Auch das Stadtarchiv fiel bei der Zerstörung Gemündens vor 60 Jahren der Vernichtung anheim, und die Menschen hatten damals andere Sorgen, als den Untergang und den Neubeginn zu dokumentieren. So fand der Historische Verein Gemünden und Umgebung nach seiner Gründung am 24. März 1983 ein weitgehend unbestelltes Arbeitsfeld, speziell was das dunkelste Kapitel der Stadtgeschichte anbelangte.
Über Jahre trugen die Mitglieder Fakten und Dokumente zusammen, interviewten Zeitzeugen, werteten die Tonbandmitschnitte aus, verglichen und konkretisierten Informationen. So entstand ein umfangreiches Archiv, in das der Verein mit einer Ausstellung ab 10. Mai im Kulturhaus Alte Schule Einblick geben wird: Fotos zu allererst, aber auch Lebensmittelkarten, Geld, Wehrmachtsausweise, Frontpost von Gemündener Soldaten . . . die Hinterlassenschaft Einzelner lässt in der Zusammenfassung das Schicksal einer Generation sichtbar werden.
Wer noch Erinnerungsstücke hat und sie dem Verein zur Verfügung stellen möchte, kann sich an den Archivar des Vereins, Kreisheimatpfleger Bruno Schneider in Gemünden, wenden.
Die weiteren Veranstaltungen zum Kriegsende vor 60 Jahren:
US-Kriegsfilm
Das Interesse an dem 30-minütigen Film von US-Kriegsberichterstattern über die Erstürmung Gemündens und den Weitermarsch der Truppen zum Lager Hammelburg war am Samstag so groß, dass es Sondervorstellungen gibt: am Samstag, 2. April, ab 11 Uhr jeweils zur vollen Stunde im Filmsaal des Film-Photo-Ton-Museums im Huttenschloß. Kostenlose Platzkarten bei der Buchhandlung Hofmann persönlich oder telefonisch unter Tel. (0 93 51) 32 37.
Am Mittwoch, 6. April, um 1930 Uhr im Hotel "Schäffer" zeigt der Historische Verein Gemünden den Film. Verbunden damit ist im Anschluss ein Erlebnisbericht des Vorstandsmitglieds Hans-Joachim Leder über Flucht und Vertreibung 1945/1946.
Weitere Sondervorstellungen des Films wird der Film-Photo-Ton-Museumsverein auf vielfachen Wunsch in Langenprozelten und in Karsbach geben. Die Termine stehen noch nicht fest. Zudem besteht für Schulen, Vereine und ähnliche Einrichtungen die Möglichkeit, Extra-Vorstellungen zu buchen.
Gedenkgottesdienst
Nach Gemünden hatte Wernfeld die meisten Kriegsopfer zu beklagen: Beim Luftangriff am 4. April 1945 starben 29 Einwohner und drei deutsche Soldaten. Einen Gedenkgottesdienst hält Pfarrer Berthold Grönert am Dienstag, 5. April, um 19 Uhr.
Stadtführung
"Gemünden vor und nach der Zerstörung 1945" ist das Thema einer Stadtführung von Lotte Bayer, der Vorsitzenden des Historischen Vereins, am Mittwoch, 6. April. Der Rundgang beginnt um 15 Uhr am Kinderspielplatz auf der Lindenwiese.
Vorträge
Hans-Joachim Leder, Vorstandsmitglied des Historischen Vereins Gemünden, berichtet am Mittwoch, 6. April, im Hotel "Schäffer" über den zweimaligen Verlust der Heimat, wie er es 1945/1946 als 13-Jähriger erlebte. Zunächst floh die Familie Anfang 1945 vor der Roten Armee aus Oberschlesien ins Erzgebirge. Nach Kriegsende gelang es Leder unter erheblichen Schwierigkeiten zurückzukehren, erlitt dann jedoch die endgültige Vertreibung aus der Heimat. Zuvor, um 1930 Uhr, wird der US-Kriegsfilm gezeigt.
Eine Gesprächsrunde mit Zeitzeugen veranstaltet der Historische Verein am Donnerstag, 12. Mai, um 19 Uhr im Foyer der Scherenberghalle: Gemündener berichten, wie sie Luftangriffe, Zerstörung, Eroberung und Nachkriegswirren überstanden.
Ebenso wird der Historische Verein in Zusammenarbeit mit Kulturoberrat Professor Dr. Hans-Peter Schäfer zwei Vorträge von Peter Domes und Martin Heinlein anbieten. Die beiden sind als Mitglieder des Arbeitskreises "Task Force Baum" mit den Hintergründen und dem Ablauf des gleichnamigen US-Kommandounternehmens zur Befreiung kriegsgefangener Offiziere in Hammelburg vertraut, das am 27. März 1945 in Gemünden blutig abgewiesen worden war.
Ausstellung
"Die letzten Kriegstage und die ersten Friedenstage" heißt eine Ausstellung mit Fotos und Dokumenten, die der Historische Verein ab Dienstag, 10. Mai, (Eröffnung um 19 Uhr) bis Ende Juni im Kulturhaus Alte Schule in der Obertorstraße zeigt. Der Verein hat unter anderem eine große Sammlung von großformatigen Fotos, die das alte Gemünden, die totale Zerstörung im April 1945 und den Wiederaufbau zeigen - einige davon werden erstmals öffentlich zu sehen sein.
Der Untergang im Buch

"Eine Stadt stirbt - der Untergang Gemündens am Ende des 2. Weltkriegs" heißt das bebilderte Heft, das der Historische Verein 1988 und in zweiter Auflage 1993 herausgegeben hat. Das Thema ist von dem 1989 gestorbenen Aschaffenburger Historiker Dr. Alois Stadtmüller und von Zeitzeugen beschrieben. Zu bekommen ist das 70-seitige Büchlein für fünf Euro in der Tourist-Info Gemünden im Huttenschloß und bei Lotte Bayer, Tel. (0 93 51) 44 98.