Obwohl in der Zuckerfabrik so viele Rüben wie nie zuvor verarbeitet werden, sind Staus und Verkehrsbehinderungen durch Lieferfahrzeuge Vergangenheit. Verantwortlich dafür ist ein ausgeklügeltes Logistik-Konzept. Als Pilotprojekt soll es von Ochsenfurt aus auf die anderen Südzucker-Standorte übertragen werden.
Die Zeiten, als sich die Schlepperkolonnen entlang der Marktbreiter Straße über viele hundert Meter stauten, sind schon lange vorbei. Die Rübenanfuhr von heute hat mit den damaligen Zuständen nicht mehr viel zu tun. Jahr für Jahr war die Anlieferung zwar weiter optimiert worden, doch zufrieden war man damit bei Südzucker noch nicht.
In der Kampagne 2009 greift ein neues Logistik-Konzept, an dem man in Ochsenfurt mehrere Jahre gearbeitet hat, erstmals voll. Es baut auf verlängerte Anlieferungszeiten und den Einsatz von jeder Menge Elektronik. Wirtschaftlicher und noch störungsfreier ist die Rübenanlieferung dadurch geworden.
Per Navigationsgerät werden die Sattelzüge zu den Lademäusen dirigiert. So heißen die Maschinen, die die Rüben vom Feld auf den Laster bugsieren. Lediglich ein Knopfdruck ist für die Übertragung von Anbauer- und Schlagdaten von der Lademaus auf einen Datenträger im Lkw notwendig.
Später an der Waage im Rübenhof der Fabrik werden die Daten ebenfalls drahtlos übermittelt. Wenig später kann der Landwirt im passwortgeschützten Südzucker-Rohstoffportal via Internet einsehen, wie viele Tonnen Rüben er geliefert hat und wie viele Abzüge er für den mitgebrachten Schmutz in Kauf nehmen muss. Organisiert und koordiniert werden Ernte und Verladung vom Maschinenring.
Alles läuft reibungslos, auch auf dem Rübenhof. Keine Schlangen, keine Wartezeiten mehr. Die Sattelzüge fahren an die Entladevorrichtung und kippen ab. Spätestens nach zwölf Minuten sind sie wieder vom Hof, auf dem Weg zurück zur Lademaus, sagt Rübeninspektor Veit Nübel. Reinhold Köhler, der bei Südzucker als Leiter des Geschäftsbereichs Zucker/Rüben für das Logistik-Konzept verantwortlich zeichnet, ist zufrieden.
Ein wichtiger Baustein im neuen Konzept ist die 24-Stunden-Anlieferung. Zwei Jahre lief dazu der Probebetrieb. Um die zur Nachtzeit strengeren Lärmobergrenzen einzuhalten, wurden hohe Lärmschutzwände aus Strohballen errichtet. Die einfache Methode hat sich bewährt.
Durch die verlängerte Anlieferzeit sind ein Drittel weniger Transportfahrzeuge erforderlich. Das bedeutet weniger fixe Kosten für die Transportgruppen, sagt Köhler, und davon profitieren in erster Linie die Rübenanbauer. Sie sind es nämlich auch, die, zu Genossenschaften zusammengeschlossen, drei Viertel der verarbeiteten Rüben in die Fabrik transportieren. Südzucker zahlt dafür eine Transportvergütung. Nur ein Viertel der Rüben wird von Speditionen befördert.
Ein unscheinbares, aber wichtiges Detail in dem Konzept ist die auf dem Rübenhof neu eingerichtete Tankstelle. Weil sie an zentraler Stelle und damit öfter tanken können, brauchen die Laster weniger Diesel mitzuschleppen. Das gesparte Gewicht geht zu Gunsten der Ladekapazität.
„Auch auf anderen Ballast, das Ersatzrad zum Beispiel, kann man im Pendelverkehr verzichten. Die Folge: Statt wie früher durchschnittlich 23,5 Tonnen haben die Lieferfahrzeuge heute 25,5 Tonnen Rüben geladen. Mehr Nutzlast heißt weniger Fuhren, also eine Entlastung des Verkehrs. Insgesamt ist die Zahl der Anlieferung von früher über 800 Fuhren am Tag auf mittlerweile unter 700 Fuhren pro Tag gesunken, sagt Nübel.
Die saubere und störungsfreie Rübenanfuhr trägt ganz wesentlich zur öffentlichen Akzeptanz des Rübenanbaus bei, so Reinhold Köhler – auch das ist ein wichtiger Standortfaktor für das Ochsenfurter Werk. Hauptsächlich geht es aber um die Wirtschaftlichkeit. Die 24-Stunden-Anlieferung sei heute Standard. Ochsenfurt könne da nicht zurückbleiben, wenn man weiterhin die Kosten im Griff behalten will.
Der Standortwettbewerb, national wie international, könnte sich in den kommenden Jahren noch verschärfen, prophezeit der Südzucker-Direktor. Deshalb sei ein zukunftsfähiges Logistik-Konzept dringend nötig gewesen. „Wir sitzen da mit den Landwirten in einem Boot, um sicherzustellen, dass auch künftig Zucker aus heimischen Zuckerrüben erzeugt wird“, meint Köhler.
Nicht bei allen Bauern fand Südzucker am Anfang Zustimmung für das neue Logistik-Konzept. Es gab Vorbehalte. Die Selbstanfuhr mit dem Traktoren, für viele Rübenbauern eine lieb gewonnene Gewohnheit, durfte nicht mehr sein, weil die neue Rübenlogistik mit Schleppern zu bewerkstelligen ist. Mittlerweile habe sich die Aufregung gelegt, sagt Köhler. „Heute werde ich von vielen Leuten angesprochen, die mir sagen, dass es viel besser läuft als früher.“
Daten & Fakten
Kennzahlen der Kampagne 2009 (Prognose):
Südzucker Gruppe
Rübenverarbeitung: 28,1 Mio. t
Zuckererzeugung: 4,40 Mio. t
Hektar-Ertrag: 70,03 t/ha
Zuckergehalt: 17,5 %
Südzucker Deutschland
Rübenverarbeitung: 11,13 Mio. t
Zuckererzeugung: 1,81 Mio. t
Hektar-Ertrag: 73,4 t/ha
Zuckergehalt: 18,3 %
Werk Ochsenfurt
Rübenverarbeitung: 1,72 Mio. t (Durchschnitt 1,5 Mio. t)
Zuckererzeugung: 0,29 Mio. t
Hektar-Ertrag: 73,0 t/ha (Durchschnitt 62 t/ha)
Zuckergehalt: 18,9 %