Es kommt nur alle paar Jahre vor, dass der Stadlersee am Fuße des Naturschutzgebiets Romberg bei Sendelbach wie in diesem Jahr randvoll mit Wasser gefüllt ist. Dann wimmelt es in den Tümpelbecken des Naturschutzgebietes von kleinen seltsamen Wesen mit urtümlicher Gestalt: Es sind Frühjahrs-Kiemenfußkrebse (Eubranchipus grubii), auch Frühjahrs-Feenkrebse genannt.
Sie gehören zu den Urzeitkrebsen, die bereits seit Beginn des Erdmittelalters vor rund 200 Millionen Jahren auf der Erde leben und ihre Gestalt in dieser unvorstellbar langen Zeitspanne nicht verändert haben und damit zu Erfolgsmodellen der Evolution wurden.
Lebende Fossilien
Als "lebende Fossilien" besiedeln sie im Frühjahr von März bis Mai fischfreie, temporäre Kleingewässer wie Tümpel und Mulden mit Staunässe in Auwäldern sowie Laub- und Mischwäldern in Flussauen. Die 1,5 bis 2,5 Zentimeter großen Krebstierchen schwimmen mit der Bauchseite nach oben und bewegen dabei in rhythmischen Schlägen ihre elf Paare von Blattfüßen. Diese dienen nicht nur der Fortbewegung, sondern gleichzeitig der Atmung, was ihnen den Namen "Kiemenfuß" eingebracht hat.

Mit den feinen Blattfüßen filtern sie auch ihre Nahrung in Form von Plankton und feinsten abgestorbenen Organismen aus dem Wasser. Die Männchen unterscheiden sich deutlich von den Weibchen: Sie sind orangebraun gefärbt, während die Weibchen grünliche und bläuliche Färbung aufweisen und bauchseitig zwei mit Eiern gefüllte Brutsäcke tragen.
Ende des Frühjahrs legen die Weibchen etwa 100 Eier am Grunde des Tümpels in das schlammige Substrat ab. Diese sogenannten Dauereier, auch Zysten genannt, sind sehr widerstandsfähig gegen Austrocknung und Frost und benötigen sogar eine oft jahrelange Trockenphase für ihre Entwicklung, um nach starken Regenfällen oder Hochwasser im Frühjahr als Larven ihren Lebenszyklus aufs Neue zu beginnen.
Periodisch wasserführende Tümpel wie am Stadlersee fallen in manchen Jahren völlig trocken und bieten daher den Urzeitkrebsen ideale Entwicklungsbedingungen. Der Lohrer Arzt und Naturforscher Hans Stadler berichtete bereits in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts über die altertümlichen Kiemenfußkrebse im Naturschutzgebiet "See von Sendelbach".
Gegenwärtig ist der wassergefüllte Stadlersee von Abertausenden von Kiemenfußkrebsen bevölkert. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Art äußerst selten und der Stadlersee bayernweit einer von ganz wenigen Fundorten des Urzeitkrebses ist und damit eines strengen Schutzes bedarf.
