Vor fünf Jahren hinterließ Sturm "Burglind" im Spessart im wahrsten Wortsinn eine Schneise der Verwüstung. Ein lokaler Tornado brachte damals auf einer rund 300 Meter breiten und fünf Kilometer langen Schneise nahezu alle Bäume zu Boden. Selbst alte Buchen und Eichen, die als recht sturmsicher gelten, knickten oder stürzten um. Der Anblick von tausenden Bäumen, die wie ein großes Mikadospiel auf der Fläche lagen, schockierte die zuständigen Forstleute damals.
Heute, fünf Jahre später, ist der Schock gewichen. Wenngleich der Arbeitsaufwand im Nachgang des Sturms enorm war und der finanzielle Schaden in die Millionen geht, finden Michael Neuner und Maurice Schwarz heute auch mehrere positive Aspekte. Der Wichtigste sei, so Neuner, Leiter des Lohrer Stadtwaldes, dass auf der Sturmschneise ein ausgesprochen artenreicher Mischwald heranwachse.
Sein Kollege Schwarz, Leiter des Forstbetriebs Heigenbrücken der Bayerischen Staatsforsten, hebt hervor, dass durch die Sturmschneise auf natürlichem Weg große Flächen entstanden seien, die sich geradezu anboten für das Pflanzen oder Säen von Eichen. Die Eiche gilt nicht nur als Symbolbaumart des Spessarts, sondern auch als gut gewappnet für den Klimawandel.
Fläche von rund 280 Fußballfeldern
Die von "Burglind" geschlagene Schneise ist insgesamt rund 200 Hektar groß. Das entspricht einer Fläche von rund 280 Fußballfeldern. Rund 120 Hektar der Sturmschneise liegen im Lohrer Stadtwald, rund 80 Hektar im Staatswald. Auf rund 35 der insgesamt 200 Hektar haben die Forstleute Eichenkulturen begründet.
Auch auf der restlichen Sturmfläche wurden Eichen gepflanzt, allerdings nicht flächig, sondern als Beimischung. Zusammen mit der sich auf natürlichem Wege einstellenden Waldverjüngung werden hier laut Neuner für Spessartverhältnisse ausgesprochen baumartenreiche Mischbestände entstehen. Der 39-jährige Forstmann spricht von rund einem Dutzend verschiedener Baumarten, die auf manchen Teilflächen wachsen. Er sagt: "Das werden einmal Top-Wälder. Es werden Exkursionen hierherkommen, um sich diese Wälder anzuschauen."
Da herrschte Weltuntergangsstimmung, ein solcher Anblick setzt Forstleuten psychisch zu.
Michael Neuner, Leiter des Lohrer Stadtwaldes, über "Burglind"
Neuner und Schwarz waren noch nicht in ihren heutigen Funktionen, als "Burglind" 2018 über den Spessart fegte. Neuner, damals Lehrer an der Lohrer Forstschule, besuchte die Sturmschneise jedoch wenig später mit den an der Schule ausgebildeten Forsttechnikern. "Da herrschte Weltuntergangsstimmung, ein solcher Anblick setzt Forstleuten psychisch zu", beschreibt er die Gemütslage beim Betrachten der Schäden.
Auch Maurice Schwarz spricht davon, dass es für das im betroffenen Staatswald-Revier zuständige Forstpersonal "psychisch schwierig" gewesen sei. Immerhin habe auf einen Schlag die doppelte Holzmenge dessen am Boden gelegen, was normalerweise in einem ganzen Jahr geerntet werde.
Unfallfreie Aufarbeitung war grandiose Teamleistung
Das Aufarbeiten des Sturmholzes dauerte damals Monate. Beide Forstbetriebe hatten ihren regulären Einschlag umgehend gestoppt und das gesamte Personal auf der Schneise zusammengezogen. Hinzu kamen Forstunternehmer und schwere Maschinen. Froh sind Neuner und Schwarz, dass keine Unfälle passiert sind. Das sei bemerkenswert, da das Aufarbeiten des häufig unter Spannung stehenden Sturmholzes als extrem gefährlich gelte, so Neuner. Die unfallfreie und zügige Aufarbeitung der Sturmschäden sei eine grandiose Teamleistung gewesen.

