In der ersten Hälfte des Lebens opfern wir unsere Gesundheit um möglichst viel Geld zu verdienen, später opfern wir viel Geld um unsere Gesundheit erhalten zu können. Nun ist ja bekanntlich die Gesundheit nichts anderes als die Summe aller Krankheiten, die man nicht hat. Spätestens aber wenn der alte Indianer auf dem Berg doch den Schmerz kennen lernt und elektrische Schlangen nächtens wegen Magnesiummangels unsere Waden heimsuchen, sehen wir ein, dass auch die schönste Krankheit nichts taugt und finden schließlich doch den Weg zur Apotheke.
Dabei muss man gar nicht krank sein, um einen Besuch dort genießen zu können, denn außer Paracetamol, Acetylsalicylsäure und Xylometazolinhydrochlorid finden wir gleich neben der Kneippkur und Glaubersalz die Hildegard. Die aus Bingen. Die hat allerlei Mittelchen gefunden, die uns heute noch das Staunen lehren.
Während man normalerweise den Kammerjäger ruft, wenn das Ungeziefer gar zu lästig wird, verkaufen die charmanten Damen in der Glauber-Apotheke zum Beispiel „Flohsamen“. Nicht etwa als Insektenpulver, das Zeugs kommt eigens aus Indien und soll die Verdauung fördern. Auch „Maisbarthaare“ kann man dort erstehen, obgleich niemand weiß, ob diese später nass oder trocken rasiert oder gar epiliert werden müssen.
Alkopops sind zwar mittlerweile etwas in Verruf geraten, doch getarnt als aromatisiertes weinhaltiges Getränk sind Muskateller- und Wermuttrank für medizinisch interessierte Schluckspechte durchaus interessant. Auf Krankenschein gibt es das natürlich nicht und der Hirschzungenkräutertrank ist auch etwas teurer als die Zweiliterflasche Pennerglück vom Discounter, aber immer noch billiger als die Praxisgebühr beim Hausarzt.
Hildegard und ihre Kräuterfreunde haben aber noch mehr zu bieten. Aromatisiertes Wasserlinsenkraut ist für die Party wesentlich exquisiter als Bärlauch – das hat heute jeder. Mit Quendelkraut oder Diptamwurzelpulver kann man die post-nouvelle-cuisine bereichern und kein Gast wird es wagen, sich als Unwissender zu outen. Saniellkraut sollte aber besser geschnitten sein, während Poleiminzenkraut gepulvert mehr her macht und Ypsokraut grob gepulvert dafür sorgt, dass man nicht gar zu viel Geld nutzlos verpulvert.
Moderne Apotheken haben aber die Zeichen der Zeit erkannt und helfen aktiv, dem Bevölkerungsschwund entgegenzuwirken. Frauen- oder gar Schwangerschaftstee in Verbindung mit Storchenschnabelkraut haben gewiss eine durchschlagende Wirkung. Prompt hilft der Gesundheitsladen dann im selben Regal mit Fenchel-Kümmel-Öl für Kinder, Babyöl und Windelbalsam für angegriffene Popos.
Ein ganz wichtiger Grund für einen Besuch in der Apotheke darf aber nicht vergessen werden: Zipperlein-Bravo – auch „Apotheken-Umschau“ genannt. Hier erfährt man alles über Hornhaut und Schrunden, über Darmträgheit und was man tun muss, wenn die Mohnbröselchen unter die Zahnprothese rutschen. Bei der Lektüre beschleicht einen das Gefühl, die Fortschritte der Pharmazie seien so gewaltig, dass man sich mittlerweile seines eigenen Todes nicht mehr sicher sein kann. Aber Vorsicht beim unkontrollierten Lesen: Man könnte an einem Druckfehler ersticken!