Aktuell steht Europa, genauer die Europäische Union, in der Kritik. Dass Europa aber auch ein ganz anderes Gesicht haben kann, zeigen Jörg Widmoser und seine Band "Radio Europa". Die fünf Musiker – mit Wurzeln in Deutschland, Österreich, Ungarn, Russland und Schweden – spielen volkstümliche Musik aus allen Ecken Europas. Am Freitag treten sie im Marktheidenfelder Stadtgärtchen auf.
FRAGE: Sie haben auf Ihren Touren fast ganz Europa gesehen. Glauben Sie, dass man die Angst vor dem Fremden nur verliert, wenn man es kennenlernt?
Jörg Widmoser: Viele Leute haben aus einem einfachen Grund Angst vor fremdem. Sie kennen es nicht. Wenn sie dann im „Ausland“ sind, denken sie schnell ganz anders darüber, weil sie gemerkt haben, dass die Menschen dann doch sehr nett sind. Früher sind die Leute immer nach Italien gefahren und fanden die Italiener sehr nett. Heute fahren sie ein bisschen weiter (lacht). Das hilft schon, die Angst vor dem Fremden zu verlieren.
Kommt Ihnen Ihr Beruf da nicht auch etwas entgegen?
Widmoser: Ich bin Musiker. Man muss nicht die andere Sprache sprechen und kann trotzdem zusammen Musik machen. Man tauscht sich auf einer ganz anderen Ebene aus.
Würden Sie AfD-Wählern dann raten, Ihr Konzert zu besuchen?
Widmoser: Eine schwierige Frage. Ich würde es ihnen nicht raten, weil ich einfach fürchte, dass das nicht klappt. Wenn jemand ein gewisses Gedankengut hat, dann ist er nicht offen, dann will er eigentlich gar nichts lernen. Aber: Für mich ist jemand, der AfD wählt, nicht per sé schlecht. Es gibt unter den AfD-Wählern viele, die nicht so verbohrt sind. Musik könnte sie auf einen offeneren Weg bringen.
Was sagt es über Vielfalt unterschiedlichster Kulturen in Deutschland aus, wenn sich fünf Musiker mit so vielen Hintergründen finden können?
Widmoser: Unsere Band ist ja gerade der Beweis dafür, dass man sich mit unterschiedlichen Herkünften auf einer gemeinsamen Ebene treffen kann. Bei uns ist das das Interesse an den verschiedenen Musikstilen der unterschiedlichsten Länder und es funktioniert.
Finden Sie, dass diese Vielfalt in der Öffentlichkeit gut genug repräsentiert ist?
Widmoser: Nein, die Kulturvielfalt ist extrem einseitig. Beispiel Radio: Dort läuft auf verschiedenen Sendern fast ausschließlich das gleiche.
Top 40, halt.
Widmoser: Genau. Das ist, was die Leute hören, was sie mitbekommen. Musik weicht, zumindest bei den großen Sendern, nicht vom Mainstream ab. Die Musikkultur anderer Länder wird auf Klassiksender abgeschoben, das ist aber nur ein ganz schmaler Bereich. Allein in Europa gibt es so irrsinnig viel spannende Musik, die die Leute überhaupt noch nie gehört haben.
Ihre Band, „Radio Europa“, spielt mit den gleichen Instrumenten unterschiedlichste Volksmusik-Stile. Kann man dieses feste Instrumentarium als Metapher für das Zusammenleben in Europa begreifen?
Widmoser: In gewisser Weise, ja. Wir haben unsere Instrumente so gewählt, weil sie europaweit beliebt sind. Das Akkordeon, die Geige und die Gitarre sowieso. Unsere Spezialität ist es, diese unterschiedlichen Stile so hinzukriegen, dass die selben Instrumente mal bulgarisch und mal jiddisch klingen.
Zu Volksmusik gehört auch immer das Gefühl, wie zum Beispiel eine spanische Leichtigkeit. Wie schwer ist es, sich jedes Stück aufs Neue in komplett unterschiedliche Stile einfühlen zu müssen?
Widmoser: Das ist harte Arbeit. Ein bulgarischer Geiger spielt komplett anders als ein deutscher und klassisch geschulter. Wenn man beiden die selben Noten geben würde, klänge das komplett anders.
Wie gehen Sie an ein Stück aus einer neuen Kultur ran?
Widmoser: Der direkte Weg ist der allerbeste. Man trifft Musiker und findet so direkt Inspiration. Ich schaue mir dann ein bisschen was ab und versuche den „Geist“ zu fassen, der in der Musik steckt.
Irgendwann, so heißt es zumindest, muss ein Musiker sich auf einen Stil festlegen, um groß zu werden.
Widmoser: Ein normaler klassischer Geiger spielt halt einen Stil sein ganzes Leben. Der hört immer klassische Musik, spielt immer klassische Musik und arbeitet sich da voll rein.
Und Ihnen wäre das zu langweilig?
Widmoser: Klassik ist nur ein Teil, eine Seite der Musikkultur. Und nur eine Seite: Das ist nicht mein Weg.