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WOHNROD: Vier Generationen leben unter einem Dach

WOHNROD

Vier Generationen leben unter einem Dach

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    Die 91-jährige ist am Tag zuvor nach einem sechswöchigen Krankenhausaufenthalt nach Hause gekommen und ist – die Vermutung liegt nahe – wohl auf die Pflege ihrer Angehörigen angewiesen. Doch die Überraschung ist groß, als nach wenigen Minuten mit Annemaria Schreiber eine quicklebendige Seniorin in die Küche kommt, um dem Gespräch beizuwohnen. Aufmerksam folgt die 91-Jährige dem Interview und garniert dieses mit gewitzten Kommentaren. Schnell erkennt man, was Annemaria von ihr mitbekommen hat: Natürlichkeit, Geradlinigkeit und ihren Humor.

    Auch Christoph, der 29-jährige Sohn, beteiligt sich am Gespräch und als dessen Töchter Carina (fünf Jahre) und Michelle (sechs) auftauchen wird klar: Bei Schreibers wohnen vier Generationen unter einem Dach, und das ist für alle das Natürlichste der Welt. Annemaria Schreiber gerät ins Schwärmen, wenn sie von ihrer Familie spricht. „Ich kann mich auf jedes meiner Kinder verlassen“, sagt sie und meint außer Christoph und Tochter Helena (22), die mit im Haus wohnen, auch die Söhne Volker (36) und Leonhard (38).

    Zusätzlicher Tisch am Sonntag

    Das Familienleben wird wahrlich praktiziert, denn so oft es geht, trifft man sich in der Küche zum Mittagessen. Wer Zeit hat, ist dabei. Annemarie Schreiber strahlt, wenn sie erzählt, dass sie regelmäßig sonntags für die ganze Familie, das sind immerhin 18 Personen, kocht. Dann wird ein zusätzlicher Tisch in die Küche gerückt, damit von der Uroma über die Kinder und deren Ehe- und Lebenspartner, bis hin zu den insgesamt sieben Enkelinnen alle Platz haben.

    Es war die Familie, die Annemaria Schreiber die Kraft gab, als sie vor knapp zwei Jahren fast „den Boden unter den Füßen verloren“ hätte. Ihr Mann Richard starb an Krebs. „Ich wusste oft nicht, wie ich damit fertig werden soll“, sagt Schreiber. „Wir haben alles miteinander aufgebaut. Wir brauchten keinen Urlaub, weil das Leben mit der Natur und für unseren Hof für uns beide die Erfüllung war.“ Richard Schreiber hatte zusammen mit Annemaria den Hof ihrer Eltern Karl und Mathilde Strauß in Wohnrod zunächst im Nebenerwerb geführt. Doch mit einer waschechten Bäuerin an der Seite, die, wie sie betont, „nie von Wohnrod weg wollte“, widmete er sich bald ganz der Viehwirtschaft. Als gelernter Metzger ging er seiner Leidenschaft nach und setzte schon vor 35 Jahren auf die Selbstvermarktung seiner eigenen Produkte.

    Die Bewirtschaftung der 50 Hektar Wald, die seit Generationen einen großen Teil der Arbeit auf dem Strauß-Hof ausmacht, musste er allerdings von seiner Frau lernen. Sie brachte ihm den Umgang mit Kettensäge und Motorsense bei und sie ist noch immer ganz in ihrem Element, wenn sie sich der Pflege der Jungkulturen widmet.

    „Hätten wir nicht erst die Metzgerei gebaut, wäre sicher alles anders gelaufen“, erinnert sich Sohn Christoph an die schwere Zeit nach dem Tod des Vaters. Denn nachdem der neue Verkaufsladen eröffnet worden war, vergingen nur wenige Monate bis zur Erkrankung des Vaters. Der hatte bis dahin den Ausbau des Schlachthauses, der Wurstküche und des Ladens voller Begeisterung vorangetrieben. Jetzt lag es am Jüngsten, mit gerade mal Mitte 20 die Viehhaltung, die Schlachtung und Vermarktung am Hof sowie auf dem Lohrer Bauernmarkt und dem Grünen Markt fortzusetzen.

    Mehr als ein Broterwerb

    Unterstützung erfährt er dabei tagtäglich von seiner Mutter Annemaria. Sie ist nach wie vor leidenschaftliche Bäuerin und sieht in der Land- und Forstwirtschaft weit mehr als nur Broterwerb. „Mit unseren 80 Stück Vieh, die wir regelmäßig umweiden, betreiben wir schließlich auch ein Stück Landschaftspflege“, betont sie, „außerdem sind unsere Pinzgauer Rinder einfach ein schöner Anblick in der Natur“. Sie ist aber auch Christophs Meinung, der sich vorstellen könnte, die Viehhaltung komplett zu beenden. Denn wenn weitere EU-Vorschriften die Schlachtung und Vermarktung vor Ort nicht mehr rentabel machten, würde er lieber ganz aufhören, sagt der Jungbauer, als seine Rinder stundenlang im Viehanhänger zum nächsten Schlachthof zu fahren. Annemaria sieht das auch so, das ist die erwähnte Straußsche Geradlinigkeit.

    Es ist mittlerweile Mittagszeit, und weil Annemaria einen Interview-Termin hat, bereiten kurzerhand andere Familienmitglieder das Mittagessen vor. Bei Schreibers ist einer für den anderen da, und jeder kümmert sich um das, was gerade ansteht. Darauf konnte sich Annemaria Schreiber auch verlassen, als sie nach dem Tod ihres Mannes „einfach immer wieder mal raus musste“, und häufig stundenlang alleine durch die Wälder streifte. Das Sammeln von Heidelbeeren war für sie damals die beste Therapie.

    Mittlerweile hat sie, auch Dank einer neuen Beziehung und dem Halt durch die Familie wieder zu ihrer alten Kraft zurückgefunden. Die Freude am Heidelbeersammeln ist aber ungebrochen, sagt Annemaria Schreiber und zeigt auf drei große Glasbehälter auf der Fensterbank. Darin „reift“ ihre jüngste Beeren-Ernte mit Alkohol versetzt zu einem köstlichen Heidelbeer-Likör heran.

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