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KARLSTADT: Schülertheater: Kein Platz für Individualität

KARLSTADT

Schülertheater: Kein Platz für Individualität

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    Das Mittelstufentheater des Karlstadter Gymnasium widmete sich mit dem Begriff „Autokratie“ einer komplexen Thematik. Im Stück diente die einheitliche Kleidung und der „Wellengruß“ als gemeinsames Identifikationsmuster.
    Das Mittelstufentheater des Karlstadter Gymnasium widmete sich mit dem Begriff „Autokratie“ einer komplexen Thematik. Im Stück diente die einheitliche Kleidung und der „Wellengruß“ als gemeinsames Identifikationsmuster. Foto: Foto: Moritz Baumann

    Es geht um Ideologie, um Kontrolle und Überwachung. Alles dreht sich um eine zentrale Leitfigur. Autokratie war das Thema des Stückes, welches das Mittelstufentheater des Johann-Schöner-Gymnasiums in Zusammenarbeit mit einigen Schülern der Oberstufe vergangene Woche in der Gerbergasse darbot. Das Drehbuch ist angelehnt an das Buch „Die Welle“ von Morton Rhue und das gleichnamige soziopolitische Filmdrama mit Jürgen Vogel. Für das Drehbuch der Adaption waren Julian Sommer und Theaterlehrerin Dagmar Zeller-Dittmer verantwortlich.

    Die Aufführung bestach durch kantige Charaktere, pointierte Dialoge und eine Vielzahl theaterästhetischer Mittel. Kulisse des Stückes war ein Klassenzimmer, in dem der Unterricht schnell in den Hintergrund rückte. Was als harmloses Projekt, in dem Autokratie diskutiert werden sollte, anfing, endete als soziologisches Experiment, das völlig aus dem Ruder läuft.

    Während zu Beginn die Mehrzahl der Schüler überzeugt ist, dass im Jahr 2017 eine Diktatur in Deutschland unmöglich sei, müssen sie daraufhin erleben, wie schnell gruppendynamische Prozesse ausgelöst werden, in denen Individualität, freie Meinung und Anderssein keinen Platz finden. Lehrer Rainer Wenger (Julian Sommer) versucht seinen Schülern die Thematik greifbar zu machen. So gründet sich eine Gruppierung, die sich „Die Welle“ nennt und an deren Spitze Wenger selbst steht. Was anfangs nach einer Idee aussieht, die in erster Linie den Klassenzusammenhalt stärkt, entwickelt sich schnell zu einer Bewegung, die immer stärker autokratisch und völlig verblendet agiert. Kritik wird unterbunden. Ausgrenzung von Andersdenkenden wird legitimiert. Beziehungen zerbrechen. Die einheitliche Kleidung, der gemeinsame „Wellengruß“ und die geteilte Ideologie dienen als gemeinschaftsbildendes Identifikationsmuster. Nur mit viel Mühe schafft es Lehrer Rainer Wenger, das Experiment zu beenden und den Schülern den Spiegel ihrer Handlungen vorzuhalten.

    Tiefgehendes Thema

    Kein leichtes Thema, das sich das Mittelstufentheater ausgesucht hatte. Doch wie Theaterlehrerin und Regisseurin Dagmar Zeller-Dittmer bestätigt, sei der Vorschlag von den Schülern gekommen. „Bei einigen scheint der Film ,Die Welle' nachhaltig im Gedächtnis geblieben zu sein“, so Zeller-Dittmer.

    Um die Problematik „Autokratie“ kreisen immer wieder drei zentrale Leitsätze: „Macht durch Disziplin“, „Macht durch Gemeinschaft“ und „Macht durch Handeln“. Dass der kausale Zusammenhang zwischen diesen drei Thesen das Fundament für Autokratie bildet, zeigt das Stück eindrucksvoll.

    Die Aufführung lebte jedoch nicht nur vom Inhalt. Die Leistung der Nachwuchsschauspieler zeigte sich besonders im ausdrucksstarken Spiel, in dem die Entwicklung der Charaktere im Vordergrund stand. Besonders brillierte Julian Sommer in seiner Rolle als Rainer Wenger, der immer wieder sowohl als Autokrat, als auch moralische Instanz auftrat.

    Die vielen Facetten des Stückes spiegelten sich beispielsweise in Charakteren wie Tina (Sinah Breunig), die sich der Idee der „Welle“ kritiklos hingab und am Ende als gebrochene Persönlichkeit isoliert war, oder Karo (Katrin Schirm), die das Projekt kritisch hinterfragte und dafür drangsaliert wurde.

    Tanzszenen, mit Beamer eingeblendete Schlagworte, das wiederkehrende Wellensymbol und der atmosphärische Soundtrack rundeten die Aufführung ab. Bezeichnend für die Interaktion mit dem Publikum war die Szene, in der ein halbes Dutzend der Darsteller den Zuschauerraum stürmten, Flugblätter „regnen ließen“ und die Wände mit dem Wellensymbol plakatierten.

    Für Dagmar Zeller-Dittmer, die seit fünf Jahren Theatergruppen am Karlstadter Gymnasium betreut, endet mit dieser Aufführung auch ein Abschnitt ihrer eigenen Bühnentätigkeit. Ihrer neuen Funktion als zentrale Schulpsychologin für den Bezirk Unterfranken ist es geschuldet, dass sie im kommenden Jahr nicht mehr am Johann-Schöner-Gymnasium tätig sein wird.

    Theaterlehrerin geht

    Mit ihr verliere die Schule, laut den Schülern von Dagmar Zeller-Dittmer, eine Theaterlehrerin, die immer mit viel Motivation, Leidenschaft und Enthusiasmus Jahr für Jahr Stücke entwickelt und aufgeführt habe. Sie selbst beschreibt das Theater als ein „intensives Gruppenerlebnis“, indem „das Gesamte, das Ergebnis der Summe der einzelnen Teile ist“. Kein Darsteller sei einfach ersetzbar. Das darstellende Spiel fördere Selbstvertrauen, Körperbeherrschung und Kreativität. „Mir war immer wichtig, nicht nur meinen, sondern auch den Horizont der Zuschauer zu erweitern. Gern hab ich deswegen Theaters mit Musik, Tanz und Kunst verbunden.“

    Mitwirkende:

    Dagmar Zeller-Dittmer, Julian Sommer, Sinah Breunig, Erik Jugovic, Katrin Schirm, Lisa Schmitt, Lena Heßdörfer, Niklas Nacci, Dagmar Zeller-Dittmer, Lisa Hüller, Jannik Winbeck, Leon Götz, Dominik Blank, Judith Raab, Andreas Stein, Lena Gräwe, Oberstufentheater des JSG.

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