Konstantin Wecker steht für Herz, Gefühl, Lebensfreude, aber auch für Engagement für Frieden, Demokratie und Gleichberechtigung aller Menschen. Mit Charme, kritischem Geist und Überzeugungskraft erobert der Münchner Liedermacher am Sonntagabend Hunderte von Konzertbesuchern in Lohr. 900 Fans bevölkerten laut Kulturamtsleiter Peter Häring den Schlossplatz.
Open Air während der Jubiläumstour
Wie vom städtischen Kulturamt angekündigt, wird das Konzertereignis „Poesie und Widerstand“ zum Höhepunkt im Lohrer Spessart-Sommer: das Open-Air auf der Jubiläumstour zum 70. Geburtstag des Künstlers mit 50 Auftritten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Und große Ereignisse bedürfen großer Kulissen: Laut Kulturamtsleiter Peter Häring ist die Bühne mit 13 Metern Breite und zehn Metern Tiefe größenmäßig ein Novum in Lohr, das Platz auch für den 600 Kilogramm schweren Bösendorfer-Flügel bietet. Den ersten Kontakt mit Weckers Management hat Thorsten Merz von ktm-events (Sackenbach) hergestellt. „Beide Seiten bekundeten großes Interesse“, sagt Merz.
Weckruf gegen soziale Kälte
Das Ambiente mit illuminiertem Schloss in der warmen Sommernacht scheint wie geschaffen für Weckers „Weckruf“ gegen soziale Kälte. Sowohl der Künstler als auch das dreieinhalbstündige Programm aus 50 Bühnenjahren zeigen keinerlei Spuren von Altersmüdigkeit. Der Sänger und Pianist rezitiert aus seiner Biografie „Das ganze schrecklich schöne Leben“, mit Worten und Musik rüttelt er auf, prangert politische Missstände an und ruft zur Solidarität auf. Solidarität mit den Menschen auf der Schattenseite des Lebens. Um sich im nächsten Augenblick klassisch geprägten, leisen Tönen voller Poesie und Romantik hinzugeben. „Besiegen wir den Hass mit Zärtlichkeit“ singt der preisgekrönte Liedermacher und fühlt sich sichtlich wohl im Kreise seiner exzellenten Begleitmusiker, allen voran Cellistin Fany Kammerlander und der langjährige Weggefährte Joe Barnikel am Klavier.
Gelungene Überraschung aus Main-Spessart
Gelungene Überraschung im Vorfeld des Konzertes: Der Rothenfelser Fotograf Günter Giessler überreicht dem Künstler ein Spessartbuch samt Fotoserie mit Motiven des jungen Konstantin Wecker, aufgenommen 1981 beim „Festival der Lieder“ auf der Festung Marienberg in Würzburg. Zuvor steht der Poet, Lyriker und Philosoph Wecker Antje Starost von der gleichnamigen Berliner Filmproduktion Rede und Antwort. In Arbeit ist im Auftrag der Fernsehsender ARTE und WDR der Dokumentarfilm „Empört euch“ über Wecker und den ehemaligen französischen Widerstandskämpfer Stéphane Hessel.
Als „Kulturelle Einsatztruppe“ sammeln Heinz Ratz und ein Musikerkollege Geldspenden in einem ausgedienten Springerstiefel. „Gegen das Starre – Sprungbereit“ singt Ratz im Gastauftritt, basierend auf dem von Wecker und ihm gegründeten „Büro für Offensivkultur“ (BOK), das unbürokratisch gegen rechte Bedrohung, Menschenrechtsverletzungen oder Umweltdelikte agiert.
Solidarität mit der Regenbogenkette zeigen
Solidarität mit einer Kultur des Friedens zeigen etliche Besucher, die die Regenbogenkette als Symbol für offene Grenzen und Menschlichkeit um den Hals tragen. Wie Lehrerin Doris Schupp (Neuendorf) oder Christine Klein und Tochter aus Omersbach (Lkr. Aschaffenburg). Was einen echten Fan ausmacht, beweist Jutta Scheffler. Die Stadträtin ist eigens aus Roth bei Nürnberg angereist und das, obwohl sie erst vor zwei Wochen Weckers Auftritt in der Kulturfabrik Roth besuchte. „Weckers politische Lieder sind heute ebenso wichtig wie 1968“, ist Scheffler überzeugt.
Konstantin Wecker sucht und findet den Kontakt zum Publikum. Sehr zur Freude der weiblichen Fans nimmt er ein Bad in der Menge, Hände strecken sich ihm entgegen, der Jubel kennt keine Grenzen. Zugabe reiht sich an Zugabe, bis 30 Minuten vor Mitternacht der letzte Ton verklingt. Mit der Mission, dass „Poesie bereits Widerstand“ ist und dem zu Herzen gehenden „Buona notte amore mio“ entlässt Konstantin Wecker seine Fangemeinde in die italienisch anmutende Sommernacht.