Auf den Tag genau vor 20 Jahren, am 11. Mai 1990, riss der Absturz eines Transall-Transportflugzeuges der Bundeswehr bei Rodenbach zehn Menschen in den Tod. Mittlerweile ist über die Absturzstelle wieder Wald gewachsen. Im Gedächtnis der Angehörigen haftet die Erinnerung an den Unglückstag aber bis heute. Etliche von ihnen werden am Jahrestag des Unglücks wieder an die durch ein eisernes Kreuz markierte Absturzstelle kommen, um der Opfer zu gedenken.
Die Erinnerung an die Bilder von damals hat sich auch in das Gedächtnis der Helfer eingebrannt. Im Gespräch mit der Main-Post erinnerten sich einige der Feuerwehrleute, die damals als erste am Unglücksort waren, an die Stunden, in denen zunächst Flammen gelöscht und danach teils furchtbar entstellte Leichen geborgen werden mussten.
Artur Väth saß in einem der ersten Feuerwehrfahrzeuge, das an der Unglücksstelle ankam. Der damals 32-Jährige erinnert sich, dass zunächst vom Absturz eines Kleinflugzeugs die Rede gewesen sei. Am Unglücksort angekommen habe sich jedoch schnell das Ausmaß der Tragödie offenbart. Die Feuerwehrleute standen vor einem regelrechten Trümmerfeld.
Das Löschen der vom verbrennenden Kerosin herrührenden Flammen sei „ein Himmelfahrtskommando gewesen“, schildert Väth die Gefühlslage der Feuerwehrleute. Schließlich habe zu diesem Zeitpunkt niemand gewusst, ob sich in der Transall Munition oder sonstige gefährliche Stoffe befanden. Man habe beim Löschen hinter Bäumen Deckung gesucht.
Väth erinnert sich noch genau an das Bild, das sich bot, als das Feuer unter Kontrolle unter der Rauch verflogen war: „Ein Rotor war wie ein Schraubendreher in den Waldboden gedreht. Eine Hälfte des Rumpfes ragte in die Höhe.“
Für Walter Völker war der Transall-Absturz der erste Einsatz als frisch gewählter Kommandant der Rodenbacher Feuerwehr. Er erinnert sich daran, dass der Waldboden an der Absturzstelle „wie gefegt“ war. Kein Laub sei zu sehen gewesen. Alles verbrannt oder von der Explosion weggeblasen. „Sämtliche Bäume waren an einer Seite angekohlt“, erzählt Völker.
Doch erst nach dem Löschen des Brandes begann für die Feuerwehrleute die wirklich schwere Arbeit: das Bergen der Leichen. Joachim Mantel, heute Kommandant der Lohrer Feuerwehr und damals ebenfalls in Rodenbach im Einsatz, spricht vom „Heftigsten“, was er in jahrzehntelangem Feuerwehrdienst erlebt hat. Zehn Särge seien aufgestellt worden. In die hätten die Feuerwehrleute die Leichen „sortiert“.
Väth, damals wie heute hauptamtlicher Gerätewart der Lohrer Feuerwehr, kriegt beim Gedanken an die Leichenbergung „heute noch Gänsehaut“. Feuerwehrmann Georg Schmitt hat diese Erinnerung: „Es wurde nicht viel gesprochen, jeder war geschockt.“
Erst eine ganze Zeit nach der Feuerwehr trafen die ersten Bundeswehrkräfte ein. Zwei Bundeswehrhubschrauber waren auf der Lichtung am Margarethenhof gelandet. Georg Schmitt erinnert sich noch an ein Bild, das er als erschreckend empfand: Soldaten, die am Rande der Absturzstelle Patronengurte befüllten, um danach das Wrack zu bewachen.
Auch Schaulistige und Medienvertreter fanden bald den Weg zum Ort des Absturzes. Rodenbachs Feuerwehrkommandant Völker ist vor allem eine Fernsehreporterin in negativer Erinnerung geblieben. Diese habe die bereits mit der Leichenbergung befassten Feuerwehrleute dazu aufgefordert, für die Kameras doch noch einmal die Löscharbeiten aufzunehmen. Erst als er der Frau angeboten habe, doch selbst einen Löschschlauch in die Hand zu nehmen und sich dabei filmen zu lassen, habe die Reporterin abgelassen.
Auch Angehörige der Opfer kamen noch am Tag des Absturzes an die Unglücksstelle. Joachim Mantel erinnert sich an einen „gefasst wirkenden“ Mann, der zum Wrack gehen wollte. Dies sei ihm jedoch verwährt worden. Ob das sinnvoll oder nicht war, darüber gehen laut Mantel bis heute die Meinungen auseinander.
