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GEMÜNDEN: Rätsel um Nazi-Trauerzug ist gelöst

GEMÜNDEN

Rätsel um Nazi-Trauerzug ist gelöst

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    Beerdigung von Hans Wunner: Trauerzug durch die Obertorstraße in Gemünden.
    Beerdigung von Hans Wunner: Trauerzug durch die Obertorstraße in Gemünden. Foto: Foto: Museum of Jewish Heritage/Schenkung Edward I. Koch

    Irgendwann holt einen jeden seine Lebensgeschichte ein und sei es erst 71 Jahre nach dem Tod. Das ist nun im Fall des Kreisamtsleiters der NSV (Volkswohlfahrt) Lohr-Gemünden Hans Wunner geschehen, der auf der Fahrt von Gemünden zu seinem Dienstort Lohr bei einem tragischen Verkehrsunfall starb. Die NSDAP-Größe wurde pompös am 15. März 1942 in Gemünden beerdigt.

    Auslöser für diesen späten Rückblick auf die Geschehnisse 1942 war die Anfrage eines jüdischen Museums in New York an das Stadtarchiv Gemünden. Ein amerikanischer Soldat, der nach Kriegsende 1945 in Lohr war, hatte wohl als Andenken eine ganze Bilderserie von einer Nazi-Beerdigung mit in die USA genommen und vor einigen Jahren dem Museum vermacht.

    Dieses wusste aber wenig damit anzufangen, da wichtige Informationen wie Ort und Zeit und nähere Umstände zu den Bildern fehlten. Zunächst wandte man sich mit einem Beispielfoto an das Stadtarchiv Lohr, das aber auf Gemünden verwies. Dort war für jeden sofort erkennbar, das Bild mit dem Trauerzug ist eindeutig die Obertorstraße.

    Referenzkopien aus New York

    Kreisarchivpfleger Werner Fella nahm sich auf Bitten von Stadtarchivar Joachim Hellmann der weiteren Nachforschungen an, führte die Korrespondenz mit New York und erreichte schließlich, dass die gesamte Bilderserie als Dokument der Zeit- und Stadtgeschichte nach Gemünden gelangte. Mit urheberrechtlichen Einschränkungen stellte das „Museum of Jewish Heritage“ die 37 Fotos als Referenzkopien zur Verfügung, die über das Internet heruntergeladen und für das Stadtarchiv ausgedruckt werden konnten.

    Bei der Befragung verschiedener älterer Gemündener, wer wohl diese „Nazi-Größe“ war, die mit so großem Aufwand beerdigt wurde, kam sofort die Antwort: „Das kann nur der Wunner gewesen sein, der mit dem Auto auf der Fahrt nach Lohr verunglückt ist.“ Wann das war, darüber gingen die Vermutungen von 1938 bis 1942 weit auseinander. Im Rathaus fanden sich keine Unterlagen dazu. Kein Sterbeeintrag, also war Wunner nicht in Gemünden gestorben. Das Grab ist längst aufgelöst.

    Klarheit brachte eine Anfrage beim Standesamt Lohr. Der Eintrag im dortigen Sterberegister lautet: „Der Kreisamtsleiter der NSV Kreis Lohr-Gemünden Hans Wunner . . . ist am 12. März 1942 auf dem Transport von der Unfallstelle Sackenbach in das Städtische Krankenhaus nach Lohr verstorben.“

    Bei der Überführung des Sarges nahmen in Kleingemünden mehrere Abordnungen und Formationen wie zum Beispiel Hitlerjugend und Bund Deutscher Mädchen (HJ, BdM) den Verstorbenen in Empfang und begleiteten ihn zum Bahnhofshotel (früher „Hotel Deutscher Kaiser“, neben dem Grundbuchamt), wo der Leichnam im Saal aufgebahrt wurde. Politische Leiter und Männer der SA hielten am offenen Sarg mit Standarten und Fahnen die „Ehrenwache“. Die Beerdigung fand an einem Sonntagnachmittag statt.

    Bei der Trauerfeier im „feierlich geschmückten Saal“, umrahmt von der „Gaustabskapelle“ und dem Frauenchor der „NS-Frauenschaft Gemünden“, gab der stellvertretende Gauleiter Friedrich Kühnreich aus Würzburg „einen Überblick über das vorbildliche Wirken des Dahingeschiedenen im Dienste der Partei.“ Durch ein Spalier von HJ, angeführt von Vertretern der NSDAP und ihrer Organisationen, gab „eine nach Hunderten zählende Volksmenge Hans Wunner das Ehrengeleite“ durch die Stadt.

    Beerdigung ohne Pfarrer

    Pferdegespanne zogen den Wagen mit dem Sarg, der mit der Hakenkreuzfahne bedeckt war, sowie einen weiteren mit den vielen Kränzen. Die Bestattung auf dem überfüllten Friedhof fand ohne kirchliche Zeremonien und ohne Pfarrer statt – damals für das überwiegend katholische Gemünden eine Besonderheit. „Unter dem Krachen der Ehrensalven und den Klängen des Liedes vom guten Kameraden wurde Wunner der Heimaterde übergeben, die er so liebte.“ Bei der anschließenden Kranzniederlegung sprachen außer den Parteivertretern auch Ortsfrauenschaftsleiterin Lehnert, Oberpostmeister Schodorf und Bürgermeister Beigel Dankesworte.

    Den Abschiedsgruß am offenen Grab sprach Kreisleiter Rösch für seinen „besten Kreisamtsleiter, einen der besten Ortsgruppen- und Gemeinschaftsleiter der NSDAP.“ Auf Wunners Grabstein war ein Hakenkreuz eingemeißelt – es wurde nach 1945 wieder entfernt – sowie die Inschrift: „Deutschland wird leben, auch wenn wir sterben müssen.“

    Hans Wunner

    Der Kreisamtsleiter der Volkswohlfahrt wurde am 13. Juli 1899 in Würgau in Oberfranken geboren. Hans Wunner war 1917/18 Soldat im Ersten Weltkrieg. Dann war er zwölf Jahre lang bei der Landespolizei, ab 1933 beim Finanzamt Lohr beschäftigt und später Postbeamter in Gemünden. 1926 heiratete Wunner in Wiesen, er hatte zwei Kinder.

    Den Ideen Hitlers stand Wunner schon sehr früh aufgeschlossen gegenüber. Er war politischer Kämpfer bei der NSDAP und SA-Mitglied. 1932 gründete er die Ortsgruppe Wiesen bei Schöllkrippen, die er leitete. 1936 wurde Wunner Ortsgruppenleiter in Gemünden. Im September 1938 wurde zum Kreisamtsleiter der NSV Lohr-Gemünden ernannt. Der Stabsfeldwebel kämpfte in einer Einsatzdivision im Frankreichfeldzug und erhielt das Kriegsverdienstkreuz. Wegen seines Alters und gegen seinen Willen wurde Wunner aus der Wehrmacht entlassen. Er war weiter als Kreisamtsleiter und Ortsgruppenführer tätig. 1941 wurde Hans Wunner Zweiter Bürgermeister der Stadt Gemünden.

    Quellen: Befragungen, Lohrer Zeitung und Mainfranken-Rundschau.

    FOTO: WFE

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