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HOHENROTH/GEMÜNDEN: Verena Bentele in Hohenroth: Behinderung als Bereicherung sehen

HOHENROTH/GEMÜNDEN

Verena Bentele in Hohenroth: Behinderung als Bereicherung sehen

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    Keine Berührungsängste:  Verena Bentele probierte den großen Teppichwebstuhl der Dorfgemeinschaft Hohenroth aus.
    Keine Berührungsängste: Verena Bentele probierte den großen Teppichwebstuhl der Dorfgemeinschaft Hohenroth aus. Foto: Foto: Herbert Hausmann

    „Hallo, ich bin die Verena.“ Berührungsängste ließ Verena Bentele, die neue Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, bei ihrem Besuch in der SOS-Dorfgemeinschaft nicht aufkommen. Sie nutzte die Stippvisite in Deutschlands ältester Einrichtung für Menschen mit Behinderung in der Trägerschaft der SOS-Kinderdörfer, um sich über die Lebens- und Arbeitsbedingungen zu informieren.

    „Ich möchte mit euch reden, was eure Arbeit hier angeht“, so die einstige zwölffache Paralympics-Siegerin im Biathlon in ihrer Gesprächsrunde mit dem Heimrat und Dorfleiterin Margret Grottenthaler. „Der Beirat trifft sich alle zwei Monate zu einer Sitzung und bespricht wichtige Punkte mit der Dorfleitung“, berichtete die Vorsitzende des Heimbeirates, Heidi Kochanek.

    Gelebte Demokratie

    Auf diese Weise setzten die betreuten Bewohner durch, dass der Fußweg von Hohenroth zum Talhof in Schaippach mit Straßenlampen besser ausgeleuchtet werden soll. Zusammen mit ihrem Stellvertreter, Michael Mrosek, hofft sie auf eine baldige Umsetzung. „Bis Oktober“, so der Wunsch der Bewohner, soll das Projekt gemeinsam mit der Stadt Gemünden umgesetzt werden.

    Zu „brennenden Fragen“ organisiert der Heimbeirat Umfragen unter den 160 Betreuten. Die Ergebnisse sollen helfen, gemeinsam mit der Dorfleitung entsprechende Verbesserungen herbeizuführen. Dieses demokratische Instrument funktioniert nach den Worten von Margret Grottenthaler in Hohenroth sehr gut. Auch durch Anregungen aus dem Heimbeirat heraus ist es nach ihren Worten gelungen, auch in den Köpfen der Menschen eine Barrierefreiheit zu bekommen.

    Musterbeispiel von Inklusion

    „Behindert ist der, der behindert wird“, betonte Bundestagsabgeordneter Bernd Rützel, auf dessen Einladung Verena Bentele nach Gemünden gekommen war. Weiter erklärte Rützel, dass die SOS-Dorfgemeinschaft seit ihrer Gründung vor 35 Jahren, hervorragend in die Region integriert ist, im Leben der Menschen hier ihren festen Platz hat und nahezu als ein Musterbeispiel des Inklusionsgedankens angesehen werden kann.

    Ausgiebig ließ sich die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Menschen mit einer Behinderung den Alltagsablauf in der Dorfgemeinschaft sowie die Angebote für die Bewohner und die Bevölkerung erläutern. Besonderes Interesse zeigte sie an den stets am ersten Wochenende im Mai stattfindenden Kräutertagen sowie an dem hohen kulturellen Angebot. In diesem Zusammenhang schlug sie einen „Kulturauftritt in Berlin“ des 35-köpfigen Orchesters oder der Theatergruppe vor. Noch in diesem Jahr wird auf Einladung von Bernd Rützel eine zehnköpfige Gruppe von Menschen mit Behinderung aus Unterfranken bei einer besonderen Fahrt zum Besuch des Bundestages nach Berlin fahren.

    „Menschen mit einer Behinderung sind keine Behinderung in der Gesellschaft sondern eine Bereicherung“. Diese Feststellung von Sybille Brandt, der Landesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft behinderter Menschen in der Bayern-SPD, konnte Verena Bentele in vollem Umfang zustimmen. Brandt, die wie Verena Bentele auch blind ist, warb für ein Mehr an Zusammenleben von Menschen mit und ohne körperlicher oder geistiger Behinderung.

    Gemeinsam wollen sich alle Beteiligten verstärkt für einen barrierefreien Zugang am Bahnhof in Gemünden einsetzen. „Das muss früher gehen“, will Bernd Rützel nicht bis zum Jahr 2018 warten, bis der Bahnhof möglicherweise in ein Ausbauprogramm der Deutschen Bahn aufgenommen wird. Nahtlos, ohne behindernde Stufen, soll so bald wie möglich der Übergang vom Omnibus zu den Zügen möglich gemacht werden.

    Dabei erinnerten Bürgermeisterkandidatin Inge Albert und Barbara Ast, die Behindertenbeauftragte des Landkreises Main-Spessart, daran, dass die Bayerische Staatsregierung bis zum Jahr 2023 ein barrierefreies Bayernland schaffen will.

    Zusammen mit der Nahverkehrsgesellschaft (NVG) Main-Spessart und den Omnibusunternehmen im Landkreis will Barbara Ast in den kommenden Wochen erreichen, dass vermehrt Omnibusse mit besseren Einstiegsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung eingesetzt werden. Diese sollen dann auch in den Fahrplänen entsprechend gekennzeichnet sein.

    Verena Bentele

    Die 32-jährige gebürtige Lindauerin Verena Bentele ist von Geburt an blind. 1995 schaffte sie den Sprung in den nationalen deutschen Nachwuchskader für die Paralympics. Die Biathletin und Skilangläuferin war viermal Weltmeisterin und zwölfmal Paralympics-Siegerin. Fünf der zwölf Goldmedaillen gewann Bentele bei den Wettbewerben der 10. Paralympischen Winterspiele.

    Zum Bayerischen Behindertensportler des Jahres wurde Verena Bentele 2005 gewählt. 2006 war sie Sportler des Jahres des Deutschen Behindertensportverbands. Ferner wurde ihr der „Jetzt-erst-recht-Preis“ des Bayerischen Sportpreises 2005 verliehen.

    An der Uni München schloss Bentele 2011 ein Magisterstudium in den Fächern Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaften und Pädagogik mit „sehr gut“ ab.

    Botschafterin der Christoffel-Blindenmission ist Bentele seit 2008. Zudem ist sie Sportbotschafterin des internationalen paralympischen Komitees IPC.

    Im Januar 2014 wurde sie auf Vorschlag von Arbeitsministerin Andrea Nahles zur Behindertenbeauftragten der Bundesregierung ernannt. Bei den Kommunalwahlen am 16. März ist sie für die SPD in den Münchner Stadtrat gewählt worden. hn

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