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KARLSTADT: Rot und erotisch: Lilos koketter Augenaufschlag

KARLSTADT

Rot und erotisch: Lilos koketter Augenaufschlag

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    Mit einer frechen und stellenweise auch spritzigen Reise durch die erotische Weltliteratur amüsierte Ernie Reinhardt, besser bekannt als die schillernde Travestiefigur Lilo Wanders, das Publikum im Karlstadter Rathaussaal. Die erotische Lesung „Pulsschlag, tief in ihr“ war ein Beitrag zu der diesjährigen Veranstaltungsreihe „Karlstadt rot und erotisch - eine Stadt zeigt ihre Reize“.

    Auch eine Diva kommt irgendwann einmal in die Jahre - selbst wenn sie eigentlich männlich ist. Für Lilo Wanders aber kann das durchaus auch ein Gewinn sein, denn die Rolle als bissige, alternde Dame kann er/sie somit künftig noch überzeugender darstellen. Perfekt gestylt, mit einem Abendkleid nach dem Vorbild der Stars aus den Gründerjahren der Republik, dazu Beinschlitze bis obenhin, strohblonde Perücke und täuschend echtem Dekoltee-Ansatz. Man musste schon drei oder viermal hinschauen und bemerkte auch dann das Trugbild kaum.

    Dazu auch das virtuose Auftreten. Mühelos floss das gezierte, gespreizte Gehabe, täuschend echt die Stimme und nur die lasziv übereinander geschlagenen Beine zeigten, dass hier die Rundungen bei den Damen eben doch anders angelegt sind.

    Zunächst gab sich Lilo Wanders ausgesprochen eitel und selbstverliebt, vielleicht sogar etwas arrogant. - „Kennt ihr Ringelnatz hier?“ Später aber kamen verstärkt Momente, auch mal über sich selbst nachzudenken und über sich selbst lachen zu können. Ganz besonders auffällig die ständige Suche und Anlehnung an die Stars der Gegenwart und Vergangenheit: Sie sei als „Femme Cathedrale“ eine illegitime Tochter von Hildegard Knef und Willy Brandt, meinte sie und wurde schon für Sabine Christiansen und Dagmar Koller gehalten. Außerdem sehe sie aus wie Heidi Klum in 15 Jahren.

    Hinreißende Leseproben

    Hinreißend und meisterhaft aber war der Vortrag der Leseproben. Als gelernter Schauspieler verstand es Lilo das Publikum mitzunehmen und in Atem zu halten. Sprechtempo, Betonungen, Pausen kamen virtuos und passgenau. Warten im richtigen Augenblick, damit die Pointe sitzt und das Publikum mitkommt.

    Ein koketter Augenaufschlag, ein scheinbarer Versprecher an entsprechenden allzu deftigen Stellen, um die Situation zu entschärfen und Peinlichkeiten zu vermeiden. Peinlichkeiten kamen übrigens nur ganz selten und dann auch nur ansatzweise auf.

    Erotische Auszüge aus der Bibel

    Einen bunten und höchst unterschiedlichen Strauß bot Lilos Textauswahl. „Ich habe zwei große Hobbys. Das zweite ist Lesen!“, flötete sie und allen war klar, dass sich die Lesung um das erste Steckenpferd drehen werde. Dass die Bibel auch eine Quelle erotischer Texte ist - zumindest das Alte Testament, überrascht letztendlich nur den, der sie nicht kennt. Im „Lied des Salomo“ zum Beispiel schwärmt dieser von den betörenden Reizen seiner wunderschönen Freundin mit absolut eindeutigen Aussagen. Deftiger ging es dann schon mit Beiträgen von Joachim Ringelnatz zu und die lyrischen Texte von Berthold Brecht waren schon weniger erotisch als mehr derb und zotig.

    Ungeschlachte Erzählungen und tiefe, zärtliche Poesie aus Schund- und Weltliteratur wechselten in loser Reihenfolge. Beeindruckende Erzählungen von Per Olov Enquist („Die größte Lust ist an der Grenze“), in der die Tiefe menschlicher Liebe ausgelotet wird und schon eher pornografisch anmutende Beiträge über die „Traumnummer“ mit Sex ohne „störende Emotionen“ gaben sich die Buchseiten in die Hand. Ganz klar dass Bocaccios „Decamerone“ und Patricia Highsmith sowie Anais Nin nicht fehlen durften.

    Immer nur das eine Thema

    „Geküsstes Fleisch leuchtet - und manchmal brauchen wir alles etwas von diesem Braten!“, sagte Lilo mit verschmitztem Augenaufschlag, wenn es wieder mal nur „um das eine“ ging und nahm damit auch bei Linda Jaivins „Mit Haut und Haar“ die Schärfe, indem sie auch hier die humorvolle Seite hervorhob.

    Insgesamt zeigte sich, dass das „kleine Abenteuer für Karlstadt“ - so die zweite Bürgermeisterin Anni Kühl-Johannes - durchaus als gelungen zu betrachten war, wenngleich das das Publikum zum überwiegenden Teil nicht aus der Stadt stammte. Lilo Wanders konnte ihre Gäste begeistern und mitnehmen. Einige von ihnen ließen es sich nicht nehmen, sich bei der anschließenden Autogrammstunde mit der „Diva“ ablichten zu lassen. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung durch schöne Beiträge von Christian Dunst am Flügel.

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