Es herrscht hektisches Gewusel unter der roten Wärmelampe. Fiepend und zwitschernd hüpfen die drei Wochen alten Wachteljungen übereinander. Regina Faulhaber lässt ihre Augen mit einem geübten Blick über sie kreisen, dann greift sie ins Gewusel. Sie zieht zwei tote Küken heraus und legt sie an die Seite. Die beiden haben es an diesem Tag nicht geschafft. „Das gehört eben dazu, das ist die Natur“, sagt die Wachtelzüchterin knapp. Zusammen mit ihrem Mann Jürgen hat Regina Faulhaber auf ihrem Bauernhof in Thüngen eine Wachtelzucht.
Bis zu 300 Eier werden bei den Faulhabers Woche für Woche im Brutkasten ausgebrütet. Aus rund 180 von ihnen schlüpft ein Küken. Der Rest der Eier war entweder nicht befruchtet oder das Küken darin ist während der 15-tägigen Brutzeit und dem bis zu dreitägigen Schlüpfvorgang gestorben.
So süß die Wachteljungen auch sind, das Gewerbe ist nichts für Zartbesaitete. Rund 30 Prozent der Küken überleben die ersten Wochen nicht. Gerade jetzt, in einem durchwachsenen Sommer, ist es schwierig, die Jungen durchzubringen. „Bei zu viel Hitze gehen sie ein, bei zu viel Kälte leider auch. Deswegen sind wir ständig dabei, die Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Stall zu regulieren“, sagt Faulhaber. „Da, der wird es wahrscheinlich nicht schaffen“, sagt sie und deutet auf ein sehr zierliches Wachteljunges, das etwas verängstigt zwischen seinen größeren Artgenossen sitzt.
Ein Hahn, drei Hennen – ist das ein guter Deal für den Hahn?
Die Wachtelhennen, – Wachteln gehören zur Ordnung der Hühnervögel – die die ersten sechs Wochen überleben, sind ab dann für den Eier-Nachschub zuständig. Sie kommen nach nebenan, wo sie nach Farben getrennt den Wachtelhähnen schöne Augen machen und jeden Tag ein Ei legen – wie es sich für ein gutes Huhn eben gehört.
Drei Hennen kommen auf einen Hahn. Wer denkt „Guter Deal für den Hahn“, der irrt. Denn lange nicht alle Männchen werden zur Ei-Befruchtung gebraucht. Der Rest – und auch das ist eben Teil des Geschäfts – findet seinen Platz an einer anderen Stelle der Nahrungskette wieder: Sie werden nach acht Wochen – dann sind sie ausgereift – geschlachtet und an Falkner fürs Falkentraining verkauft.

Manche Eier kommen bei den Faulhabers direkt aus dem Stall in die Brutmaschine, damit der Bestand stets erhalten bleibt. Die meisten von ihnen verschickt Regina Faulhaber aber. Bevor die Eier auf den Postweg gehen, müssen sie behutsam verpackt werden: Das Plastikschächtelchen mit zwölf Eiern wird in Zeitungspapier gewickelt, dann wird das Paket in einen voluminösen, mit Stroh ausgepolsterten Karton gelegt. „Ein kleiner Haarriss würde genügen und man könnte das Ei nicht mehr ausbrüten“, sagt Faulhaber.
Denn die meisten Bestellungen kommen nicht von Delikates-Liebhabern, die die Wachteleier kochen. Es sind Hobby-Züchter, die immer wieder bei den Faulhabers anfragen. Sie kommen aus ganz Deutschland. Auch nach Schweden und Luxemburg sind schon Eier aus Thüngen geliefert worden. „Bis zu zwei Wochen können zwischen Legedatum und Brutbeginn vergehen“, sagt Faulhaber. Die Züchter brauchen die Wachteln entweder, um selbst damit Falken zu füttern oder Hunde zu dressieren. Viele wollen sich auch ein paar Wachteln halten, weil sie sozusagen die Reinigungskräfte der Vogel-Voliere sind.

Was die Wachtel kann, kann die Taube schon lange.
Damit fing es auch bei den Faulhabers an: Die Kanarienvögel der Familie sind sehr wählerische Fresser. Sie picken sich nur das Beste aus dem Vogelfutter raus, den Rest schmeißen sie auf den Boden. „Irgendwann kam mir die Idee, ein paar Wachteln anzuschaffen. Denn die fressen gerne die restlichen Körner vom Boden“, erzählt Regina Faulhaber.
Mit fünf Wachteln fing es damals an. Sie erledigten ihren Dienst im Vogelkäfig ordnungsgemäß und auch die Fortpflanzungslust kam nicht zu kurz. Das Resultat: befruchtete Eier. Mehr zum Spaß legte Faulhabers Vater ein Ei mal einer seiner Tauben unter – und siehe da, die stieg sofort drauf ein und brütete. Als die Wachteln dann geschlüpft waren, war bei der Taube der Schreck groß: Da Wachteln, anders als ihre gefiederten Kollegen, Nestflüchter sind, liefen die Küken gleich nach dem Schlüpfen davon. Und die Taube, ganz der Meinung, da ihresgleichen ausgebrütet zu haben, verzweifelte ob ihrer Erziehungsmaßnahmen. „Dann haben wir angefangen, nach und nach gezielter zu züchten“, so Faulhaber.
Irgendwann wurde der Brutkasten gekauft, heute betreibt die Familie, die auch Hühner hat, die Zucht im landwirtschaftlichen Nebenerwerb. „Über die Runden würde man damit nicht kommen, man muss eher aufpassen, dass man nicht zu viel draufzahlt“, sagt Regina Faulhaber.
Irgendwo zwischen Hobby und Geschäft hat sich für die Faulhabers die Wachtelzucht eingependelt. Denn bei aller Grausamkeit, die die Tierzucht naturgemäß mit sich bringt – die Faulhabers schlachten selbst –, schöne Seiten sieht Regina Faulhaber auch: „Es macht Spaß, die Küken aufwachsen zu sehen, sich um sie zu kümmern.“
Einmal, da gab es eines, da war ihr besonders ans Herz gewachsen: Ein kleines, mit einem krummen Schnabel. Aber auch das ist seinen Weg gegangen. Geschäft ist eben Geschäft.

Info: Wachteln Die Vögel gehören in die Ordnung der Hühnervögel und zur Familie der Fasanenartigen. In der freien Natur leben sie meist im Verborgenen, das heißt, sie brüten meist unentdeckt in Wiesen, auf Getreidefeldern oder in Büschen. In der freien Wildbahn geht der Bestand seit Jahren kontinuierlich zurück, seit Jahren werden die Tiere von der Jagd deshalb verschont. Als gefährdetet Tierart werden die Vögel von der IUCN, der Weltnaturschutzunion, allerdings nicht eingestuft. Die Wachtel lebt in weiten Teilen Europas und im westlichen Asien. Wilde Wachteln sind Zugvögel, für sie geht die Reise in den kalten Wintermonaten südlich des Äquators, etwa in den Sudan oder nach Indien. Das Weibchen brütet 16 bis 19 Tage lang. Sind die Küken geschlüpft, verlassen die kleinen Nestflüchter nach kurzer Zeit das Nest. Eine erwachsene Wachtel misst zwischen 15 und 20 Zentimetern und wiegt um die 100 Gramm. Die Faulhabers verkaufen außerdem sowohl Wachteleier zum Essen als auch Wachtelfleisch. Nähere Informationen gibt es im Netz unter www.wachtel-juergen.de oder unter der Telefonnummer (0 93 60) 99 36 26.