In den 80er Jahren war die alte Ölmühle in Laudenbach ein Schandfleck des Dorfs; zugewuchert, halb-verfallen. Das Haus sollte der Erweiterung der Ortsdurchfahrt zum Opfer fallen. Doch Horst Wittstadt, freischaffender Künstler im Bereich Denkmalpflege, gebürtiger Karlstadter und gerade mal Anfang 20, hatte es sich in den Kopf gesetzt, dieses Haus zu retten. Bei der Unteren Denkmalschutzbehörde des Bezirks stieß er mit seinem Anliegen zwar auf offene Ohren, dennoch schien das Schicksal der Mühlecke besiegelt. Die Stadt Karlstadt hatte das Anwesen bereits gekauft und den Straßenausbau geplant. Der damalige Bauamtsleiter Karl-Heinz Keller drängte auf den Abriss.
Heute ist Bürgermeister Karl-Heinz Keller froh, dass ihm der junge Horst Wittstadt Widerstand leistete. Die Mühlecke und die Mikwe, das ehemalige jüdische Ritualbad auf dem Grundstück, wurden unter Denkmalschutz gestellt. "Bei dem damaligen politischen Streit habe ich mich in die Mühlecke verliebt", sagt Horst Wittstadt fast 20 Jahre danach bei strahlendem Sonnenschein im Garten seines Anwesens sitzend. Doch seine Liebe wurde zunächst nicht belohnt.
Die Stadt ließ das Haus zehn weitere Jahre vergammeln. Erst 1996 wurde die Mühlecke auf eine mögliche Sanierung hin untersucht und im Jahr darauf in einer Ausschreibung verkauft. Wittstadt erhielt für 30 000 Mark den Zuschlag. Und bürdete sich eine Arbeit auf, deren Ausmaße er nicht abschätzen konnte und die heute noch nicht beendet ist. Doch mittlerweile hatte er Unterstützung bekommen. Bei der Planung der Sanierung lernte Wittstadt die Ingenieurin für Architektur Tina Käser kennen, seine heutige Ehefrau.
Mit Liebe und Leidenschaft
"Mit Liebe und Leidenschaft" füreinander und die Mühlecke machten sich die beiden daran, das Haus von Grund auf zu sanieren. "Das Hauptproblem war zunächst die Statik des Hauses. Es war stark einsturzgefährdet", erinnert sich Tina Käser-Wittstadt. Mit Fortschreiten der Sanierung wurden ständig neue Schäden entdeckt. "Wir haben die Kosten deutlich niedriger geschätzt, auf etwa zwei Drittel des tatsächlichen Aufwands", gibt Wittstadt zu.
Doch mit finanzieller Unterstützung durch den Bezirk, enormer Eigenleistung und Liebe zum Detail haben die Wittstadts das Haus wieder bewohnbar gemacht. "Das Haus war unser Lebensinhalt und unsere einzige Freizeitbeschäftigung", verrät Tina Käser-Wittstadt. Die Eheleute legen Wert auf eine möglichst originalgetreue Herrichtung des Hauses. Zwar gibt es mittlerweile Wand- und Fußbodenheizung, doch sämtliche im Haus und an der Fassade verwendeten Farben und Putze sind selbst hergestellt - aus natürlichen Stoffen. "Wir verwenden Farben aus Ruß, Quark und Kalk, unser Putz ist reiner Kalk mit Naturhaar. Das sind zum Großteil die Baustoffe, die 1713 bei der Erbauung des Hauses verwendet wurden", sagt Wittstadt.
Nicht immer funktioniert das ohne Probleme. "Wir hatten zunächst mal eine Stelle der Fassade mit unserer Kalk-Kasein-Farbe gestrichen und mit Wasserhochdruck auf Belastbarkeit getestet. Das hielt wunderbar zwei, drei Jahre lang. Dann strichen wir im Sommer das gesamte Haus mit dieser Farbe und beim nächsten heftigen Regenguss wurde alles einfach abgewaschen", erzählt Wittstadt. "Ein Restaurator empfahl uns dann Ölfarben. Die stellten wir erst selbst her, bevor wir alles noch einmal streichen mussten. Aber die Fassade hat jetzt schon zwei Winter unbeschadet überstanden."
Von solchen Missgeschicken und Phasen, in denen er ans Aufgeben dachte, erzählt der heute 39-jährige Horst Wittstadt mit einem Lächeln im Gesicht und Begeisterung in der Stimme. "Im Nachhinein macht das einen Riesenspaß. Es ist einfach ein tolles Gefühl, wenn man sieht, was man alles selbst machen kann."
Einzug an Silvester
Nach der Geburt der ersten Tochter Veronika Anfang 2000 gingen die Arbeiten zunächst langsamer voran. Doch am 31. Dezember 2001 zog Familie Wittstadt in die Mühlecke ein - in eine Baustelle. Zwar sind das obere Stockwerk und das Dachgeschoss mittlerweile ausgebaut, doch das Erdgeschoss ist noch nicht bewohnbar. "Da kommt unsere große Wohnküche hinein", freut sich der Eigentümer.
Und obwohl die Verhältnisse beengt sind und das Kochen in der provisorischen Küche unterm Dachstuhl keine Ideallösung ist - die Wittstadts genießen ihr Leben. "Es ist ganz toll", findet Horst Wittstadt und seine Frau ergänzt: "Unser Garten, durch den ein Bach fließt, ist für die Kinder wunderschön im Sommer." Dazu gluckst die dreijährige Veronika fröhlich und die sechs Monate alte Marie schläft in der Hängematte.
Mit 50 000 Euro ist der Förderpreis des Bezirks dotiert. Davon soll noch in diesem Jahr die Fassade komplett fertig werden. "Das Haus soll erst mal von außen preiswürdig ausschauen", schmunzelt Wittstadt. Noch zwei, drei Jahre werden die Wittstadts zu tun haben, bis das Haus komplett fertig ist, schätzen sie. "Danach kümmern wir uns um ein restaurierungs-würdiges Haus in Müdesheim oder ein weiteres in Laudenbach", verrät Horst Wittstadt, denn: "Es ist uns schon klar, dass wir einen kleinen Schuss haben."
Umso mehr freut sich die Familie über die Auszeichnung durch den Bezirk. Mit einem Grinsen meint Wittstadt: "Es ist schön, dass der Bezirk unsere Arbeit würdigt. Wir werden weiter werkeln."