erklärt Alisa Weber vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) bei einem Besuch in Marktheidenfeld. Die 29-jährige Gesundheitswissenschaftlerin ist mit zuständig für das ePIN-Projekt, das elektronische Polleninformationsnetzwerk, das gerade in Bayern entsteht. Bisher wurden die Pollen mittels sogenannter Pollenfallen gemessen, sagt Weber. Dabei werden eine Woche lang regelmäßig Pollen durch einen Luftstrom auf einer Art Klebefilm gesammelt.
Bisher mehr als sieben Tage alte Pollendaten
In Marktheidenfeld ging Haustechniker Stephan Staudigl jeden Dienstag um 12 Uhr auf das Dach des Krankenhauses, entnahm den alten Pollenstreifen und legte einen neuen ein. Der Streifen wurde mit der Post zur Auswertung verschickt. Dabei wurden mit einem Mikroskop „von Hand“ die verschiedenen Pollenarten gezählt und das Ergebnis abgespeichert. „Aktuelle Daten über den Pollenflug waren damit nicht möglich“, sagt Alisa Weber. Schon bei der Entnahme des Films lagen die ersten Messungen ja bis zu sieben Tagen zurück, bis die gesammelten Pollen dann analysiert waren, vergingen nochmal ein paar Tage. Dazu sei die Zahl der Messstationen in Bayern in den letzten Jahren auf fünf zurückgegangen. „Daraus erklärt sich die oft gemachte Erfahrung der Betroffenen, dass die Symptome nicht mit den Angaben und Vorhersagen der Wetterdienste zum Pollenflug in Einklang zu bringen waren.“
Das soll sich mit den neuen Pollenmonitoren ändern. Nach wie vor muss jemand auf das Dach des Marktheidenfelder Krankenhauses gehen. Allerdings nur noch etwa alle drei Wochen. Oskar Weinig von der Außenstelle des Gesundheitsamts in Marktheidenfeld hat diese Aufgabe übernommen. „Mein Büro ist ja gleich um die Ecke, da ist das schnell gemacht“, sagt Weinig. Nach 21 Tagen tauscht der Hygieneinspektor das benutzte Magazin mit den Probenträgern – etwa zwei Zentimeter große Plastikquadrate mit einer durchsichtigen Klebeschicht in der Mitte – gegen ein neues Magazin aus. Das alte Magazin wird nur für Archivierungszwecke im Gesundheitsamt gelagert, sagt Weinig, untersucht werden die Probenträger danach normalerweise nicht mehr.
Automatische Analyse alle drei Stunden
Denn die Analyse wird nun nicht mehr am Mikroskop im Labor gemacht, das erledigt der Pollenmonitor automatisch selbst. Etwa alle drei Stunden, also achtmal am Tag, saugt das Gerät über das oben angebrachte Rohr – den „Schornstein“ – eine definierte Menge an Luft und damit auch Pflanzenpollen an. Die dabei gesammelten Pollen – ebenso wie feine Staub- und Dreckteilchen – werden automatisch auf die transparente Klebeschicht des Probenträgers gebracht. Eine Kamera beginnt nun, viele Bilder von den den eingefangenen Pollen zu machen. Dabei wird mehrmals der Fokus verändert, so dass man durch die Aufnahmen mit verschiedenen Schärfepunkten ein 3D-ähnliches Modell erhält. Der in dem Kasten eingebaute Computer wird dann über ein Programm zur Bildverarbeitung die Pollenarten erkennen und zählen.
„Etwa 40 Pollenarten kann die Software erkennen“, erklärt Alisa Weber. Durch Aktualisierungen des Programms soll diese Zahl in Zukunft noch erhöht werden. Nach der Analyse und dem Zählen der Pollen werden die ermittelten Daten über das Internet an einen Zentralrechner des LGL geschickt. Dort stehen sie dann sofort bereit. „Alle drei Stunden wird es also neue Zahlen zum Pollenflug in Bayern geben“, sagt Weber, „das ist ein enormer Fortschritt gegenüber der alten Methode.“
Guter Standort für Pollenmonitor
Warum ist gerade Marktheidenfeld als Standort für einen der Pollenmonitore ausgewählt worden? Es gab eine Studie, bei der an 27 Stellen klassische Pollenfallen aufgestellt wurden. Durch die Auswertung konnte man acht repräsentative Orte auswählen, die exemplarisch für den aktuellen Pollenflug in Bayern sind, sagt Alisa Weber. „Natürlich kam es auch auf die Gegebenheiten vor Ort an“, sagt die Gesundheitswissenschaftlerin. Marktheidenfeld bot sich mit dem Krankenhaus „oben auf dem Berg“ an, auch die Infrastruktur wie Strom- und Internetanschluss passte dort.
Echtzeitdaten frei für alle verfügbar
Die Messdaten, die in Marktheidenfeld und den anderen sieben Standorten in Bayern gesammelt werden, können dann nach dem Ende des Testbetriebs bis Ende des Jahres im Internet öffentlich eingesehen und auch frei genutzt werden – Stichwort „Open Data“. „Die Wetterdienste werden die Daten verwenden, aber auch für Ärzte vor Ort, Privatpersonen, Schulen oder Forschungseinrichtungen zu Gesundheit oder Klima sind sie interessant“, so Weber. Ab nächsten Jahr werden die aktuellen Pollenflugdaten auf einer Internetseite das LGL in Zahlen und Grafiken dargestellt, eine Pollenflugvorhersage wird das Landesamt vorerst nicht erstellen, „das werden erst einmal weiter die Wetterdienste machen, bei uns kommt das vielleicht in einem weiteren Schritt“, sagt Alisa Weber.
Polleninformationsnettwerk ePIN An acht Standorten werden beim elektronischen Polleninformationsnetzwerk in Bayern Pollen gemessen: Altötting, Feucht, Hof, Marktheidenfeld, Mindelheim, München und Viechtach. Im Auftrag des bayerischen Umweltministeriums werden dazu noch vier manuelle Pollenfallen in Bamberg, Münnerstadt (Landkreis Bad Kissingen), Oberjoch und auf der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus auf der Zugspitze betrieben. Die Kosten für den Regelbetrieb von ePIN ab der Pollensaison 2019 beziffert das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) auf voraussichtlich jährlich 600 000 Euro. Nach Angaben LGL leiden in Bayern über zwei Millionen Menschen an einer Allergie und Überempfindlichkeits-Reaktion. Die Gesamtkosten in Bezug auf Pollenallergien für Bayern, die zum Beispiel für die medizinische Behandlung oder aufgrund von Arbeitsausfall anfielen, betrugen laut LGL im Jahr 2013 609 Millionen Euro.