Spielte sich der Erste Weltkrieg noch außerhalb der Reichsgrenzen ab, so war im Zweiten Weltkrieg durch die Luftangriffe die Zivilbevölkerung unmittelbar in das Kriegsgeschehen einbezogen, noch bevor gegnerische Truppen auf deutschem Boden standen. Mit dem Luftkrieg über Unterfranken befasste sich am Dienstag in einer Veranstaltung des Geschichts- und Museumsvereins und der Volkshochschule Dr. Hans Peter Baum, Privatdozent an der Würzburger Universität und Mitarbeiter im Staatsarchiv Würzburg. Das Interesse war groß. Die Bestuhlung im Rathaussaal musste erweitert werden.
Beim Stichwort „Luftkrieg“ denkt man in Unterfranken spontan an die schweren Bombardierungen von Schweinfurt, Aschaffenburg und Würzburg. Soldaten auf Heimaturlaub empfanden das Leben in diesen Städten als schlimmer als den Krieg an der Front. Nacht für Nacht musste man damit rechnen von den Luftschutzsirenen aus dem Schlaf gerissen zu werden. Auf dem Land hingegen waren die Tiefflieger, die ohne Vorwarnung auftauchten und auf alles schossen, was sich als Ziel bot, der Schrecken der Bevölkerung. Ihnen fielen in Lohr erheblich mehr Menschen zum Opfer, als den nur vereinzelt fallenden Bomben.
Bombardierung nach Mitte 1942
Bis Mitte 1942 blieb Unterfranken von Bombardements weitgehend verschont. Dass Schweinfurt am 17. August 1943 als erste Stadt massiv angegriffen wurde, lag an der kriegswichtigen Wälzlagerindustrie. Trotz mehrfacher Angriffe auf die Industrieanlagen gelang es den Alliierten nicht, die Produktion in dem beabsichtigten Umfang auszuschalten. Schweinfurt wurde insgesamt 16-mal angegriffen. Die Verluste an Zivilisten und Wohnraum waren enorm.
In Aschaffenburg galten die Luftangriffe in erster Linie einem Panzerreparaturwerk und dem Verschiebebahnhof. Auf die Stadt wurde im Januar 1945 der größte Luftangriff des Krieges mit 327 Bombern geflogen.
Hohe Verluste erlitten bei diesen Einsätzen nicht nur die Deutschen. Durch Jagdflieger der Wehrmacht und durch Flugabwehrkanonen (Flak), deren Stellungen vor allem rund um Schweinfurt massiert waren, wurden zahlreiche Maschinen abgeschossen.
Dass auch gegen Ende des Krieges, als die Alliierten bereits weit vorgedrungen waren, die Bombenangriffe nicht nachließen, dazu trug auch die nationalsozialistische Propaganda bei. Den dort immer wieder angekündigten baldigen Einsatz der angeblichen „Wunderwaffen“ wollten die Gegner unter allen Umständen verhindern.
Den traurigen Höhepunkt des Luftkrieges über Unterfranken bildete am Abend des 16. März 1945 der britische Bombenangriff auf Würzburg. 320 000 Bomben fielen; die Innenstadt wurde nahezu völlig zerstört. Die Zahl der Getöteten ist auch heute noch nicht bekannt; sie wird auf rund 4000 geschätzt.
Zahlreiche Bauwerke von Weltrang, darunter der Dom, die Residenz und die Hofkirche wurden schwer beschädigt. Das war allerdings nicht, wie oft behauptet wird, der einzige Luftangriff auf Würzburg. Es gab insgesamt elf.
60 Angriffe auf Lohr
Gut dokumentiert sind die Luftangriffe im Bereich des Landkreises Lohr. Sachbearbeiter für den Luftschutz waren hier Gendarmerie-Oberleutnant Karl Erbacher und beim Landratsamt Regierungs-Oberinspektor Emil Diel. Ernst Kogler hat später aus ihren Berichten eine Aufstellung gefertigt. Sie liegt im Stadtarchiv und registriert rund 60 Luftangriffe. Sie beginnt am 3. September 1940 mit einem Bombenabwurf auf freiem Feld bei Waldzell (wohl einem Fehlabwurf).
Immer wieder flogen Tiefflieger Angriffe auf Züge und Bahnanlagen. Dabei kam es zu zahlreichen Toten und Verletzten, die meisten waren Reisende, die nicht aus Lohr und Umgebung stammten. Zu den schwersten Angriffen gehörten mehrere am 25. März 1945, die vor allem der Eisenbahnbrücke in Sackenbach galten; dabei wurde der Ortskern von Sackenbach völlig zerstört. Acht Menschen kamen ums Leben.
Der letzte Luftangriff im Raum Lohr fand am 27. März 1945 statt. Er galt wohl der Staustufe Steinbach, die aber unbeschädigt blieb. 31 Sprengbomben kleineren Kalibers wurden abgeworfen, von denen 25 explodierten. Es entstanden keine Personenschäden. Im Schloss kam es zu Fenster- und Dachschäden, hervorgerufen durch Bordwaffenbeschuss, zugleich mit den Bombenabwürfen. Abgebrannt ist das Steinbacher Schloss erst am 3. April 1945, als die Amerikaner Lohr eingenommen hatten und Ort um Ort besetzten.