Ihre Geschichte spielt in Haßberge, dem Wohnort der Autorin, vor 11 500 Jahren. Zu dieser Zeit endete gerade die Eiszeit und es wurde allmählich wärmer. Die Tier- und Pflanzenwelt veränderte sich, was eine Umstellung der damaligen Jäger und Sammler erforderte. Interessanterweise lebten diese womöglich in matrizentrischen (also mit den Frauen im Mittelpunkt) Gesellschaften, worauf Funde von Venus-Statuen hindeuten.
Daher beleuchtet Leisner in ihrem Buch ausführlich das Verhältnis von Mann und Frau bei den Schamanen. „Ich wollte dabei aber keine rosarote Frauenwelt entstehen lassen“, scherzte sie. Dass das Leben der Hauptdarstellerin Ravan sicherlich nicht so war, sondern raue Sitten herrschten, zeigen die Textstellen. Die erste beschreibt das Ritual, in dem die Protagonistin unerwartet zur „Vogelfrau“ geweiht wird, um die sich ihr Stamm gruppiert. Bei dieser Zeremonie wandelt sich Ravan vom Mädchen zur Frau, da sie bereits „14 Winter überlebt hat“. Hierfür reibt man sie am ganzen Körper mit der „heiligen Farbe“, dem frischen Blut ihrer Stammesmitglieder, ein.
Leisner zieht die Zuhörer in ihren Bann, nicht zuletzt, da sie mit ihren Worten alle Sinne anspricht: Es ertönen Gesänge, Hitze steigt auf, Flammen zucken bläulich im Feuer, Ravan jagt ein Schauer über die Haut. So wirkt ihre Erzählung lebendig und wird im Kopf zu Bildern. Außerdem verliert man sich leicht in der fließenden Stimme der Autorin.
Leisner fordert die Zuschauer gleich zu Anfang auf, Fragen zur Geschichte zu stellen. Denn über die Entstehungszeit des Romans weiß die Autorin bestens Bescheid und wird nicht müde mit Begeisterung darüber zu berichten. Denn als sie aus der Stadt nach Haßberge zog, weckte die Natur und was sich dort früher abspielte, sofort ihr Interesse: „Ich hatte fast das Gefühl, das Land spricht zu mir.“
Da aber die Steine nichts Aufschlussreiches zu berichten hatten, wurde sie selbst aktiv und begann über alte Kulturen zu recherchieren. Zwei Jahre lang blätterte sie ausschließlich in historischen Dokumenten und wälzte dicke Bücher, bis sie mit dem Schreiben an der „Rabenfrau“ begann. Doch ihr Wissensdurst ist noch lange nicht gestillt: „Es gibt noch vieles zu entdecken“, freut sie sich und forscht weiter nach.
Beispielsweise erklärte sie, dass der Rabe symbolisch eine doppelte Bedeutung besitzt, einerseits für das Negative, gleichzeitig aber der Begleiter von Lichtgöttern ist. Er ist daher eine Aufforderung, immer beide Seiten zu betrachten. Natürlich sprach Leisner auch über die beachtliche Flügelspannweite von 1,50 Metern und dessen früheres Negativ- Image. Bei einer anschließenden Power-Point-Präsentation gibt es noch mehr Geschichte: Sie berichtet über Wohnen, die Bedeutung des Feuers oder Jagdtechnik und -werkzeugen vor 11 500 Jahren.
Da sie selbst leidenschaftliche Leserin historischer Romane ist, sehnte sie sich nach einem für sie perfekten Buch. Es sollte auf stimmigen Fakten basieren, aber auch spannend sein, mit lebendigen Persönlichkeiten. Dies ist ihr gelungen, denn mit der nächsten Textstelle über ein Erdbeben zog sie das Publikum wieder in ihren Bann: Es ist, als ob man durch eine Zeitreise in die Welt von damals entführt wird.
Regine Leisner wurde in der Oberpfalz geboren. Nach einem abgebrochenen Germanistik- Studium absolvierte sie eine Ausbildung zur Industriekauffrau. Später war sie Mitbegründerin eines tibetisch-buddhistischen Meditationszentrums. Heute arbeitet sie unter anderem als selbstständige Beraterin.
Durch ihre Arbeit an der „Rabenfrau“ stellt Leisner Parallelen zum heutigen Leben und dem vor 11 500 Jahren her: Die Menschen mussten sich an wärmere klimatische Bedingungen anpassen, genau wie heute der Klimawandel ein Problem darstellt. Sie will aus dem damaligen Wissen Erkenntnisse ziehen, die sie auch in ihren „Rabenfrau-Seminaren“ vermittelt. Beispielsweise lobt sie die schamanische Einstellung zur Natur, welche die Welt als lebendiges Ganzes sieht. „So eine Sichtweise würde uns heute auch gut tun“, erläutert sie.