Dass sich die Stadt Lohr beharrlich „Lohr a.Main“ statt „Lohr am Main“ nennt, ist keine Marotte. Das „am“ darf die Stadt amtlich nicht ausschreiben. Mitarbeiter sind gehalten, sich an die amtlich korrekte Schreibweise zu halten. Die sieht auch vor, dass die Abkürzung aufgrund eines fehlenden Leerzeichens direkt am „Main“ klebt, was etwas unschön aussieht. Gewollt war es von der Stadt Lohr freilich einst anders.
Wunschgemäß
1952 war es, da wollte Lohr nicht mehr einfach nur Lohr heißen. Von „Schneewittchenstadt Lohr“ war noch keine Rede, nein, damals wollte Lohr künftig nobel „Lohr am Main“ genannt werden. Also beschloss der Lohrer Stadtrat am 15. Februar vor 65 Jahren die offizielle Namensänderung zu beantragen.
Das bayerische Innenministerium hatte nichts dagegen und änderte den amtlichen Namen mit Urkunde vom 30. April 1952 – allerdings nicht zur vollen Zufriedenheit Lohrs. Statt wunschgemäß „Lohr am Main“ hieß Lohr nun „Lohr a.Main“.
Berichtigung beantragt
In Lohr, damals regiert von Bürgermeister Dr. Ignaz Nebel, glaubte man zunächst an einen Fehler. Vier Jahre später, im Juli 1956, beantragte der Lohrer Stadtrat nach einstimmigem Beschluss die, wie es in einem Sitzungsprotokoll heißt, „Berichtigung“ der amtlichen Schreibweise: Aus „Lohr a.Main“ sollte „Lohr am Main“ werden. Schon bisher habe man im Dienstsiegel den Zusatz „am Main“ getragen, den man beibehalten wolle, heißt es im Protokoll.
Auch bei Behörden, in der Bevölkerung und in der Presse werde das „am“ seit Jahren ausgeschrieben. Dass man erst vier Jahre später auf die Änderung des amtlichen Namens reagiere, solle nicht heißen, dass man bisher mit dem „a.“ zufrieden gewesen sei.
Ministerium: kein Fehler
Doch handelte es sich keineswegs um einen Fehler, ließ das Innenministerium mit Beschluss vom 27. November 1956 wissen. Die amtliche Schreibweise habe, wie festgelegt, „Lohr a.Main“ zu lauten. Das Ministerium berief sich dabei – bürokratisch korrekt – auf eine 29 Jahre alte Bekanntmachung vom 16. Februar 1927, in der Form vom 30. September 1936, die die Schreibweise von Zusätzen zu Gemeindenamen regelt.
Karl Hofmann, Ministerialrat beim bayerischen Innenministerium, bestätigt auf Anfrage, dass das Ministerium 1927 erstmals Regelungen über Zusätze bei Ortsnamen getroffen hat. In der damaligen Bekanntmachung hieß es: „Für die Schreibweise der Zusätze bei Ortsnamen haben bisher einheitliche Grundsätze gefehlt. Dadurch sind zahlreiche mißliche Verschiedenheiten der Schreibweise, insbesondere im Gemeindeverzeichnis und im Ortschaftsverzeichnis, eingetreten.“ Ortsnamen, so das Ziel der Regelungen, sollten also eindeutig sein.
Abkürzung vorgeschrieben
Gleichzeitig wurde auch festgelegt, dass Verhältniswörter in den Namenszusätzen abzukürzen sind. „Eine weitergehende Begründung, weshalb bei Namenszusätzen Abkürzungen zu verwenden sind, fehlt“, teilt Ministerialrat Hofmann mit. Vermutlich seien Abkürzungen im Schriftverkehr damals häufiger gewesen als heute, mutmaßt er.
Mehrfach geändert
Die Bekanntmachung sei in der Folgezeit mehrfach geändert beziehungsweise gänzlich neu gefasst worden. Erst 2010 ist die Bestimmung, wonach nach einer von einem Punkt begrenzten Abkürzung in der amtlichen Schreibweise eines Ortsnamens grundsätzlich auf ein Leerzeichen verzichtet wird, aufgenommen worden. Begründung: seit längerer Zeit gängige Praxis. So war es beispielsweise in den amtlichen Ortsverzeichnissen für Bayern in den Jahren 1973, 1978 und 1991 der Fall, nach denen sich die amtliche Schreibweise der Gemeindenamen rechtlich richte.
Außerdem sollte, was bei Lohr keine Rolle spielt, durch den Verzicht auf ein Leerzeichen die Zugehörigkeit des Zusatzes zum Gemeindenamen in längeren Satzkonstruktionen leichter erkennbar werden, gerade bei längeren Gemeindenamen wie etwa „Sulzdorf a.d.Lederhecke“.
In der neuesten Fassung der „Bekanntmachung über kommunale Namen, Hoheitszeichen und Gebietsänderungen“ steht gleich im ersten Artikel, dass Gemeinden ihren Schriftverkehr unter dem amtlichen Namen zu führen haben, mit den Zusätzen.
Das „a“ und das „i“
Auch andere Gemeinden im Landkreis haben amtliche Namenszusätze, etwa „Gemünden a.Main“, „Neustadt a.Main“ oder „Aura i.Sinngrund“. Meist dienen sie der Unterscheidbarkeit zu Orten, die denselben Namen haben, wie etwa bei den drei Beispielen. Was natürlich die Frage aufwirft, weshalb Lohr eigentlich den Zusatz „am/a. Main“ braucht. Schließlich sind nicht allzu viele Lohrs bekannt, mit denen die Gefahr einer Verwechslung bestünde.
Bei einer Suche im Internet findet man zunächst nur Treffer für unser Lohr. Sucht man weiter, stößt man auf sechs weitere Lohrs, davon zwei in Frankreich. Die deutschen sind meist kleine Nester, wovon das größte noch das Lohr im mittelfränkischen Landkreis Ansbach, das rund 250 Einwohner hat und ein Stadtteil einer Gemeinde Insingen ist, zu sein scheint. Ein Namenszusatz erscheint für das hiesige Lohr als etwas exzentrisch.
Frankfurt mit m ohne Punkt
Übrigens kümmern etwa hessische Städte bayerische Bekanntmachungen wenig. Frankfurt und Offenbach heißen amtlich „Frankfurt am Main“ und „Offenbach am Main“, während die nahen bayerischen Kahl, Karlstein oder Stockstadt allesamt wie Lohr amtlich ein „a.Main“ haben.
Im Internet gibt es köstliche Diskussionen von Leuten, die kostenloses Kartenmaterial erstellen und schier daran verzweifeln, dass es oft mehrfache Eintragungen von Ortsnamen, etwa „Lohr am Main“, „Lohr a. Main“, „Lohr a. M.“, „Lohr a.Main“ gibt.
Manche halten es aus Gründen der Einheitlichkeit für besser „Lohr am Main“ zu schreiben, weil es auch „Frankfurt am Main“ gibt, während andere die amtliche Schreibweise bevorzugen – auch wenn die nicht allen bekannt ist und manche Abkürzungen für Unsinn halten.