Die Firmengruppe Scheer ist pleite. Der Marktheidenfelder Spiele- und Werbeträger-Hersteller hatte Anfang 2011 vorläufige Insolvenz angemeldet. In den vergangenen drei Monaten konnte der Niedergang nicht mehr abgewendet werden. Die Gruppe wird aufgeteilt und verkauft. Rund 270 Mitarbeiter sind davon betroffen. Weitere 140 sind bereits gegangen.
Ausgelöst hat die Insolvenz die Scheer Spiele GmbH & Co. KG. Als Hauptkunde der Ludwig Scheer GmbH & Co. KG riss sie ihr Schwesterunternehmen mit sich. Der Geschäftsführer der Gruppe, Michael Lüchtrath, hatte die Spieleproduktion noch im Sommer 2010 von Ingolstadt an den Stammsitz nach Marktheidenfeld verlegt, um angesichts sinkender Erlöse Kosten zu sparen. Der Schnitt kam zu spät.
Da der Betrieb kein Controlling hat, befand er sich in einer langen Phase ohne kaufmännische Führung quasi im finanziellen Blindflug. Für Betriebsratsratsvorsitzenden Bernd Hörner war das ein gravierender Managementfehler. Dazu kamen Qualitätsprobleme nach der Spiele-Verlagerung; die Kunden sprangen ab, berichtet Insolvenzverwalter Dr. Markus Schädler.
Zu Beginn der vorläufigen Insolvenz im Januar seien dann 72 Prozent der Aufträge für Scheer Spiele weggebrochen, erklärt der Insolvenzverwalter aus Würzburg. Der Negativtrend habe sich fortgesetzt. So zeichnete sich ab, dass das Spiele-Unternehmen verkauft werden muss. Verhandlungen mit Kaufinteressenten, die das Ziel hatten, den Standort Marktheidenfeld zu erhalten, seien gescheitert, berichtet Schädler von seinem Kampf für die Arbeitsplätze.
Inzwischen hat die Spielkartenfabrik Altenburg GmbH (Altenburg bei Chemnitz) den Kaufvertrag für Scheer Spiele zum 1. Mai unterzeichnet. Bedingung des Käufers ist aber, die Produktion nach Thüringen zu verlagern. Davon betroffen sind noch 50 Mitarbeiter; weitere zehn haben bereits ihre Kündigung.
Kaufvertrag unterzeichnet
Beim Spiele-Personal handelt es sich nach Worten Hörners überwiegend um junge Kollegen, die erst vor einem Dreivierteljahr in den Betrieb eingetreten waren.
Da wegen der gering bezahlten Jobs kaum Bereitschaft zum Wechsel nach Thüringen besteht, werden sie in einer Transfergesellschaft drei bis maximal sieben Monate lang für Bewerbungen geschult und fortgebildet, um bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben. So lange erhalten sie 80 Prozent ihres Lohns, finanziert aus der Insolvenzmasse und von der Arbeitsagentur. Das Aus für Scheer Spiele hat bei Ludwig Scheer den Umsatz um 30 Prozent einbrechen lassen, denn Scheer Spiele war der wichtigste Kunde des Schwesterunternehmens, das Puzzle, Verpackungen und Werbeträger (Displays) aus Pappe herstellt. Die Folge: „Es gibt keine Zukunft mehr für den Display-Bereich am Standort Marktheidenfeld“, erklärt Schädler. Insolvenzverwalter und Betriebsrat setzen nun ihre Hoffnung auf den Verkauf des Puzzle-Sektors, für den es einen Interessenten gibt. Der würde nur zuschlagen, wenn er gleichzeitig die Hälfte der Produktionshalle – etwa 4200 Quadratmeter – weitervermieten kann.
Anders als bei Scheer Spiele sind bei Ludwig Scheer viele langjährige Beschäftigte betroffen. Einige der 51 Angestellten und 99 gewerblichen Mitarbeiter sind schon seit Jahrzehnten im Unternehmen. Die meisten sind um die 50 Jahre alt. Dazu kommen 58 400-Euro-Kräfte. „Die Leute sind verunsichert und bangen um ihre Jobs“, schildert Betriebsratsvorsitzender Hörner die Stimmung. Hörner setzt wie Schädler auf den Verkauf von Ludwig Scheer und damit auf den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze vor Ort. Sollten die Verhandlungen scheitern, blieben nur noch der Gang in eine Transfergesellschaft und ein Sozialplan.
Damit die Mitarbeiter in jedem Fall noch möglichst viel Geld mitnehmen können, appellieren Schädler und Hörner an die Belegschaft, vorhandene Aufträge ordentlich abzuarbeiten. Bei Ludwig Scheer reicht das Volumen noch bis Ende Juni.
Auftragsvolumen bis Ende Juni
Jede Auslieferung erhöht die Insolvenzmasse, aus dem das Personal bedient werden kann. Aber Schädler und Hörner wollen für den 50 Jahre alten Betrieb Ludwig Scheer den Kampf um die Arbeitsplätze noch nicht verloren geben.
Hörner lobt seine Kollegen, die angesichts der Lage ruhig reagieren. Insolvenzverwalter Schädler dankte dem Betriebsrat auf den beiden Betriebsversammlungen am Freitagvormittag für die gute Zusammenarbeit, was spontan Applaus der Belegschaft hervorgerufen habe. Der ehemalige Geschäftsführer Michael Lüchtrath war nicht mehr gekommen; nur seine Frau Uschi war anwesend.
Auf Anfrage der Main-Post bedauerte sie den Verlust so vieler Arbeitsplätze. „Wir sind darüber tief traurig. Wir hatten Unternehmen mit tollen Mitarbeitern.“ Das Ehepaar Lüchtrath würde sich wünschen, dass es unter anderer Führung eine Zukunft für das Personal geben könnte. Lüchtraths selbst hätten kein solches Polster, dass sie nicht mehr arbeiten müssten. Auch das Ehepaar sucht nun nach einem beruflichen Neuanfang.
Übernahme der Scheer-Gruppe
Die Spielkartenfabrik Altenburg GmbH (ASS Altenburger) produziert in Thüringen jährlich 40 Millionen Spiele. Mit 160 Mitarbeitern erzielt sie einen Jahresumsatz von 24 Millionen Euro und bezeichnet sich als führend im deutschen Spielkartenmarkt. Das Unternehmen gehört der Cartamundi-Gruppe (Belgien), dem nach eigenen Angaben weltgrößten Spielkartenkonzern mit Tochterunternehmen in den USA, Brasilien, Großbritannien und weiteren Ländern.
Die Ludwig Scheer GmbH & Co. KG existiert seit genau 50 Jahren in Marktheidenfeld. Die Scheer-Gruppe fertigt Werbesysteme (Displays) und Verpackungen für Kunden wie McDonald's, Nintendo, Bayer, Lidl und hat mehrfach das „Spiel des Jahres“ hergestellt.