Leon Bätz ist eines der jungen Gesichter von Fridays for Future in Lohr. Der 19-Jährige aus Waldzell hatte gemeinsam mit anderen jungen Menschen bei der Lohrer Klimademo Ende September vor 600 Teilnehmern eine Rede gehalten. Darin forderten sie die Politiker auf, bis 2030 aus der Kohle auszusteigen, die Stromversorgung so umzustellen, dass sie im Jahr 2035 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammt und CO2 mit 180 Euro pro Tonne zu besteuern.
Seitdem ist viel passiert oder wenig – je nach Betrachtungsweise: Das Bundeskabinett verabschiedete diesen Mittwoch in Berlin den größten Teil des geplanten Klimaschutzpakets. Darin heißt es, dass bis 2050 mindestens 80 Prozent des erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien kommen soll. CO2 wird zum Einstieg mit zehn Euro je Tonne besteuert. Es geht also um einiges langsamer voran, als es sich Fridays for Future wünscht.
Nächste Demo am 29. November
Doch zurück nach Lohr, wo noch am Tag der Klimademonstration der Stab, künftige Proteste zu organisieren, an Leon Bätz und dessen junge Mitstreiter weitergegeben wurde. Im Gegensatz zu den sonst üblichen Fridays-for-Future-Demos nahmen an der Aktion in Lohr nicht nur Kinder und Jugendliche teil, sondern Menschen jeden Alters. Thorsten Ruf vom Bund Naturschutz erklärte allerdings, dass die Erwachsenen nur dieses eine Mal als Veranstalter auftreten. »Jetzt hat die Jugend es in der Hand«, sagte er.
Laut Bätz soll die nächste Klimademonstration am Freitag, 29. November, stattfinden. Der Lohrer Jugendbeirat, dem der Waldzeller seit zwei Jahren angehört, will mit anderen Jugendlichen auch über weitere künftige Aktionen beraten. Der 19-Jährige spricht von einem derzeit »eher losen Zusammenschluss« von Klima-Aktivisten, bei dem sich noch viel entwickeln müsse. »Meiner Meinung nach macht es keinen Sinn, jeden Freitag mit nur zehn Jugendlichen vor dem Rathaus in Lohr zu stehen«, betont Leon Bätz.
Er ist selbst noch nicht lange bei Fridays for Future aktiv – der globalen Bewegung aus Schülern und Studenten, die nach dem Vorbild der heute 16-jährigen Schwedin Greta Thunberg an Freitagen den Unterricht schwänzt, um für den Klimaschutz zu protestieren.
In Kapstadt demonstriert
Das mag aber auch daran liegen, dass Leon Bätz erst Ende August von einem freiwilligen sozialen Jahr aus Südafrika zurückgekehrt ist. »In Südafrika ist die Bewegung noch nicht so groß, weil die Leute dort andere Probleme haben, als für den Klimaschutz auf die Straße zu gehen«, sagt er.
Trotzdem hat er die Aktionen von Südafrika aus interessiert verfolgt und in Kapstadt selbst an einer »relativ kleinen Demonstration« teilgenommen. Ansonsten unterstützte er in einer Township in Kapstadt die Erzieherinnen eines Kindergartens.
Bei seinem Auslandsaufenthalt bekam er auch am eigenen Leib zu spüren, was Wasserknappheit bedeutet. »Maximal durfte man 20 Liter am Tag verbrauchen. Das hört sich nach viel an, aber schon eine Klospülung verbraucht neun Liter«, berichtet er. Deshalb spüle man dort auch nur beim großen Geschäft und dusche nicht länger als zwei Minuten. Zumindest Letzteres behält er auch in Deutschland bei.
»So kann es nicht weitergehen«
Als er Ende August wieder nach Hause kam, empfand es der 19-Jährige als »krass«, dass in Südafrika die Toilettenspülungen rationiert sind, während »die Leute hier ihre Pflanzen im Garten wässern«. Für den Klimaschutz setzt Bätz sich ein, »weil der Politik gesagt werden muss, dass es so nicht weitergehen kann«.
