„Jeder hat das Recht, so ruhen zu dürfen, wie er mag.“
Dietholf Schröder, Projektleiter des Waldfriedhofes
Kein imposanter Grabstein, kein aufwändiger Blumenschmuck, keine teure Grabpflege. Einzig und allein die Atmosphäre der Natur, Vogelgezwitscher, der Wind in den Baumwipfeln. In Esselbach können ab sofort Menschen ihre letzte Ruhestätte unter Bäumen finden.
Alternativ zur traditionellen Form der Bestattung auf dem Friedhof wünschen sich immer mehr Menschen eine andere Art des Erinnerns und Abschiednehmens. Diese Alternative verheißt nun auch der kürzlich eröffnete Waldfriedhof „Trauberg“ in Esselbach. Auf einem Areal von zwei Hektar Fläche ist es ab sofort allen Menschen – egal welcher Kultur oder Konfession – möglich, unter 500 Bäumen ihren Platz für die letzte Ruhe zu finden.
Bestattungskultur ändert sich
Was anfangs noch ein Trend war, hat sich mittlerweile zu einem festen Bestandteil im Friedhofswesen entwickelt. Dies ist auch am Esselbacher Bürgermeister Richard Roos nicht unbemerkt vorbeigegangen: „Die Bestattungskultur mit dem klassischen Familiengrab auf dem örtlichen Friedhof ändert sich derzeit auch in unseren Dörfern.“ So sei er auch sofort „Feuer und Flamme“ gewesen, als Ludwig Fürst zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg das Gespräch mit der Gemeinde suchte, um die Idee eines Waldfriedhofes einzuwerfen. „Ich habe sofort gemerkt, was für ein friedlicher Ort das Stück Wald ist“, erzählt zu Löwenstein. Ihm gehört das Stück Land, worauf jetzt der Friedhof entstand. Die Gemeinde hat das Land für die nächsten 79 Jahre gepachtet, weil sie allein die bestattungsrechtliche Hoheit hat. Allerdings hat sie den Betrieb dem Fürstenhaus zurück übertragen, das ihn der „LifeSpirit“-Stiftung übergeben hat.
Betrieb durch „LifeSpirit“-Stiftung
Zwischen der Gemeinde und dem Haus Löwenstein-Wertheim-Freudenberg herrsche eine enge Zusammenarbeit, erzählt zu Löwenstein: „Das Konzept haben wir gemeinschaftlich entwickelt. Wir mussten nur noch einen geeigneten Betreiber finden.“ Diesen haben sie schließlich in der Stiftung „LifeSpirit“ mit Sitz in Karlstadt gefunden. Die Stiftung sieht sich als Stütze für Menschen in schwierigen Situationen. Sie begleitet sie außerdem in den verschiedenen Lebensbereichen, ob Taufen, Eheschließungen oder eben Beerdigungen.
„Ich habe erfahren, dass der Fürst einen Betreiber sucht. Dann habe ich die Stiftung ins Spiel gebracht und ihn angeschrieben“, erzählt Dietholf Schröder, Freier Redner, Diakon, Projektleiter des Waldfriedhofes und Vorstandsmitglied der „LifeSpirit“-Stiftung. „Daraufhin hat er uns eingeladen, wir haben lange geredet und seitdem haben wir ein inniges Verhältnis mit dem Fürstenpaar.“ Dass Schröder das Projekt des Waldfriedhofes wichtig ist, fällt schnell auf. Eine Baumbestattung spende Trost und ermögliche den Angehörigen ein Gedenken in einem individuellen Rahmen. Der Wald strahle Ruhe und Frieden aus und biete eine würdevolle letzte Ruhestätte, meint Schröder.
