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LANGENPROZELTEN/OBERSINN: Tagelöhnerhaus und Dorfgericht: Gasthaus Engel und Blaue Villa

LANGENPROZELTEN/OBERSINN

Tagelöhnerhaus und Dorfgericht: Gasthaus Engel und Blaue Villa

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    Im Keller: Helga Hartmann (links) erklärt die Bedeutung des Gewölbekellers für das Gasthaus Engel.
    Im Keller: Helga Hartmann (links) erklärt die Bedeutung des Gewölbekellers für das Gasthaus Engel. Foto: Fotos (3): Ferdinand Heilgenthal

    Ein Dutzend Besucher tauchte am Tag des offenen Denkmals in die Welt der Flößer, Treidelknechte und Schiffer ein, die früher im Langenprozeltener Gasthaus Engel einkehrten, in dem auch das Dorfgericht tagte. Besitzerin Helga Hartmann, Tochter der 2006 verstorbenen, bekannten fränkischen Schriftstellerin und Engel-Wirtin Anneliese Lussert, erklärte die Besonderheiten des Hauses, das heute als Kleinkunstbühne Spessartgrotte ebenfalls bekannt ist.

    Der Engel ist das älteste Wirtshaus in Langenprozelten, sein Ursprung, geht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Es war Gerichtsort, bis ins 19. Jahrhundert das einzige Gasthaus der Gemeinde und als „Bannschenke“ gegen Konkurrenz geschützt. Schon während der Wartezeit vor dem Haus tauschten die überwiegend heimischen Besucher Geschichten aus, die mit dem Gasthaus zusammenhängen. Dann ging es über die breite Sandsteintreppe in den Gewölbekeller, dessen Torbogen die Jahreszahl 1757 trägt. Die massiven Sandsteinplatten als Bodenbelag, die sich wie das grobe Sandsteinpflaster auf dem großen Areal mit Scheune, Stallungen und Garten immer wieder finden, bezeugen die besondere Stellung der Schenke.

    Lager für Mostfässer

    Im Keller mit den meterdicken Außenmauern fallen die an den Wänden parallel verlaufenden Sandsteinlager auf, die früher die Wein- und Mostfässer trugen. Rätselraten über die Funktion der daran befestigten Eisenringe. Nachdem der tief liegende Keller als Stall nicht infrage kam, muss es sich um Halterungen handeln, mit denen bei Hochwasser die Fässer mit Ketten vor dem Auftrieb gesichert wurden, waren sich die heimatkundlich bewanderten Teilnehmer einig. Die heute nicht mehr benutzte kleine Treppe zur Küche unterstrich, dass früher „der Bartel den Most im Keller holte.“

    Weitere Schätze zeigte Hartmann im Hof hinter dem Haus. Dort befand sich der jetzt zugeschüttete öffentliche Brunnen, daneben die Fachwerkscheune mit der Tenne aus gestampftem Lehm. Über einem Türsturz zum Stall nebenan prangt die Jahreszahl 1869; der große Garten hinter dem Haus lieferte – wie Stall und Bäckerei mit Lagerräumen – die Lebensmittel für den Gastbetrieb. Einige Besucher erinnerten sich an die „guten Zuckerweck“, die es bis in die 50er Jahre beim Engel gab.

    Auf dem Rückweg stellte die Hausherrin den auf einer Art Bastion halbkreisförmig vor dem Haus angelegten früheren Biergarten vor. Ihn säumen zwei Kastanienbäume, die als Bäumchen schon auf einer Postkarte von 1905 zu sehen sind. Das war der Ort, an dem bei schönem Wetter seit 1550 das Dorfgericht tagte und der Pranger stand, ist in der Hauschronik zu lesen. Im ersten Stock, der heute als Theatersaal genutzt wird, befand sich das Gerichtszimmer, wenn das Wetter nicht mitspielte. Nach dem Gang durch die rustikale Eingangstüre geht es auf der hölzernen Treppe mit abgenutzten Stufen nach oben in diesen Raum, der mit über 100 Jahre alten Holzdielen belegt ist.

