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HAUSEN: Verlassene Orte ziehen ihn an

HAUSEN

Verlassene Orte ziehen ihn an

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    Der Hausener Patrick Höfling, 39, hat ein außergewöhnliches Hobby: Er fotografiert verlassene Orte, am liebsten alte Industrieanlagen. Wo Verfall herrscht, wo man aufpassen muss, wo man hintritt, damit man nicht über Gerümpel stolpert und in Scherben landet, und wo meist weit und breit keine Menschenseele zu finden ist, dort geht er hinein und zückt seine Kamera.

    Auf seinen Bildern sieht man viele kaputte Fenster, abblätternden Putz, herumliegende Paletten, ausgediente Maschinen, Schmutz, durch Löcher im Dach hereinscheinende Sonnenstrahlen. Der morbide Charme des Verfalls. Höfling verstärkt den Effekt noch dadurch, dass er gern schwarz-weiß fotografiert und ansonsten nur bestimmte Farben, etwa das Grün von Pflanzen, die solche Orte zurückerobern, zulässt.

    „Mich interessiert der Gegensatz zwischen geordneter Architektur und ungeordneter Natur“, sagt der 39-Jährige, der ursprünglich aus Sackenbach stammt. In der Gegend fänden sich aus seiner Sicht bedauerlicherweise wenige Industriebrachen – er vermutet, weil es uns wirtschaftlich so gut geht, dass es kaum größere Leerstände gibt und die Grundstücke schnell wieder bebaut werden. Als Beispiele aus der Gegend nennt er eine ehemalige Papier- und eine ehemalige Marmorfabrik.

    Noch schnell vor dem baldigen Abriss hat er kürzlich die ehemalige Brauerei Stumpf in Lohr fotografiert. 350 Bilder hat er bei einem ersten Besuch neulich gemacht, etwa vom Innenhof, vom Treppenhaus und von einem Bäumchen, das aus einer Wand wächst. Bei der Brauerei habe er jedoch ein anderes Gefühl gehabt, als an anderen Orten. Da er der ehemaligen Eigentümerin Daniela Stumpf versprochen hatte, ihr die Fotos zu überlassen, habe er im Hinterkopf gehabt, dass er dort etwas dokumentieren müsse. Dies sei eine interessante Erfahrung gewesen, aber er habe sich bei der Motivwahl nicht ganz so völlig frei gefühlt wie dies sonst der Fall ist.

    Verlassene Industriebauten findet er entweder selbst durch Luftaufnahmen im Internet – „du entwickelst mit der Zeit einen Blick dafür“ – oder durch Tipps von Gleichgesinnten. Allerdings sei der Kreis der Fotografen verlassener Orte recht eingeschworen und lohnende Objekte würden nicht jedermann verraten, damit keine Vandalen angelockt werden. Im Osten der Republik gebe es viel mehr verlassene Orte, etwa alte VEB- oder FDJ-Bauten.

    Er mag die Atmosphäre an solchen Orten, findet sie entspannend, sagt er. Er sei in solchen Gebäuden noch nie jemandem begegnet. Für den gelernten technischen Fachwirt, der bei einem Maschinenbauer in Hausen arbeitet, sind derlei abenteuerliche Exkursionen „ein schöner Ausbruch aus dem Alltag“.

    Dabei ist er keinesfalls ein Draufgänger, beteuert er, eher sogar ein vorsichtiger Typ. „Der erste Blick, wenn ich einen Raum betrete, gilt Boden und Decke.“ So checkt er, ob es sicher ist, dort hineinzugehen oder ob er womöglich damit rechnen muss, dass er durchbricht oder Teile herabfallen. Als verheirateter Familienvater habe er auch Verantwortung gegenüber seiner Familie, sicherheitshalber sagt er deshalb seiner Frau vor einer Tour auch, wohin er fährt.

    Weil bei ihm die Familie vorgeht, ist er auch nicht allzu oft unterwegs, etwa fünf, sechs Mal im Jahr, schätzt er. Da er zudem gern moderne Architektur, sein Mekka ist hier Frankfurt, und Natur fotografiert, ist er auch nicht immer in Sachen verlassene Orte unterwegs. Aber wenn, dann sucht er sich in einer Gegend gleich mehrere Ziele aus, die er an einem Tag besuchen kann.

    Unter Fotografen solcher Orte gebe es einen Ehrenkodex: „Nichts mitnehmen, nichts verändern“. Es gebe solche, die für ein gutes Motiv auch mal einen Stuhl verrücken, aber er selbst lasse wirklich alles so, wie es ist, sagt Höfling. Und für ihn gilt: Wenn er merkt, dass er an einem Ort nicht willkommen ist, etwa wenn es „Betreten verboten“-Schilder gibt oder das Gelände umzäunt ist, dann geht er dort auch nicht hinein.

    Ein paar seiner Bilder hängen zu Hause in der Wohnung, einem größeren Publikum präsentiert er ausgewählte Fotos auf der Facebook-Seite „Patrick Hoefling Photography“. Aber grundsätzlich steht für ihn das Erleben bei solchen Ausflügen im Vordergrund. Was er interessant findet: „Egal, mit wem ich rede, jeder hat Kindheitserinnerungen an verlassene Orte.“ Der Unterschied ist, dass ihn solche Orte noch immer magisch anziehen.

    Zum Fotografieren kam er, als er 2011 mit seiner heutigen Frau ein halbes Jahr in den USA unterwegs war. Für den Urlaub kaufte er sich eine gute Spiegelreflexkamera. „Da habe ich gemerkt, dass es mir liegt und ich ein Auge für Motive habe“, erzählt Höfling. Im Nachhinein reut es ihn ein bisschen, dass er damals noch nicht auf die Idee mit verlassenen Orten kam – durch Detroit, wo es viele Industrieruinen geben soll, seien sie damals gekommen.

    Manchmal blitzt er mit seinem Anliegen auch ab: Die alte Feuerwehr-Schule in Würzburg durfte er wegen Einsturzgefahr nicht betreten und ins Nautiland durfte er auch nicht. Sehr gern würde er irgendwann mal nach Belgien, wo es angeblich viele sehenswerte verlassene Orte gibt.

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