Angeklagt war die Krankenschwester wegen Missbrauchs eines Gefangenen. Wie sich am zweiten Verhandlungstag am Amtsgericht Gemünden herausstellte, hatte sie dies bis zum Schluss geleugnet. Doch hatte die Richterin nach insgesamt fast neun Stunden Verhandlungsdauer, inklusive etlicher Unterbrechungen, keine Zweifel: Die heute 39-Jährige aus dem Landkreis Main-Spessart hatte als ehemalige Pflegekrankenschwester in der Forensik des Bezirkskrankenhauses eine intensive Liebesbeziehung mit einem verurteilten Straftäter auf Entzug.
Das Urteil: Acht Monate auf Bewährung
Beim Strafmaß ging Richterin Katrin Heiduck über die Mindeststrafe von drei Monaten hinaus: Acht Monate Bewährungsstrafe, zwei Monate Führerscheinentzug und eine Geldauflage von 3000 Euro, urteilte sie nach einem Prozess, in dem die Öffentlichkeit zu erheblichen Teilen ausgeschlossen worden war, weil es dabei um intime Details ging.
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So wurde nur in Ansätzen bekannt, was die Angeklagte und ihr früherer Patient selbst ausgesagt hatten. Die Strategie der Verteidigung wurde spätestens klar, als der Strafverteidiger am Montag nach zwei Stunden die Bombe platzen ließ: Das Handy, mit dem die 39-Jährige mit dem Patienten Kontakt gehalten haben soll, will sie erst an Weihnachten 2018 von ihrem langjährigen Partner geschenkt bekommen haben - fabrikneu und original verpackt, aber eben erst sechs Wochen nach den Vorkommnissen, die ihr zur Last gelegt wurden. Wie soll das gehen? Diese Frage blieb in der Verhandlung offen.
Expertin schließt Manipulation der Chat-Nachrichten weitgehend aus
Die Angeklagte stritt offenbar alles ab und leugnete, dass sie jene "Baby" oder "Tana" war, mit der der Patient Chat-Nachrichten ausgetauscht hatte. Tenor: Das müssen andere geschrieben haben. Kolleginnen vielleicht? "Da müsste man ein echter Spezialist sein, um Manipulationen vorzunehmen", resümierte eine Expertin vor Gericht, die als Angestellte der Kriminalpolizei Würzburg seit zehn Jahren auf Cyberkriminalität und digitale Forensik spezialisiert ist.
Nach Abbruch des ersten Verhandlungstages hatte die Expertin drei Handys auszuwerten: Das Samsung der Fachkrankenschwester und zwei Apple-Smartphones des Patienten. Auf Letzterem fanden sich mehr als 1000 Nachrichten mit "Baby" und "Tana". Und der Patient hatte offenbar eingeräumt, dass damit die Angeklagte gemeint war. Diese hatte die WhatsApp-Nachrichten auf ihrem Handy zwar gelöscht, doch hatte die Kripo-Spezialistin zumindest die Anfänge von gut 400 SMS-Nachrichten abgeglichen, die automatisiert auf dem Samsung-Handy in einer Logg-Datei abgelegt werden.
Richterin hat nicht die geringsten Zweifel
Für die Richterin war dies ein klarer Fall: Weder der Sex-Partner noch die Kolleginnen hätten irgendein Motiv, der Angeklagten etwas in die Schuhe zu schieben. Eine Intrige von Arbeitskolleginnen schloss sie aus. Dafür gebe der Chatverlauf, der die "intime Beziehung" bis hin zum einvernehmlich vollzogenen Geschlechtsakt im Auto dokumentiert, "nicht einmal den kleinsten Anhaltspunkt her".
Der Chatverlauf dokumentierte auch andere Verstöße gegen die Regeln der Forensik - darunter die Warnung vor einer Zimmerkontrolle und eine Absprache über einen verbotenen Handy-Tausch.
Der Verteidiger versuchte Zweifel zu streuen. Seinen Antrag, das Handy der Angeklagten vom Landeskriminalamt untersuchen zu lassen, wies die Richterin ab. "Sie sehe keinen Grund, am Fachwissen der Kripo-Angestellten zu zweifeln", begründete sie. Wohl aber erkannte sie im beharrlichen Leugnen der Angeklagten ein Motiv: Sie hat seit zwölf Jahren einen Partner und mit diesem auch ein Kind. Der 33-jährige, spontan als weiterer Zeuge geladen, sagte aus, dass für sie und "eigentlich" auch ihn in Sachen Fremdgehen die "Nulltoleranzgrenze" gelte. Deshalb, so die Richterin, stehe für die Angeklagte "extrem viel auf dem Spiel"; deshalb habe sie den Sex mit dem Patienten nicht zugeben wollen. Damit aber habe sie "das Vertrauen in die Integrität der Anstalt mit Füßen getreten".
Der Anwalt der Krankenschwester schloss nach dem Urteil eine Berufung oder Revision nicht aus.