    Auch weil das Bühnenbild des aktuellen Stücks „Landeier“ ein Wirtshaus darstellt, hatte Theaterleiterin Hartmann mit Theo Gündling und Michael Schäfer zwei Schauspieler eingeladen, die aus Lusserts Werk „Dem Main hinab und weiter bis in den tiefen Spessart“ lasen. Darin stellt sie auch den „Engel“ oder „Goldenen Engel“ vor und in unübertroffener Art historische und heimatbezogene Zusammenhänge dar.

    Wie nach den Gerichtsakten in den Einzelfällen geurteilt wurde, habe ihre Mutter im Staatsarchiv Würzburg recherchiert, berichtete Hartmann. Leider seien nicht mehr viele Dokumente erhalten, weil der Engel über die Jahrhunderte mehrmals gebrandschatzt worden sei, und viele Urkunden in den Archiven in den Kriegen vernichtet worden seien.

    Fest stehe, dass das Wirtshaus an einer strategisch bedeutenden Stelle lag, am Ende beziehungsweise am Anfang der Birkenhainer Landstraße und vor der Furt, später der Fähre, nach Hofstetten. Diese gewährleisteten die Verbindung zum Waldsassengau und der Fränkischen Platte. Zudem lag der Engel unmittelbar am Mainufer, das heute wesentlich weiter in Richtung Fluss zu finden ist.

    Haus aus dem 19. Jahrhundert

    Zum ersten Mal stellte Obersinn am Tag des offenen Denkmals die 2010/2011 renovierte Blaue Villa der Öffentlichkeit vor. Das Türgewände zum Keller, der von der Straßenseite her zugänglich ist, trägt einen sorgfältig behauenen Türsturz mit der Jahreszahl 1749. Dieser Inschrift ist es zu verdanken, dass das Gebäude in die Denkmalliste Bayern eingetragen wurde, unterstrich Bürgermeisterin Lioba Zieres bei den Führungen den rund 20 interessierten Besuchern aus der Region.

    Auf einem Sockel steht das Obergeschoss aus einfachem Fachwerk aus mit Lehmflechtwerk geschlossenen Gefachen. Die Westseite des Hauses ist verschindelt, die restlichen Außenwände sind verputzt und blau gestrichen. Die Farbe trägt dem seit dem 19. Jahrhundert üblichen Namen Blaue Villa seit der Renovierung optisch Rechnung. Das Tagelöhnerhäuschen bestand aus zwei Räumen, erklärte Zieres. Im Eingangsbereich war die Küche und der zweite Raum war Stube und Schlafstätte. Laut Denkmalbehörde sind Ausführung und Raumaufteilung sehr reduziert und der untersten dörflichen Sozialschicht, einem Tagelöhner zuzuordnen. Der Bau stammt aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; der Türsturz von 1749 ist wohl von einem anderen Bau.

    Nach Ansicht der Denkmalschützer besitzt das Haus weniger einen bauhistorischen, sondern mehr sozialgeschichtlichen Wert. Sie ist ein Beispiel für das Bauen der dörflichen Unterschicht und als Zeitzeugnis unbedingt erhaltenswert. Aus diesem Grund hat die Kommune nach dem Tod der letzten Bewohnerin, Katharina Weismantel, das Gebäude in den 1990er Jahren erworben. 1993 war der Abbruch des baufälligen Gebäudes schon beschlossen.

    Heute gehört das Tagelöhnerhaus, das zusammen mit der benachbarten Alten Schusterei mit Mitteln des Konjunkturpakets II saniert wurde, zum neu gestalteten Dorfplatz. Heute hat es nur noch einen Raum, der zur Vorbereitung von Broten und Kuchen dient, die im angrenzenden Holzbackofen gebacken werden – wie am Denkmaltag für die Besucher.

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