Im Stadtwald fielen laut Neuner auf der Sturmfläche rund 35.000 Festmeter Holz an. Im Staatswald waren es laut Schwarz rund 31.000 Festmeter. Insgesamt entspricht die nach "Burglind" verwertete Holzmenge somit weit über 3500 Lastwagenladungen. Nicht mitgerechnet ist dabei laut Neuner das Holz, das nicht verwertet wurde, also auf der Fläche blieb und dem natürlichen Verfall überlassen wurde. Dieses Totholz fördere die Artenvielfalt. Die Sturmschneise sei daher "naturschutzfachlich total spannend", so Neuner. Manche Flächen der Sturmschneise habe man komplett sich selbst und der natürlichen Sukzession überlassen.

Ein großer Vorteil bei der Bearbeitung der Sturmflächen waren nach Aussage der beiden Forstleute die vergleichsweise nährstoffarmen Spessartböden. Andernorts wäre auf einer derart lichtverwöhnten Schneise schnell eine meterhohe Konkurrenzvegetation in die Höhe gewachsen, erklärt Neuner. Auf den mageren Spessartböden habe die Forstpartie hingegen viel mehr Zeit, Bäume zu pflanzen, ohne dass diese im herangewachsenen Dickicht untergehen.
In Lohr wird die Sturmfläche immer noch bepflanzt
Auf der Sturmfläche im Staatswald sind die Pflanz- und Saatarbeiten nach Aussage von Schwarz mittlerweile abgeschlossen. Zuletzt habe man lediglich am Rand der Schneise etliche Buchen entfernen müssen, die durch den starken Einfall von Sonnenlicht vertrocknet seien und deren dürre Äste daher eine Gefahr für Waldarbeiter dargestellt hätten. Der personell deutlich kleinere Forstbetrieb der Stadt Lohr indes ist laut Neuner teilweise noch immer mit dem Bepflanzen der Sturmfläche befasst. Die Arbeiten werden sich demnach noch bis 2024 erstrecken.
Dort, wo die Forstleute flächig neue Eichenbestände begründet haben, wurden diese durch Zäune geschützt. Damit die Eiche aber auch wachsen kann, wo sie nur punktuell und ohne Zaunschutz eingebracht wurde, brauche es "an den Lebensraum angepasste Wildbestände", so Neuner. Deswegen arbeiteten Stadt- und Staatswald auch diesbezüglich eng zusammen, beispielsweise in Form von gemeinsamen Drückjagden im Bereich der Sturmschneise.
Pflege als Daueraufgabe
Eine Daueraufgabe noch über viele Jahre werde es, den auf der Schneise nachwachsenden Wald zu pflegen. Es gehe darum, die Baumartenzusammensetzung in die richtige Richtung zu lenken, sagen die beiden Forstleute. Neuner nennt als Ziel eine Mischung von rund 70 Prozent Laubholz und 30 Prozent Nadelholz.

Wenngleich sich Neuner und Schwarz sehr zufrieden zeigen mit den Entwicklungen auf der Schneise, so betonen sie doch, dass sie eine Wiederholung eines solchen Sturms gewiss nicht herbeisehnen. Auf jeweils über eine Million Euro beziffern die beiden den Schaden für ihren Forstbetrieb.
Entstanden sei dieser einerseits dadurch, dass viel Holz gesplittert und so überdurchschnittlich viel minderwertigere Sortimente angefallen seien. Auch die Aufarbeitungskosten seien durch die schwierigen Bedingungen deutlich höher als üblich gewesen.
Und schließlich, so Neuner, dürfe man nicht vergessen, dass "Burglind" Bäume vor dem üblichen Erntealter zu Boden gebracht habe. So sei beispielsweise Zuwachs wertvoller Eichen verloren gegangen. Bei aller Zuversicht zur weiteren Entwicklungen auf der Schneise sagt Neuner daher, dass ein Sturm wie Burglind "wirtschaftlich eine absolute Katastrophe" für einen Waldbesitzer sei.