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KLINGENBERG: Wandertipp: Alles rund um die Esskastanie

KLINGENBERG

Wandertipp: Alles rund um die Esskastanie

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    Die essbaren Früchteder Edelkastanie.
    Die essbaren Früchteder Edelkastanie. Foto: Foto: Daniel Reinhardt

    Eigentlich hätte Dominik Ludwig allen Grund, genervt zu sein. Denn im Revier des Försters von Klingenberg im Kreis Miltenberg hat sich die Esskastanie ausgebreitet. „Und die kriegt man eigentlich nicht mehr los“, sagt Ludwig. Doch loswerden will er den Baum gar nicht. Im Gegenteil: Ludwig war es, der dieser in unseren Breitengraden eher seltenen Art in Klingenberg zu wahrer Blüte verholfen hat. Damit wurde diese Ecke am südlichen Rand des Spessarts zu etwas Besonderem.

    Förster Ludwig hatte die Idee mit dem Lehrpfad

    Ludwig ist es zu verdanken, dass es den „Esskastanien-Lehrpfad“ hoch über der Rotweinstadt überhaupt gibt. Wer dort unterwegs ist, erfährt schnell, dass die Esskastanie ein regelrechter Tausendsassa unter den Bäumen ist. Und eine Antwort sein kann auf das, was der Klimawandel wohl aus unserer Region machen wird.

    Diese Eigenschaften waren Ausschlag gebend dafür, dass die Esskastanie vor wenigen Tagen in Deutschland „Baum des Jahres 2018“ geworden ist. Beschlossen hat dies eine gemeinnützige Stiftung um den Naturschützer Silvius Wodarz in Marktredwitz, die stets im Oktober eine Baumart in den Mittelpunkt stellt.

    Baum des Jahres geworden

    Dass es diesmal die Esskastanie ist, hängt mit ihren Eigenschaften zusammen, die gut in die heutige Zeit passen: Die Esskastanie sei anpassungsfähig, wärmeresistent und liefere hochwertiges Holz für die Bau- und Möbelindustrie, begründet die Wodarz-Stiftung ihre Auszeichnung der wärmeliebenden Esskastanie. Dieses auch als Edelkastanie, , Keschte, Keste oder Maronenbaum bezeichnete Exemplar könne unter Umständen eine Antwort auf den Klimawandel sein.

    Esskastanie ist stark im Kommen

    Das sieht Dominik Ludwig in Klingenberg ähnlich. Seit 1995 ist er in der Forstverwaltung der Stadt tätig, 2011 gründete er den Esskastanien-Lehrpfad auf dem Klingenberger Schlossberg. In all den Jahren befasste er sich intensiv mit dem besonderen Baum und hat zuletzt beobachtet, dass die Esskastanie in der Forstwirtschaft „stark im Kommen ist“.

    Im Grunde kam der 49-Jährige gar nicht an der Esskastanie (lateinisch: Castanea Sativa) vorbei. Denn sie wurde schon um das Jahr 1900 von den Klingenbergern gezüchtet. Die Stadt war damals wegen ihres Tonbergbaus äußerst reich und konnte es sich leisten, Geld für Versuche am eigenen Wald auszugeben. Die Stadtväter wollten so Landschaft und Tourismus aufwerten.

    Eigentlich wurden die Bäume zu eng gesät

    Unglücklich war freilich, dass die Klingenberger auf ihrem Schlossberg die Esskastanie in einen Wald säten, der hauptsächlich aus Kiefern bestand. Später kam noch die Eiche hinzu. Folge: Die Bäume standen zu dicht. Schlecht für die Esskastanie, liebt sie doch Licht und braucht Platz in der Krone. Und so bewegt man sich heute auf dem Esskastanien-Lehrpfad auf weiten Strecken durch einen Baumbestand, der aus heutiger Sicht so gar nicht hätte sein dürfen.