Er hatte laut eigener Aussage das Gefühl, dass der Kampf gegen den Klimawandel in der Großen Koalition niemanden so richtig interessiert habe. »Jetzt haben sie gemerkt, dass es viele im Volk gibt, die das wichtig finden. Und jetzt hat plötzlich jeder Politiker einen Vorschlag dazu«, schildert der Waldzeller seinen Eindruck.
Bätz ist für eine Klimadividende
Beim Weg hin zur Klimaneutralität sollte es laut Leon Bätz aber sozial gerecht zugehen. Er persönlich befürwortet die sogenannte Klimadividende. Bei dieser Methode werden die vom Staat erhobenen Abgaben auf die fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas wieder vollständig und zu gleichen Teilen auf alle Bürger rückverteilt, schreibt Wikipedia.
Wer weniger fossile Energien nutzt als der Bevölkerungsdurchschnitt würde bei diesem System profitieren, da er mehr ausgeschüttet bekommt, als er vorher über die Produktpreise an Abgaben gezahlt hat, heißt es dort weiter. »Wer CO2 spart, zahlt weniger. Eltern, die ihre Kids mit dem SUV zur Schule fahren, zahlen eben mehr«, veranschaulicht Leon Bätz die Funktionsweise der Klimadividende mit einem Lächeln im Gesicht.
Auf die Frage, ob er für sein Engagement schon einmal im Bekanntenkreis kritisiert wurde, schüttelt der 19-Jährige den Kopf. Bekannte hätten sich lediglich einen Aufkleber gekauft, auf dem »Halt die Fresse, Greta« steht, berichtet er. Den größten Teil der Kritik an Fridays for Future bezeichnet er als »sehr unsachlich und persönlich«.
Leon Bätz wünscht sich ein Umdenken in der Gesellschaft: Jeder solle nach seinen eigenen Mitteln dazu beitragen, CO2 einzusparen. Dass das nicht immer einfach ist, macht er an einem persönlichen Beispiel fest. Zum Gesprächstermin in der Lohrer Redaktion ist der 19-Jährige mit dem Auto gekommen. »Der ÖPNV in Main-Spessart müsste ausgebaut werden«, sagt der Waldzeller.
Leon Bätz Der 19-jährigeLeon Bätz aus dem Steinfelder Ortsteil Waldzell engagiert sich trotz seines jungen Alters schon lange sozial. Als 2015 auch in Lohr viele Asylbewerber untergebracht wurden, hat der damals 15-Jährige in der Jugendherberge Flüchtlingskinder betreut. Deshalb fiel es Bätz auch nicht schwer, von September 2018 bis August 2019 in einem Kindergarten in Südafrika zu helfen. »Ich war es gewohnt, mit Kindern zu arbeiten, die nicht meine Sprache sprechen«, sagt der Waldzeller. Eher ungewohnt war für den Deutschen, dass sich in dem Kindergarten in einem Armenviertel von Kapstadt nur eine Erzieherin auf kleinstem Raum um 30 Kinder kümmern musste. Freiwillige Helfer waren dort also gern gesehen. Leon Bätz unterstützte die Erzieherinnen beim Füttern und Wickeln und tröstete die Kinder, wenn sie schrien. Zurück in Lohr setzt sich der 19-Jährige nun für die Klimaproteste von Fridays for Future ein. Als Mitglied im Lohrer Jugendbeirat gehört er zu einer Gruppe junger Menschen, die auch künftig nach Wegen suchen, für mehr Klimaschutz einzustehen. Fridays for Future traut Leon Bätz nach eigenen Worten viel zu: »Es ist mega, wie viele Menschen wir auf die Straße gebracht haben.« Er räumt aber auch ein, dass die Motivation vieler wieder schwinden könnte, »wenn die Hoffnungen sich nicht bewahrheiten«. ()