„Da haben sich einige Nächte lang die Rädchen gedreht“
Walter Völker, Kommandant der Rodenbacher Feuerwehr
Sämtlichen Einsatzkräften am Ort bescherte das Unglück schwer zu verarbeitende Eindrücke: „Es war alles so endgültig. Es war furchtbar“, erinnert sich Georg Schmitt, damals 26 Jahre alt, an seine Gefühlslage. Eine psychologische Nachbetreuung gab es 1990 nicht. „Das wäre sicher nötig gewesen“, sagt Bernd Brönner, der bei der Lohrer Feuerwehr heute für die posttraumatische Betreuung von Rettern zuständig ist.
Damals jedoch musste jeder mit seinen Eindrücken alleine fertig werden. „Da haben sich einige Nächte lang die Rädchen gedreht“, schildert Rodenbachs Kommandant Walter Völker die schlaflose Aufarbeitung der Erlebnisse und sagt: „Das ist an niemandem spurlos vorüber gegangen.“
Ein Jahr nach dem Unglück kamen die Emotionen noch einmal hoch. Zum ersten Jahrestag des Absturzes hatte die Rodenbacher Feuerwehr die Angehörigen der Opfer eingeladen, um ein Gedenkkreuz zu errichten. Kommandant Walter Völker erinnert sich an „Dramen, die sich dabei abgespielt haben“. Für etliche Angehörige sei es der erste Besuch an der Unglücksstelle gewesen. In den Folgejahren kehrten etliche von ihnen immer wieder zurück.
Heute wachsen an der Absturzstelle Eichen, die der städtische Revierleiter Herbert Schmitt etwa ein Jahr nach dem Unglück dort hat pflanzen lassen. Dass aus dem Krater, der durch das Abtragen des kerosinverseuchten Bodens entstanden war, keine Erdaushubdeponie wurde, ist vor allem dem Einsatz des mittlerweile pensionierten Försters zu verdanken.
Das riesige Loch wurde schließlich mit Erdreich verfüllt, das beim damaligen Bau der Schnellbahntrasse Würzburg-Fulda anfiel. Heute erinnert im Wald bei Rodenbach nur noch das von den Helfern der Feuerwehr errichtete Kreuz an jenen Unglückstag, an dem im Mai 1990 zehn Menschen ihr Leben ließen.
Der Einsatz der Helfer an der Unglücksstelle blieb bei der Bundeswehr nicht unbemerkt. Knapp drei Wochen nach dem Unglück schrieb der Kommodore des Lufttransportgeschwaders Wunstorf, Reinhart Hoppe, an Stadtförster Herbert Schmitt: „Am 11. Mai 1990 hat mein Geschwader bei Lohr einen tragischen Flugunfall hinnehmen müssen, bei dem zehn unserer Kameraden den Tod fanden. Wie ich selbst an dem traurigen Ort des Geschehens zur Kenntnis nehmen musste, waren die Bergungsarbeiten außerordentlich aufwendig und schwierig. Für die uns von Ihnen und Ihren Herren geleistete Unterstützung bin ich Ihnen zu tiefstem Dank verpflichtet.“
Transall-Zwischenfälle
Die Transall ist ein propellerturbinengetriebenes militärisches Transportflugzeug. Bei der Bundesluftwaffe ist dieser Flugzeugtyp seit 1968 im Einsatz (der Prototyp stieg 1963 erstmals in die Luft). Seit Inbetriebnahme der Transall gab es sechs Zwischenfälle – darunter drei Abstürze mit Transall-Maschinen.
• 9. Februar 1975, Kreta, Griechenland, 42 Tote (Bundeswehr-Maschine, Absturz).
• 11. Mai 1990, Lohr, Deutschland, 10 Tote (Bundeswehr-Maschine, Absturz).
• 20. Oktober 1995, Ponta Delgada, Portugal, 7 Tote (Bundeswehr-Maschine, Absturz).
• 15. Juni 2001, Sentani, Indonesien, 1 Toter, 15 Überlebende (Maschine der Manunggal Air, nach Triebwerksproblemen im Landeanflug Zaun gerammt).
• 6. März 2008: Wamena, Indonesien, keine Toten oder Verletzten (nach der Landung ging die Maschine der Manuggal Air in Flammen auf und brannte vollständig aus).
• 22. September 2008, Frielendorf, Deutschland, keine Toten oder Verletzten (nach einer Baumberührung ist die Bundeswehr-Maschine schwer beschädigt, kann aber sicher landen).