Naturbestattungen seien vielseitig und bieten viel Freiraum für die persönlichen Vorstellungen und Bedürfnisse. Die Beisetzung der Urne mit der Asche des Verstorbenen erfolgt hierbei an den Wurzeln eines Baumes. Die Preise variieren je nach Klassifizierung des Gewächses: ab 400 Euro für einen jüngeren Baum unter dem mehrere Urnen liegen bis hin zu 6000 Euro für einen älteren Einzelbaum. Bestattungen für „Sternen-Kinder“ bis zu drei Jahren übernimmt die Stiftung.
„Hin und wieder erzählen die Leute ihre Geschichten“, sagt Schröder. Ein Herr beispielsweise, der sich sehr genau den passenden Baum für seinen letzten Ruheplatz ausgesucht hat. Strikt genau lotste er Schröder zu einem ganz bestimmten Platz im Wald. Diesen Baum wolle er. Warum? Weil es der letzte Baum am Ende des Weges sei.
Oder ein Freundeskreis, der darüber tüftelte, welchen Baum er als Gemeinschaftsgrab auswählen solle. Als Vorsorge für später – am Ende wollen alle wieder vereint sein.
Urnen aus Naturmaterialien
Der Projektleiter hat seine eigenen Theorien, warum die Menschen ausgerechnet unter Bäumen bestattet werden wollen. „Es ist einfach ein traumhafter Ort. Man kann hier sitzen, seinen Gedanken nachgehen. Man hat eine einmalige Ruhe. Die Menschen schätzen den Naturzustand des einzigartigen Eichenbestandes.“ Die Nähe zur Natur verdeutlichen auch die Urnen. Es dürfen ausschließlich Urnen aus Naturmaterialien begraben werden. Diese vergehen mit der Zeit.
Und wie läuft eine Natur-Beerdigung ab? Die Trauergemeinde trifft sich erst an der Gedenkstätte. Dort steht die Urne auf dem Altar, einem großen Findling, der mit einem Schwertransporter aus Schollbrunn gebracht wurde. Dort erinnern sich alle an den Verstorbenen. „Es darf gerne auch mal gelacht werden. Wenn ich der Trauer-Redner sein darf, erzähle ich auch gerne mal, welche Streiche derjenige in seinem Leben gemacht hat“, erzählt Schröder. Anschließend geht es mit der Urne zu dem gewünschten Baum.
Auf einer schlichten kleinen Tafel am Baum wird der Name des Verstorbenen eingraviert. Der Kauf der Namenstafeln ist jedoch kein Muss. „Es gibt auch Menschen, die sich anonym begraben lassen wollen“, erklärt Schröder. Jeder habe das Recht, so ruhen zu dürfen, wie er mag.
Der Waldfriedhof Trauberg ist nicht der einzige Friedhof, auf dem in der Region Naturbestattungen möglich sind. Folgende Alternativen gibt es: FriedWald Spessart in Rieneck: Laubmischwald aus Buchen, Eichen, Kirschen, Lärchen und Tannen. Bestehend seit Februar 2008. Von einer Gesamtfläche von 57 Hektar werden momentan vier Hektar genutzt. RuheForst Stadtprozelten: 95 Jahre alter Kiefern- und Laubholzbestand. Bestehend seit Oktober 2006. Von einer Gesamtfläche von zwölf Hektar werden momentan acht Hektar genutzt. Wald der Stille Flörsbachtal: Laubwaldgebiet mit 140 Jahre alten Baumriesen, aber auch jungen Bäumen und Farnen. Der Wald der Stille wurde im April 2006 eröffnet. Von einer Gesamtfläche von rund zwölf Hektar werden momentan zwei Hektar genutzt. Naturfriedhof „Alte Ruhe“ in Steinfeld: Die voraussichtliche Eröffnung wird im Herbst 2017 stattfinden, momentan wird noch auf Genehmigungen gewartet. Breite Baumartenpalette mit Buchen, Eichen, Kiefern und Fichten. Von einer Gesamtfläche von rund 35 Hektar wird die erste Nutzfläche 6,5 Hektar groß sein. SSC