„Vielleicht nur ein Stück Rasen. Vielleicht nur zwei Kästen mit Netz. Vielleicht nur ein Stück rundes Leder. Vielleicht nur 90 Minuten . . . aber es ist mein ganzes Leben“: So liebevoll umschreibt die 15-jährige Louisa Brandt in einem sozialen Netzwerk ihre große Leidenschaft – das Fußballspielen. Seit sie neun Jahre alt ist, schnürt die Gymnasiastin mit Eifer ihre Fußballschuhe – und liegt damit voll im Trend.
„Früher hatte ich mit Fußball wenig am Hut. Da hab ich Ballett und Leichtathletik gemacht“, sagt Louisa. Seit sie neun Jahre alt ist, rennt das Mädchen mit den langen Haaren lieber einem Lederball hinterher, statt mit Ballettschuhen vor dem Spiegel zu stehen. „Ich bin über meinen Vater dazu gekommen“, erinnert sie sich, von wem sie ihre Fußball-Leidenschaft „geerbt“ hat.
Spaß am Kicken
Doch damals, so erzählt sie, habe es in Lohr noch keine Mädchenmannschaft gegeben. Aber im Stadtteil Halsbach habe es ebenfalls fußballbegeisterte Mädels gegeben, mit denen man sich schließlich zusammenschloss. Immer mehr Mädels hatten schließlich Spaß am Kicken, so dass 2004 eine eigene Mannschaft beim TSV Lohr gegründet wurde. Und seitdem ist Louisa Brandt „am Ball“.
Angesteckt mit dem Fußball-Fieber hat Louisa auch ihre Schwester Celine. Die Mittelfeldspielerin kickt seit jeher für den TSV Lohr. Doch damit wird in wenigen Wochen Schluss sein. Die 13-Jährige hat sich im Laufe der Jahre als echtes Talent entpuppt. Sie spielt in der DFB-Stützpunktauswahl, die wöchentlich in Steinfeld trainiert. Dort spielt sie mit den talentiertesten Nachwuchs-Kickern der Region. Doch nicht nur das: ab Ende August wird Celine ein Sport-Internat in Jena besuchen – und somit mit den besten Spielerinnen Deutschlands kicken. „Der ehemalige Auswahltrainer Udo Hagen meinte schon nach dem ersten Training dort zu mir 'das Kind muss auf ein Sportgymnasium'“, erinnert sich ihr Vater Holger Brandt.
Mit den Besten kicken
Da es in Bayern ein solches für Mädchen nicht gibt, haben sich die Brandts „über die Grenzen hinaus“ umgeschaut – und wurden in Jena fündig. Den Eignungstest hat sie bestanden und nun steht einer eventuellen Karriere als Fußballerin quasi nichts mehr im Wege. „Ich freue mich schon drauf“, sagt die Sportlerin, die wie ihr Lieblingsspieler Arjen Robben das Trikot mit der Nummer 10 trägt. „Celine ist auf jeden Fall stolz darauf, weil sie weiß, dass es ein Privileg ist, und sie freut sich darauf jeden Tag zu kicken – und das mit den Besten aus ganz Deutschland“, ist auch ihr Vater stolz.
Auch die 15-jährige Julia Siegler ist eine begeisterte Fußballspielerin. Die Stürmerin begann ihre Fußballerlaufbahn in ihrem Heimatort Wombach, wo sie gemeinsam mit Jungs gespielt hat. Vor drei Jahren wechselte sie dann zum TSV Lohr, wo sie in der U17 auf Torejagd geht. „Ich war oft besser als die Jungs“, erinnert sich das Mädchen mit den dunklen Augen und den braunen Locken, dass die Jungs dann natürlich wenig begeistert waren, wenn ein Mädel bei der Mannschaftsaufstellung den Vorzug erhalten hat. Ausgerechnet ein Mädchen. Doch wie sieht es überhaupt aus mit den Vorurteilen? Immerhin sahen sich viele Spielerinnen lange Zeit mit den Vorurteilen konfrontiert, sie könnten nicht Fußball spielen und hätten eh nur Angst vorm Ball. „Ich selbst habe so etwas noch nicht erlebt“, erklärt Louisa Brandt. „Ich hab früher schon immer mit Jungs gekickt und die fanden das einfach cool.“
„Einfach cool“ finden auch die drei Mädels das Fußballspielen. „Es gibt einfach einen Zusammenhalt in der Mannschaft, das macht Spaß“, erklärt Julia, wieso sie so gerne Fußball spielt. Dass die Akzeptanz von Frauenfußball auch in der Bevölkerung gestiegen ist, ist spätestens klar, seit sich die deutsche Frauen-Nationalmannschaft vor vier Jahren den WM-Titel geholt hatte. „Frauenfußball wird mehr akzeptiert als früher. Das hat sich schon geändert in den letzten Jahren. Allein beim Eröffnungsspiel der aktuellen WM waren ja 73 000 Zuschauer im Berliner Olympiastadion. Und die letzten Spiele waren auch ausverkauft“, sagt Louisa, die dem TSV Lohr ab der kommenden Runde den Rücken kehren wird, um beim ETSV Würzburg höherklassig zu spielen. Und Julia fügt hinzu: „Ich denke, dass die Akzeptanz in den nächsten Jahren sogar noch mehr steigen wird.“
Die Vorbilder
Selbstredend, dass die drei Mädels Nadine Angerer, Celia Okoyino da Mbabi, Simone Laudehr und Co. derzeit fest die Daumen gedrückt hatten und kein Spiel der deutschen Frauen-Nationalmannschaft verpassten. „Kim Kulik finde ich toll“, sagt Celine. „Sie ist gerade mal 21, ist vergangenes Jahr U20-Weltmeisterin geworden und kann jetzt in der Nationalmannschaft gut bei den Älteren mithalten“, erklärt Louisa.
Julia hingegen hebt die in Lohr geborene und in Gemünden aufgewachsene Torfrau Nadine Angerer hervor. „Ich glaube, dass nur wenige Männer bei dem, was sie geleistet hat, mithalten können.“ Denn: Während der Weltmeisterschaft 2007 blieb Angerer in allen sechs Spielen ohne ein einziges Gegentor. Dies gelang zuvor weder einer Torhüterin noch einem Torhüter bei einer Fußball-Weltmeisterschaft.