Das unterfränkische Dialektinstitut an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ist das einzige Zentrum für Dialektforschung in der Region. Es steht unter Leitung des emeritierten Professors für Sprachwissenschaft Norbert Richard Wolf. Dieser machte sich mit seiner Mitarbeiterin Monika Fritz-Scheuplein bei einem Vortragsabend des Würzburger Universitätsbunds bei der Volkshochschule Marktheidenfeld am Dienstagabend daran, die unterfränkische Dialekt-Landschaft darzustellen und den Gebrauch der Mundart in der Heimatdichtung zu hinterfragen.
Mit den heiter anmutenden Kürzeln SUF, KUSS, JuSUF und WUF bezeichnen die Dialektologen ihre wichtigsten Veröffentlichungen, den sechsbändigen Sprachatlas von Unterfranken, den kleinen unterfränkischen Sprachatlas, den jungen Sprachatlas von Unterfranken und das Wörterbuch von Unterfranken. Von 1991 bis 1996 hat man in 182 unterfränkischen Orten darunter auch in Marktheidenfeld, Zimmern, Rothenfels, Birkenfeld oder Esselbach, den Dialekt älterer Menschen dokumentiert.
Wie Monika Fritz-Scheuplein feststellte, hat sich dabei der Eindruck bestätigt, dass im Grunde von Ortschaft zu Ortschaft der Dialekt variiert. Als „unterfränkischen Spaghetti-Salat“ kennzeichnete die Forscherin deshalb auch jene Karte, in die man versuchte, sämtliche Differenzierungen örtlich einzugrenzen.
Was Unterfranken aber zu einem einzigartigen bayerischen Regierungsbezirk in Sachen Dialektforschung macht, ist die so genannte Germersheimer Linie. Diese Sprachgrenze zwischen dem Mitteldeutschen (Hessischen, Thüringischen) und dem Oberdeutschen (Fränkischen) in der Variante der Appel-Apfel-Linie verläuft mitten durch Unterfranken, gar nicht weit von Marktheidenfeld. Kartierungen der entsprechenden Lautung, des Wortschatzes und der Formenbildung machten diese grob nordwestliche/südöstliche Teilung des Regierungsbezirks deutlich.
Wo heißt es Appel oder Apfel, Pfanne oder Panne, Strumpf oder Strump? Wo gibt's es Kees, Käas, Kaas oder gar Keas? Wer verkleinert das Rad zum Rädsche, zum Reedle, Rädle, Raadla oder Radl. Wo kann man helf‘, half‘ oder gehelf‘ und gehalf‘. Wo nennt man den Paten Petter oder Tote, Toud etc.? Wo wird gepfetzt, gepetzt oder gezwickt, manchmal sogar gekniffen? Wo heißt der Quark Käse, Kees, Kaas oder Matte, manchmal sogar nordbadisch Klumpen. An all diesen Beispielen belegte Fritz-Scheuplein die Spaltung des unterfränkischen Sprachraums.
Professor Norbert Richard Wolf nahm sich ein völlig anderes Kapitel aus seinem Forschungsgebiet vor mit der Frage „Was kann, soll und darf Mundartdichtung?“. Dialekt vermittle Geborgenheit, und Vertrautheit, eine gewisse konservative Atmosphäre und Gediegenheit.
Wolf hatte Beispiele aus der Feder der früheren Bürgermeister von Kirchlauter Peter Kirchner und des Gerolzhofener Autors Hans Freitag zur Hand mit ihren Gedanken zur Hoamat, Heemet oder zu Gott und der Welt. Schnell entlarvte dies der aus Salzburg stammende Sprachforscher als ein wenig kitschig-heimattümelnd.
Über den modernen Begriff „Smalltalk“ führte Wolf zu einer authentischen, lebendigen Mundartdichtung, für die er die Autoren Wilhelm Wolpert aus Haßfurt, den Bamberger Gerhard Krischker oder Fitzgerald Kusz aus Nürnberg als Beispiele heranzog. Dialekt werde im privaten Umfeld gesprochen, da gehe es um die kleine, nette Geschichte, um die Pointe. Gerade dichterische Kurzformen seien gut dialekttauglich.
Am Ende streifte Wolf noch ein düsteres Kapitel der Mundartdichtung und ihres Missbrauchs. Er wies auf das Werk des 1881 in Wiesentheid geborenen Schriftstellers Nikolaus Fey hin. Dieser war seit 1918 in Lohr wohnhaft und in der NS-Zeit zum Reichsschriftumsbeauftragten aufgestiegen. In seinem 1941 in Würzburg erschienen Band „Heemet, dei Harz“ geriet das Gedicht „Es muass sei“ teilweise nur wenig dialektgerecht zur Transkription Goebbels‘scher Kriegsrhetorik in die unterfränkische Bauernsprache. Kritisch merkte Wolf an, ob man heute solchen Menschen noch öffentliche Straßen und Plätze widmen solle?
Zusammenfassend schoss der Sprachwissenschaftler sich Bert Brecht an, der dem Volk auf‘s Maul schaute, aber nicht nach dem Mund redete und zu dem Schluss kam, dass „das Volk nie tümlich sei“.