    Das hat dazu geführt, dass die Klingenberger Forstverwaltung 2006 einen fundamentalen Umbau des Waldes rund um den heutigen Lehrpfad anschob, um den neun Hektar großen Esskastanienbestand in weiten Teilen zu verjüngen. Seither werden alle drei Jahre abschnittsweise die bis zu 100 Jahre alten Bäume gefällt. Was radikal klingt, nutzt allein eine Eigenart der Esskastanie aus: Sie ist nicht totzukriegen, sondern treibt flugs wieder aus dem Stumpf aus. Schon ein Jahr nach dem Fällen sind die Triebe laut Ludwig bis zu einen Meter hoch. Das meint der Förster, wenn er sagt: Die Esskastanie „kriegt man eigentlich nicht mehr los.“

    Was es mit der groß angelegten Verjüngung auf sich hat

    Etwa auf halbem Weg erreicht der Wanderer auf dem Lehrpfad Stellen, an denen die Verjüngung des Baumbestandes zu erkennen ist. Einige der aus dem Stümpfen treibenden Äste sind mit blauer Farbe markiert: Sie bleiben dauerhaft stehen. Die anderen Triebe – auch Stockausschlag genannt – wird Förster Ludwig auf kurz oder lang absägen, so dass der Haupttrieb einmal ein Stamm mit viel Platz wird. Etwa ein Drittel des Esskastanien-Bestands auf dem Schlossberg wurden auf diese Weise schon verjüngt, der Rest folgt in den kommenden Jahren.

    Als ein Zufall half

    Dass die Esskastanie so sehr am Überleben hängt, erfuhr Förster Ludwig durch Zufall. 2003 bekam er den Auftrag, die Bäume rund um den stattlichen Aussichtsturm auf dem Klingenberger Schlossberg zu kappen. Grund: Der Turm sollte für seine 100-Jahrfeier vom Tal aus besser zu sein. Doch kaum waren die Esskastanien der Motorsäge zum Opfer gefallen, sah Ludwig, dass sie flugs wieder austrieben. „Das wusste ich gar nicht.“ Und so war klar, wie mit dem wertvollen Baumbestand für die Zukunft umzugehen ist.

    Klingenberg ist mit der Esskastanie was Besonderes

    Den Aufwand mit der abschnittsweisen Verjüngung rechtfertigt schon ein Attribut, das sich Klingenberg gegeben hat: Der auch wegen seiner Clingenburg-Festspiele bekannte Ort nennt sich gerne „Bayerns Kastanienstadt“, liege dort doch das größte zusammenhängende Esskastanienvorkommen im Spessart und das bedeutendste in Bayern.

    Freilich relativiert sich dieses Aushängeschild, wenn man generell die Verbreitung der Esskastanie in Deutschland betrachtet: Mit bis zu 3000 Hektar hat Baden-Württemberg das größte Vorkommen, gefolgt von Rheinland-Pfalz mit etwa der Hälfte davon. Bayern und alle anderen Bundesländer bringen es jeweils nur auf einen Bruchteil dieser Flächen. Sein Kerngebiet hatte der Baum früher in Westasien, dann auch im Mittelmeerraum, von wo ihn die Römer über die Alpen brachten.

    Nicht zu verwechseln mit der Rosskastanie

    Mit dem „Biergartenbaum“ Rosskastanie ist er übrigens nicht verwandt: Die Esskastanie gehört wie Eiche und Buche zu den Buchengewächsen, die Rosskastanie wie zum Beispiel das Ahorn zu den Seifenbaumgewächsen. Das Holz der Esskastanie enthält viel Gerbsäure, was es außerordentlich lange haltbar mache, erklärt Förster Ludwig. So sei es von Alters her oft für Pfosten im Weinbau, für Fässer und im Hausbau verwendet worden. Die Blätter eigneten sich hervorragend als Dünger.

