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Samuel Stern: Mit seinem Urenkel schließt sich ein Kreis

Lohr

Samuel Stern: Mit seinem Urenkel schließt sich ein Kreis

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    Hat Lohr 1935 verlassen: Samuel Stern, Urgroßvater von Ido Arad.
    Hat Lohr 1935 verlassen: Samuel Stern, Urgroßvater von Ido Arad. Foto: Foto: Familienarchiv Ido Arad

    Ido Arad lebt mit seiner Familie im Kibbuz Gevim, in der Nähe von Sderot, nur wenige Kilometer vom Gazastreifen entfernt. Dass ausgerechnet der 56-jährige Israeli es war, der dem Lohrer Heimatforscher Wolfgang Vorwerk bei seiner historischen Spurensuche half, ist einem Zufall zu verdanken. Manche mögen es auch Fügung nennen.

    Denn Ido Arad verbindet eine besondere Geschichte mit Lohr: Sechs Jahre lang war die Stadt am Main die Heimat seines Urgroßvaters Samuel Stern gewesen. Mit Arads Hilfe hat Vorwerk der Geschichte dieser jüdischen Familie nun nachvollzogen.

    Bäckerei in der Kleinen Kirchgasse

    Bäckermeister Samuel Stern und seine Frau Selma waren aus Hergershausen (heute ein Stadtteil von Babenhausen) nach Lohr gekommen. 1929 übernahmen die beiden die Bäckerei von Franz Burg in der Kleinen Kirchgasse 274 (heute Kapuzinergasse 4a, Ullis Haarwerkstatt). Sie hatten drei Kinder: Hannah, Irene und Julius.

    Hannah Stern war 18, als im Januar 1933 die Herrschaft der Nationalsozialisten begann, jüdische Bürger zunehmend ausgegrenzt und ihrer Existenzgrundlagen beraubt wurden. Sie erkannte die Zeichen der Zeit und folgte noch im gleichen Jahr ihrer Tante Bruria, die bei einem zionistischen Arbeiterbund arbeitete und die Auswanderung der Familie vorantrieb. Auch ihre ein Jahr jüngere Schwester Irene kam nach Palästina. Auf dem Schiff lernte Hannah Stern ihren späteren Mann kennen, der auf der Rückreise von Paris war. Sie heirateten und bekamen zwei Töchter: Jemima und Bimala – Ido Arads Mutter.

    Polizeichef warnt Julius' Mutter

    Auch Hannahs zwei Jahre älterer Bruder Julius ging nach Palästina, nachdem ihn die Polizei wegen Zugehörigkeit zu einer kommunistischen Jugendgruppe festgenommen hatte. Der Lohrer Polizeichef soll seiner Mutter Selma seine Auswanderung nahegelegt haben mit den Worten: „Frau Stern, ich kann ihn nur ein paar Tage in Haft halten. Also besorgen sie ihm ein Zertifikat nach Palästina, damit er nicht wieder Probleme bekommt.“ Die Bürokratie war bis dahin noch relativ einfach: Für die Einreise wurde bis 1933 lediglich ein so genanntes „Zertifikat“ verlangt: Man musste nachweisen, dass man mindestens 1000 Palästinensische Pfund (dotiert wie das Britische Pfund) und eine berufliche Eignung hat.

    1935 verkauften Samuel und Selma Stern schließlich ihr Haus in Lohr und folgten ihren Kindern nach Palästina. Ein Jahr später wäre dies nur noch illegal möglich und damit lebensgefährlich gewesen. So entging Samuel Stern der Deportation. Nicht aber seine Schwestern: Sabine – nach Palästina ausgewandert, jedoch nach Deutschland zurückgekehrt – starb im Vernichtungslager und auch Fanny wurde von den Nazis umgebracht.

    Samuel Stern arbeitete bis zu seiner Rente in der neuen Heimat in Rehovot in einer Bäckerei, seine Tochter Hannah pachtete im 20 Kilometer nördlich davon liegenden Tel Aviv ein Hotel.

    Damit endet die Geschichte nicht

    Kaum ein Lohrer hätte wohl erfahren, wie es danach weiterging – wären da nicht Wolfgang Vorwerk, Ido Arad und Christiane Amend gewesen. Denn die Partensteinerin verbrachte nach dem Abitur am Lohrer Gymnasium ein Jahr in Israel und lernte im Kibbuz Gevim Ido Arad kennen, schätzen und lieben. Dass sie beide eine Beziehung zum Spessart haben – sie direkt, er indirekt – das erfuhren sie erst später durch seine Oma, Hannah Stern.

    1986 heiratete das israelisch-deutsche Paar in Deutschland. Ihr Sohn Jonathan wurde 1993 in Frankfurter Stadtteil Höchst geboren, seine Schwester Dorin 1996 in Be?er Scheva, einer Großstadt im Süden Israels. Seit 25 Jahren lebt die Familie nun im Kibbuz Gevim, besucht Christianes Familie aber jährlich. Auch Ido Arads Oma Hannah war noch einmal nach Lohr zurückgekehrt, nämlich als sie ihn 1988 hier besuchte.

    Viermal „hervorragend“

    Vorwerks Recherche beschäftigte auch den 56-jährigen Israeli. Er erinnert sich noch gut an seinen „Opa Schmuel“, wie Samuel Stern in der Familie genannt wurde. Und er begann selbst, tiefer in der Familiengeschichte zu graben. Dabei tauchten Fotos und andere Unterlagen auf, etwa das Abschlusszeugnis der Volksfortbildungsschule für Hannah Stern: mit „hervorragend“ (Note 1) in Heimatlebenskunde und Rechnen sowie in Fleiß und Betragen, dazu einem „lobenswert“ (Note 2) in Deutscher Sprache. Als Bekenntnis eingetragen ist: „israelitisch“.

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