    Scharen von Sammlern kommen mit Tüten

    Ab Ende September bis weit in den Oktober hinein fallen die reifen Esskastanien von den Bäumen. Dann schwärmen Liebhaber in die Wälder zum Einsammeln aus – und kehren „oft mit vollen Plastiktüten“ zurück, wie Ludwig beobachtet hat. Wer jetzt entlang des Lehrpfades noch nach Esskastanien sucht, wird wahrscheinlich enttäuscht werden. Denn dass man kaum noch Früchte findet, liegt weniger an den Menschen mit den Tüten. Es liegt an den Wildschweinen. Die sind Ludwig zufolge ganz verrückt nach den Kastanien und ziehen deshalb in Scharen durch den 1000 Hektar großen Stadtwald von Klingenberg.

    Wildschweine sind wie verrückt

    Aber keine Bange: Tagsüber begegne man den Wildschweinen nicht, versichert der Förster. Schon gar nicht, wenn man strikt auf dem Lehrpfad bleibe.

    War die Esskastanie früher „das Brot der Armen“, kennt man sie heute vor allem als heiße Maronen auf den Weihnachtsmärkten. Die mit der Nuss verwandte Esskastanie enthält viel Stärke sowie viel Vitamin B und gilt in Fachkreisen als Frucht mit Zukunft: Sie ist glutenfrei und deswegen für Allergiker eine Alternative.

    Neben all diesen Pluspunkten steht Experte Ludwig auch aus einem anderen Grund auf diesen Baum, der mehrere hundert Jahre alt und bis zu 35 Meter hoch werden kann: Er ist eine Wohltat für die Natur. So hackt der in unseren Breitengraden seltene Mittelspecht gerne seine Höhle in die Esskastanie, der bekanntere Buntspecht ebenso. Werden diese Höhlen von den Spechten aufgegeben, ziehen Fledermäuse oder andere fliegende Zeitgenossen ein. „Solchen Biotopbäumen gilt bei der Waldbewirtschaftung besonderes Augenmerk“, ist auf einer der 13 Infotafeln entlang des Esskastanien-Lehrpfades zu lesen.

    Wenn man eine Esskastanie aufziehen will

    Wer nun auf die Idee kommt, eine Esskastanie in seinen Gartenboden zu stecken, um einen Baum aufzuziehen, der sei ermuntert. Denn Mainfranken hat dafür per se gute Vorzeichen: Das Klima ist mild. Aber: Der Boden sollte nicht kalkhaltig, sondern eher sauer sein. Auch Staunässe vertrage der Baum nicht, sagt Förster Ludwig. Und zu guter Letzt sollten neu gewonnene Esskastanien-Fans an seinen Spruch erinnert werden: Den Baum wird man nicht mehr los.

    Was ja nicht schlecht sein muss.

    Tipps zum Trip: Der Esskastanien-Lehrpfad ist als Rundwanderweg angelegt, verläuft 2,6 Kilometer auf Waldwegen, ist durchgängig mit eigener Markierung beschildert und hat keine nennenswerten Steigungen (Flyer zum Herunterladen). Er ist auch für Familien oder Schulklassen geeignet. Der Lehrpfad startet an der Clingenburg (Zufahrt zum Parkplatz ab Ortsmitte beschildert). 13 Tafeln am Weg informieren über das Thema Esskastanie. Wer sich allen Aspekten eingehend widmen will, sollte bis zu zwei Stunden Gehzeit einplanen. Einkehren: Am Lehrpfad befindet sich ein Aussichtsturm mit Wanderheim. Es ist auch im Winter meist mittwochs und an den Wochenenden geöffnet. Dort kann man auch übernachten. Infos: www.wanderheim-klingenberg.de In der Rotweinstadt Klingenberg gibt es eine Fülle von Häckerwirtschaften und Restaurants. Varianten: Vom Esskastanien-Lehrpfad aus lassen sich bequem Abstecher zum Fränkischen Rotweinwanderweg und ins Geotop der Seltenbachschlucht mit dem stillgelegten Ton-Bergwerk. Infos: www.klingenberg.de

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